Biographie

Kisch, Guido

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Rechtshistoriker
* 22. Januar 1880 in Prag
† 7. Juli 1985 in Basel

Die akademische Tätigkeit des bedeutenden Rechtshistorikers Guido Kisch an der Albertus-Universität Königsberg dauerte zwar nur kurz: Dem Angebot auf ein Extraordinariat der Heimatuniversität Leipzig – nächst Berlin das berühmteste Kollegium von Rechtsprofessoren der Zeit – zog er einem Lehrstuhl in Königsberg vor und begann dort 1920 rechtshistorische und zivilrechtliche Kollegs, Praktika und Seminare zu halten, reorganisierte als Direktor das juristische Seminar, bis das Frühjahr 1922 ihn an die deutsche Universität Prag führte. 1925 wandte er sich dann aber nach Halle/S., bis die zwangsweise Amtsenthebung 1933 nur Vorankündigung einer wenig später lebensrettenden Flucht nach Amerika wurde. 1962 nach Europa, nunmehr Basel, zurückgekehrt, erarbeitete Kisch dort bis zu seinem Tode am 7. Juli 1985 eine Fülle rechts- und kulturgeschichtlicher Werke der verschiedensten Gebiete.

Seine Leistung für die ostdeutsche Geschichte ist in seiner Königsberger Zeit begründet, reicht aber weiter und blüht vor allem noch während seiner Lehr- und Forschungstätigkeit in Halle. Es ist die Rechtsgeschichte des deutschen Ordenslandes, deren Forschungsresultate Kisch in seiner bedeutenden Autobiographie selbst als „ertragreich" bezeichnet hat. Einmal war es das Grundgesetz des Deutschen Ordens, die Kulmer Handfeste aus dem Jahre 1233 mit Erneuerung 1251, für die er eine bis heute mustergültige und maßgebliche Edition vorgelegt hat (1931). An ältere Studien und allem seine monumentale Ausgabe der Leipziger Schöffenspruchsammlung (1919) anknüpfend, bezog Kisch das Vordringen und die Verbreitung des mittelalterlichen Magdeburger Rechts in das ostdeutsche Kolonialgebiet mit ein. Daraus entstand eine umfassende Darstellung des „Fischereirechts im Deutschordens-Gebiet“ (1932). Ähnlich sollte eine ältere, für Mitteldeutschland begonnene Geschichte des Mühlenrechts erweitert werden. Ein Plan galt dann der Erforschung der rechtlichen und sozialen Gliederung städtischen Bevölkerung im Ordensgebiet.

Die Vertreibung unterbrach diese Arbeiten, doch ist das Geleistete umfassend 1973 als „Studien zur Rechts- und Sozialgeschichte des Deutschordenslandes" erschienen. An gleicher Stelle sind andere seiner Arbeiten 1978 neu aufgelegt worden. Die historische Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung wählte ihn zu ihrem Mitglied, ihre nach dem Krieg neugegründete Nachfolgerin zu ihrem Ehrenmitglied.

Außer diesen spezifisch der Rechtsgeschichte Ostdeutschlands gewidmeten Themen berühren auch andere Arbeiten Kischs immer wieder diese seine kurze Wahlheimat; er leistete Bahnbrechendes für die Rechtsgeschichte der Juden, schrieb Entscheidendes über das Medaillenwesen, untersuchte maßgebliche Gestalten des deutschen Humanismus, um nur einiges zu nennen. In besonderer Weise verbindet dieses Forscherleben, von Prag ausgehend, über Mitteldeutschland in Königsberg fruchtbarste Anregungen empfangend menschliches Schicksal über die Emigration bis hin zur Heimkehr nach Europa mit den allgemeinen Problemen von Nationalsozialismus, Krieg und Versuchen der Bewältigung.

Lit.: Guido Kisch: Das Lebenswerk eines Rechtshistorikers. Erinnerungen. Sigmaringen 1975.