Biographie

Kisch, Egon Erwin

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Schriftsteller, Journalist
* 29. April 1885 in Prag
† 31. März 1948 in Prag

Er fing mit Lyrik an, „Blütenzweig der Jugend“ (1904), und wurde unter dem Begriff „der rasende Reporter“ – so auch der Titel eines seiner Bücher aus dem Jahre 1925 – das Vorbild für Generationen von Journalisten, die ihm folgten. In Prag begann sein Leben als Sohn jüdischer Eltern. Der Vater war Inhaber einer Stoffhandlung. Seine Sprache war deutsch. Kisch mag schon früh ein unruhiger, suchender Geist gewesen sein; denn das Studium an der Technischen Hochschule Prag brach er ab. 1905 Volontär beim „Prager Tagblatt“, danach Besuch einer privaten Journalistenhochschule“ in Berlin. 1906-1913 Tätigkeit bei der deutsch-nationalen „Bohemia“ als Lokalreporter. Erste schriftstellerische Versuche mit Lyrik (1904) und Prosa (1906,1914). 1912 erscheint K.s erste Reportagesammlung „Aus Prager Gassen und Nächten“. Was seinem Bericht über den Tag hinaus Gültigkeit gibt, kündigt sich hier bereits an: gute Beobachtungsgabe, szenische Lebendigkeit, Lust zur Provokation, eine antibürgerliche Einstellung – 1919 wird Kisch Mitglied der KP. Seine Wahrheitsliebe wird zum Programm. Realität geht vor die Fiktion. Sind Kischs erste Arbeiten gefällige Milieuschilderungen, so werden sie späterhin politische Kampfansagen. Kischs zunächst lokale Berühmtheit gewinnt überregionale Bedeutung, als er die Wahrheit um den Selbstmord des Oberst Redl aufdeckt, der ja russischer Spion war. Kischs Reportagestil ist eine Kombination aus Fakten, tatsächlichen Begebenheiten, Historie und einem Schuß Polemik. Daher für alle lesbar. Je mehr die Weltlage zu kippen droht, umso mehr engagiert sich Kisch auch parteipolitisch. So reist er 1925/26 nach Rußland. Es entstehen die Reportagen „Zaren, Popen, Bolschewiken“ (1927). Sie zeigen, wie aus dem Sympathisanten ein Parteigänger wurde.

Kisch blieb immer auf der Suche nach der Wahrheit, wie er sie sah. Ob er nun nach Amerika reiste, nach China, Australien oder Mexiko, „Entdeckungen in Mexiko“ (1945), er blieb immer ein Anwalt der „Erniedrigten und Beleidigten“. Seine Reportagen waren vor allem Dokumente eines sozialen Gewissens. Natürlich geriet er auch mit den Nazis in Konflikt. Im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand wurde er am 28.2.1933 verhaftet und auf Intervention der Prager Regierung abgeschoben. Er geht nach Paris. Der rasende Reporter engagiert sich auch im spanischen Bürgerkrieg. 1939 wandert er ins zweite und letzte Exil aus, nach Mexiko. 1946 endlich Rückkehr nach Prag. Dort stirbt dieser unruhige „linke“ Reporter, der doch ein Rechter war, der mit ehrlicher Konsequenz die Inkonsequenz der Parteilichkeit nicht scheute, am 31. 3.1948.

Lit.: Gesammelte Werke in Einzelausgaben (Hrsg. v. Bodo Uhse und Gisela Kisch), I. Komödien; Der Mädchenhirt, 1960; H/1. Aus Prager Gassen und Nächten, Prager Kinder, Die Abenteuer in Prag, 1968; II, 2. Prager Pitaval; Späte Reportagen, 1969; III. Zaren, Popen, Bolschewiken; Asien gründlich verändert; China geheim, 1961; IV. Paradies Amerika; Landung in Australien, 1962; VII. Marktplatz der Sensationen; Entdeckungen in Mexiko, 1967.

Auswahl: Der tote Hund und der lebende Jude, 1963. Lexikon der dt. Gegenwartsliteratur, München 1981; J. Mühlberger: Geschichte der dt. Literatur in Böhmen, München 1981; dtv-Lexikon der Weltliteratur, hr. v. G. v. Wilpert, München 1971. Geissler, R.: Die Entwicklung der Reportage E.E.K.s in der Weimarer Republik, Köln 1982: E.E.K., Hg. v. H.L. Arnold, München 1980.