Biographie

Klabund (Alfred Henschke)

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Schriftsteller, Dichter
* 4. November 1890 in Crossen/Oder
† 14. August 1928 in Davos/Schweiz

Über diesem Frühvollendeten lagen schon bald die Schatten des Todes. Als 16jähriger lungenkrank – was seither häufige Aufenthalte in schweizer Sanatorien notwendig machte -, trieb ihn sein Leiden in gestalterische Unruhe. Gedichte von subtiler Schönheit und ekstatischer Kraft sind die Folge. Indes führt ein wohl durch die Krankheit provozierter ausgefallener Lebensstil in moralische und politische Skandale. Man verdächtigt ihn in einem Prozeß der Gotteslästerung. Frühe Freundschaften – seit der Gymnasialzeit in Frankfurt/Oder war Klabund mit Gottfried Benn, der 1928 auch die Totenrede hielt, befreundet – blieben nicht ohne Einfluß auf Leben und Werk des Dichters. Weitere Stationen seiner äußeren Biographie sind München, Berlin und Lausanne, wo er Philosophie und Literatur ohne abschließende Examina studierte. Alfred Kerr, gefürchteter und geachteter Literaturkritiker und zugleich Beweger und Anreger, hatte ihn 1913 als Lyriker für seine Zeitschrift „Pan“ entdeckt.

Klabunds Lebensleistung ist sowohl sein eigenes lyrisches und dramatisches wie episches Werk, als auch die genialische Adaption aus fremden Sprachen (englische, französische Übersetzungen, sowie persische, japanische und chinesische Nachdichtungen — Li-Tai-Pe, Hafis u. a.). Ungemein reizvoll bei diesem Nachfahren eines Francois Villon und Frank Wedekind ist die Wandlungsfähigkeit seiner Sprachbilder. Sie reichen von neuromantischen Stimmungen über zupackenden zynischen Naturalismus bis zu dramatischer Zuspitzung von expressiver Kraft. Unter dem Eindruck des Krieges wird er zum überzeugten Pazifisten. In seinen Romanen experimentiert Klabund gekonnt mit den Möglichkeiten seiner Sprachkunst. Lyrisch zart, novellistisch knapp, szenisch aufgelockert geben sich seine Kurzromane, in denen Gestalten der Geschichte bevorzugt werden. Klabund entrückt sie oft ins Legendäre, gibt ihnen aber auch persönliche bekenntnishafte Züge. So hat für seinen Eulenspiegel Bracke der historisch belegte Hans Clauert (gest. 1566) aus Trebbin Pate gestanden. Klabund gelang auch die dichterische Überwindung seines Leidens in den „Romanen der Sehnsucht“ (Die Krankheit, 1917; Franziskus, 1921; Roman eines jungen Mannes, 1924). Lange vor Thomas Mann skizziert er da die dekadente, morbide Atmosphäre in Davos. Klabunds dramatisches Werk gipfelt in dem 1924 uraufgeführten „Kreidekreis“, der vor allem in lyrischen Passagen eine kongeniale Übertragung der chinesischen Vorlage darstellt. „Mein Name Klabund, das heißt Wandlung“, sagt der Dichter über sich selbst in „Irene oder die Gesinnung. Ein Gesang“ (1918). Als eine Zusammenfügung aus „Klabautermann“ und „Vagabund“ deuten andere seinen Namen. Das Kryptische und Fexierhafte von Klabunds Namen ist Teil seiner Existenz und seines Werkes.

Werke: Celestina, En. 1910; Morgenrot! Klabund! Die Tage dämmern!, G. 1913; Klabund’s Soldatenlieder, 1914; Kleines Bilderbuch vom Kriege, 1914; Klabund’s Karussell, Schwanke 1914; Der Marketenwagen, E. 1915; Dumpfe Trommel und berauschtes Gong, Nachdichtg. 1915; Moreau. Roman eines Soldaten, 1916; Das deutsche Soldatenlied, wie es heute gesungen wird, 1916; Das dunkle Schiff, Gedichte von A. Gryphius, 1916; Li-Tai-Pe, Nachdichtg. 1916; Dragoner und Husaren, Soldatenlieder 1916; Die Himmelsleiter, G. 1916; Mohammed R. 1917; Das Sinngedicht des persischen Zeltmachers, Nachdichtg. 1917; Der Leierkastenmann, Volkslieder 1917; Bracke R. 1918; Die Geisha O-sen. Nach japanischen Motiven, G. 1918; Montezuma, Ball. 1919; Der Feueranbeter, Nachdichtg. 1919; Der Totengräber, lyrisches Dr. 1919; Der himmlische Vagant G. 1919; Die gefiederte Welt, G. 1919; Der Neger, G. 1920; Der Tierkreis, Hg. 1920 Die Nachtwandler, Dr. 1920; Die Sonnette auf Irene 1920; Hannibalis Brautfahrt, Schwank 1920; Dreiklang, G. 1920; Marietta. Ein Liebesroman aus Schwabing, 1920, Reprint 1977; Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde, 1920; Mensch werde wesentlich. Laotse, Nachdichtg. 1921; Das Buch der irdischen Mühe und des himmlischen Lohnes von Wang-Siang, Nachdichtg. 1921; Daudet: Die Abenteuer des Herrn Tartarin aus Tarascon, Übs. 1921; Das Blumenschiff, Nachdichtg. 1921; Heiligenlegenden 1921; Kleine Klabund-Buch, Nn. u. Lieder 1921; Spuk, R. 1922; Das heiße Herz, Ball 1922; Geschichte der Weltliteratur in einer Stunde, 1922; Kunterbuntergang des Abendlandes, Grotesken 1922; Der letzte Kaiser, E. 1923; Pjotr. R. 1923; Das lasterhafte Leben des weilend weltbekannten Erzzauberers Christoph Wagner, gewesenen Famuli und Nachfolgers in der Zauberkunst des Doktor Faust, Volksst. 1925; Lesebuch, G. u. Prosa 1925; Gedichte 1926; Ode an Zeesen, 1926; Die Harfenjule, G. 1927; Das Kirschblütenfest, Spiel 1927; Borgia R. 1928; Totenklage, Son. 1928; Literaturgeschichte, 1929; Rasputin, R. 1929; Dichtungen aus dem Osten, Bde. 1929; Chansons, 1930; Kriegsbuch, 1930; Novellen von der Liebe, 1930; Chinesische Gedichte, 1933; Tagebuch im Gefängnis 1946; Briefe an einen Freund, hg. V. E. Heinrich, 1963 – Gesammelte Werke, 6 Bde. 1930; Kunterbuntergang des Abendlandes, Sammelausg. m. Kommentaren un. Bibl. hg. v. K. Schuhmann, 1967; Der himmlische Vagant, Sammelausg. m. Bibl. hg. v. M. Kesting 1968 – aus dem Klabunt-Archiv v. Guido v. Kaulla: Klabautermann + Vagabund 1977; Gedichte und Prosa, m. unveröff. Texten u. e. Nachw. v. G. v. Kaulla hg. v. W. E. Richartz, 1978 (= PA-RA-Bü 7)

Lit.: O. Hörn, Diss.Jena 1954 (m. Bibl.) u. J. Tatzel, Diss. Wien 1954; W. Paulsen K., A Critical Bibliography, in: „Philological Quarterly“ vol. 37 (1958), Nr. I; Lexikon der deutschspr.Gegenwartsliteratur, Hrsg. H. Wiesner, München, 1981; dtv-Lexikon der Weltliteratur, Hrsg. G. v. Wilpert, 4 Bde., München, 1971; Weltliteratur im 20. Jahrhundert, Hrsg. M. Brauneck, 5 Bde., Hamburg, 1981