Biographie

Keyser, Erich

Herkunft: Danzig
Beruf: Historiker
* 12. Oktober 1893 in Danzig
† 21. Februar 1968 in Marburg/Lahn

Im Mittelpunkt des Lebens und der Arbeit Erich Keysers hat stets das Schicksal Danzigs und des Weichsellandes gestanden. Schon die Hallenser Dissertation von 1918 handelte von seiner Vaterstadt: Der bürgerliche Grundbesitz der Rechtstadt Danzig im 14. Jahrhundert. Seit 1920 am Staatsarchiv Danzig angestellt (das ihm den Fund zweier wesentlicher Urkunden- und Aktenbestände verdankte), wurde ihm 1927 die Leitung des im Entstehen begriffenen „Staatlichen Landesmuseums für Danziger Geschichte" im Olivaer Schloß anvertraut, das 1939 eine Erweiterung zu einem „Gaumuseum für westpreußische Geschichte" erfuhr. 1923 war Keyser an der Begründung der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Geschichte und Landesforschung beteiligt gewesen. Zudem wirkte er seit 1931 an der Technischen Hochschule in Danzig als Professor für mittelalterliche Geschichte, historische Hilfswissenschaften und Deutsche Landesgeschichte. Die Beschäftigung mit der Geschichte Danzigs, die sich schon früh in Monographien niederschlug (u.a. in Danzigs Geschichte, 1921, 21928 sowie in einem Bildband in der von Burkhard Meier herausgegebenen Reihe Deutsche Lande, deutsche Kultur, 1928, 41942), führte Keyser zur deutschen Stadtgeschichte. Eine Frucht dieses Interesses, das ihn auch die Leitung der Forschungsstelle für Stadtgeschichte übernehmen ließ, ist das von ihm herausgegebene Deutsche Städtebuch geworden, von dem er Band l und 2, Nordostdeutschland und Mitteldeutschland betreffend, 1939 und 1941 vorlegte.

Keyser hat sich vor dem Hintergrund des Kampfes um die Weichsel, wie ein von ihm 1925 herausgegebener Aufsatzband betitelt war, als politischer Historiker verstanden, nicht im Sinne einer, wie er betonte, überholten Beschränkung auf eine Geschichte der Staaten, sondern einer politischen Stellungnahme im Interesse des deutschen Volkes. Das galt wenigstens bis 1945. Dieser Standpunkt, der dem Volkstumskampf im deutschen Osten nach dem Ersten Weltkrieg und dem Streben nach einer Revision des Versailler Friedensvertrages von 1919 entsprang, führte Keyser in eine gefährliche Nähe zum Nationalsozialismus, der sich dem Lebensrecht des deutschen Volkes in der entschiedensten Weise anzunehmen schien. Spannungsvoll verband sich damit ein Gelehrtentum, das sich auf eine strenge Handhabung der historischen Methode verpflichtet wußte, die auf das Verstehen der in der Geschichte wirkenden Kräfte abzielte. „Die Macht räumlicher und völkischer Gegebenheiten, die Wucht geschichtlicher Tatsachen", so schrieb er im Vorwort zu dem oben erwähnten Band, „ist noch niemals ungestraft mißachtet worden. Sie hat sich in der Geschichte des Weichsellandes immer wieder geltend gemacht und wird sich auch in Zukunft auswirken."

Dementsprechend haben Keyser sehr stark raum- und bevölkerungspolitische Fragen beschäftigt, denen Teile der deutschen Geschichtswissenschaft schon seit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und verstärkt in den zwanziger Jahren Aufmerksamkeit schenkten. Nicht nur weil aus den Ergebnissen dieser Forschungsrichtung oder aus willkürlichen Ableitungen derselben die nationalsozialistische Gewaltpolitik ihre Rechtfertigung nahm, hat Keysers an sich verdienstvolle Bevölkerungsgeschichte Deutschlands (1938), 1943 in der dritten Auflage erschienen, wohl schon bei vielen zeitgenössischen Lesern einen fatalen Beigeschmack hinterlassen; der Verfasser, der sich hier zu „einer ausgesprochen völkisch eingestellten Geschichtsauffassung" bekannte, ließ sein Werk in eine Rechtfertigung, ja Verherrlichung nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik (auch in der Judenfrage!) auslaufen. In seinem 1931 erschienenen Werk Geschichtswissenschaft hatte er in einem für einen Landeshistoriker ungewöhnlichen Drang nach Verallgemeinerung sich über grundsätzliche Fragen seines Fachs klarzuwerden und Orientierung zu bieten versucht. Heinrich von Srbik monierte in der großen abgeklärten Überschau seines Alterswerkes Geist und Geschichte (1951) an Keysers Buch, daß die in ihm vorgenommene Scheidung in Raumgeschichte, Zeitgeschichte und Bevölkerungsgeschichte die Ideengeschichte und die politische Geschichte „ungebührlich zurücktreten" lasse, besonders zugunsten der Landesgeschichte, die er zur Raumgeschichte zähle. Das Ende des Zweiten Weltkrieges bedeutete für Keyser den Verlust der Heimat und seiner Familie. In den folgenden Jahren fand er jedoch die Kraft zu einem Neuanfang im privaten wie im wissenschaftlichen Leben. 1950 erweckte er in Marburg die Historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, wie sie jetzt heißen sollte, zu neuem Leben und stand ihr bis 1964 vor. Im selben Jahr war er, ebenfalls in Marburg, an der Begründung des Herder-Forschungsrates und des J.G. Herder-Instituts beteiligt, das er bis 1959 leitete. Das Deutsche Städtebuch erschien weiter. Zuletzt schrieb Keyser noch eine Baugeschichte Danzigs (1972, hrsg. von Ernst Bahr). Die Vernichtung des deutschen Volkstums im Weichsellande blieb ihm der bitterste Befund. 1950 (im ersten Bande des Westpreußen-Jahrbuches) konnte er noch ungläubig fragen: „Ist damit auch seiner deutschen Geschichte ein Ende gesetzt?"

Weitere Werke: Bibliographie der Schriften Keysers, in: Studien zur Geschichte des Preußenlandes. Festschrift für Erich Keyser zu seinem 70. Geburtstag, hrsg. von Ernst Bahr, Marburg (Lahn) 1963.

Lit.: Hermann Aubin: Zu den Schriften Erich Keysers, in: Keyser-Festschrift (s.o.), S. l -11. – Kurt Forstreuter: Nachruf auf Erich Keyser, in: Historische Zeitschrift 208 (1969), S. 255-256. – Ernst Bahr: Erich Keyser, in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 562.

Bild: Festschrift (s. o.)