In einem Nachruf wurde Karl Kurt Klein ”der letzte praeceptor Saxoniae, unser letzter großer Erzieher zu einem siebenbürgischen Selbstverständnis” genannt (Walter Myß). Es wurde damit eines humanistischen Gelehrten gedacht, der für die Siebenbürger Sachsen Wissenschaftsgeschichte geschrieben hat. Der so Gewürdigte war nach langem Krankenlager als Emeritus der Innsbrucker Universität gestorben.
Die Wiege von Karl Kurt Klein stand einige hundert Kilometer weiter östlich, in Nordsiebenbürgen. Dort wuchs er mit drei Geschwistern in einem evangelischen Pfarrhaus auf. Nachdem er das Brukenthalgymnasium in Hermannstadt besucht hatte, mußte er in der k.u.k. Armee dienen und stand vier Jahre an den Fronten des 1. Weltkrieges in Rußland und in Italien. 1919 machte er noch – nun als rumänischer Staatsbürger – den sogenannten Theißfeldzug gegen die Räterepublik Ungarns mit. Als der Krieg endgültig vorüber war, studierte Klein (nach Urlaubssemestern im Krieg in Debrezin) in Klausenburg und Marburg/Lahn Germanistik, Theologie und klassische Philologie, hörte jedoch mit Vorliebe auch bei den Historikern. Bereits 1921 wurde er mit Auszeichnung promoviert und legte 1923 die theologische Fachprüfung in Hermannstadt ab. Die traditionelle berufliche Laufbahn in Siebenbürgen schien damit vorgezeichnet: Gymnasiallehrer und anschließend Pfarrer in einer der über zweihundert deutsch-evangelischen Gemeinden Rumäniens. Tatsächlich begann Klein seine Laufbahn als Lehrer in Hermannstadt, wo er nebenbei die dort erscheinendeDeutsche Tagespost redigierte, wurde jedoch bereits im Herbst 1923 als Pfarrer der evangelischen Diasporagemeinde in Jassy in der Moldau ordiniert. Gleichzeitig hatte ihn die germanistische Fakultät der dortigen Universität als Assistent gewinnen können.
Diese Zwei- und Mehrfachbelastungen sollten für Kleins Leben und Arbeit künftig bestimmend bleiben. Während er sich einerseits mit der Geschichte der Kirchengemeinde befaßte und aufschlußreiche Beiträge dazu veröffentlichte, konnte Klein sich 1926 mit einer Arbeit überDie Deutsche Dichtung Siebenbürgens im Ausgang des 19. und im 20. Jahrhundert habilitieren. So war es folgerichtig, daß er 1932, als er außerordentlicher Professor für Germanistik in Jassy wurde und als Direktor auch die Leitung der Universitätsbibliothek übernahm, aus dem Pfarramt ausschied. Bereits 1931 hatte man ihm die Herausgabe der Siebenbürgischen Vierteljahresschrift des Vereins für siebenbürgische Landeskunde übertragen, die er aus der Enge siebenbürgisch-sächsischer Forschung herausführte und zu einer führenden wissenschaftlichen Zeitschrift umgestaltete. Bedingt durch die politischen Verhältnisse wurde die Zeitschrift 1941 eingestellt. Auch das Archiv desselben Vereins mußte 1944 – nach 100 Jahren – zu erscheinen aufhören; Karl Kurt Klein war dessen letzter verantwortlicher Redakteur gewesen. 1939 war er in der Nachfolge seines Lehrers Gustav Kisch ordentlicher Professor der Universität Klausenburg geworden, das ein Jahr später mit Nordsiebenbürgen an Ungarn hatte abgetreten werden müssen.
In den Jahren seines Wirkens in Jassy veröffentlichte Klein eine Vielzahl von Arbeiten, zu deren bedeutendsten die Untersuchungen zur siebenbürgischen Geistes- und Reformationsgeschichte wie Der Humanist und Reformator Johannes Honter (1935), und die Literaturgeschichte des Deutschtums im Ausland. Schrifttum und Geistesleben der deutschen Volksgruppen im Ausland vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Leipzig 1939, 2. Auflage 1977) zählen. In der letzteren Arbeit wurde nicht nur die Dichtung des Deutschen Ordens, der Deutschen im Baltikum, an der Wolga und an der unteren Donau sowie das Schrifttum der deutschen Siedlungsgruppen in Amerika und Südafrika zusammengetragen, sondern auch zum ersten Mal in ihrer durchgehenden Eigengesetzlichkeit verstanden und gedeutet.
Im Herbst 1944 wurde Klein mit seiner Familie, jedoch ohne seine Privatbibliothek und die wissenschaftlichen Vorarbeiten, ebenso wie Tausende seiner siebenbürgischen Landsleute aus Nordsiebenbürgen nach Österreich evakuiert, wo er sich schließlich in Innsbruck niederließ. Als heimatloser Ausländer blieb ihm das abermalige Überwinden der Stufenleiter einer akademischen Laufbahn nicht erspart. Klein wurde 1946 zunächst Lehrbeauftragter, dann Vertreter des Lehrstuhls für ältere deutsche Sprache und Literatur, bis er schließlich 1952 die Berufung zum außerordentlichen und 1956 zum ordentlichen Professor der Innsbrucker Universität erhielt. 1963 wurde er emeritiert. Mit einer ausgezeichneten Rednergabe ausgestattet, ging in Kleins Persönlichkeit der Spürsinn des Forschers mit dem Temperament eines leidenschaftlichen Lehrers ein schönes Bündnis ein: ”Er war ein Erzieher von vielen Gnaden. Die persönliche Haltung gab ihm seine Glaubwürdigkeit”, schrieb sein Kollege Eugen Thurnher.
Bedingt durch sein Lehrfach wandte sich Karl Kurt Klein der mittelalterlichen Geistes- und Literaturgeschichte zu. Die Schwerpunkte seiner Forschung lagen bei Arbeiten über die Geschichte der Goten zu Zeiten ihres Bischofs Wulfila, dem er eine Monographie widmete, die als ”ein Edelstein tiefgründiger wissenschaftlicher Kleinarbeit” (Friedrich Krauß) bezeichnet wurde – sie lagen desweiteren bei Arbeiten über Wolfram von Eschenbach, Walther von der Vogelweide, Gottfried von Straßburg und Oswald von Wolkenstein (Die Anfänge der deutschen Literatur, 1954). Die Mitherausgabe und Betreuung des Siebenbürgisch-Deutschen und des Tirolischen Sprachatlasseswaren ihm selbstverständlich zugewachsen.
Trotz räumlicher Entfernung von seiner Heimat im Südosten widmete Klein auch der Geschichte und Sprache der Siebenbürger Sachsen zahlreiche Arbeiten, wovon unter anderem zwei Sammelbände Zeugnis ablegen (Transsylvanica. Gesammelte Abhandlungen und Aufsätze zur Sprach- und Siedlungsforschung der Deutschen in Siebenbürgen, 1963; Saxonica Septemcastrensia, 1971). Auch der verbandspolitischen Arbeit seiner Landsleute entzog er sich nicht und hielt anläßlich der Übernahme der Patenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen über die Landsmannschaft der Siebenbürger Sachsen am 26. Mai 1957 eine vielbeachtete Festrede.
Desgleichen war Klein bald wieder in wissenschaftlichen Gremien und Institutionen an führender Stelle tätig, so im Vorstand der Südostdeutschen Historischen Kommission, deren Archiv und Buchreihe er von 1960 bis 1970 mit herausgab, ferner als Mitglied des Stiftungsrates des Südost-Instituts und im wissenschaftlichen Stipendienausschuß der Südosteuropa-Gesellschaft. Außerdem war Professor Klein von 1961 bis 1963 Mitherausgeber der Jahrbücher des Ostdeutschen KulturratsOstdeutsche Wissenschaft. Auch ging von ihm die Initiative aus, als die Aufgaben der siebenbürgischen Landeskunde wieder angegangen wurden. Die Wahl zum Ehrenvorsitzenden des 1962 wiederbegründeten Landeskundevereins beweist die hervorragende Bedeutung, die Klein für die Gründung des jetzt ”Arbeitskreis für Siebenbürgische Landeskunde” (AKSL) genannten Vereins hatte.
Auf die hohe Wertschätzung, derer sich Professor Klein in Fachkreisen erfreute, weisen die Verleihungen des Ehrendoktorats der Universität Bonn 1939 und des Deutschen Germanistenpreises 1941 sowie des Mozart-Preises der Goethe-Stiftung in Basel 1965. Seine Landsleute ehrten ihn mit ihrem Kulturpreis 1969.
Nachgerühmt wurde Klein, ”wie er auch bei unterschiedlicher Auffassung seinem Gegner Gerechtigkeit widerfahren ließ und dessen Vorzüge anerkannte. Ja er konnte auch – ein seltenes Beispiel! – bei einem möglichen Irrtum diesen einsehen und die Pfähle zurückstecken, ohne dabei das Gesicht zu verlieren” (K. Reinerth).
Weitere Werke: Beiträge zur Geschichte des Protestantismus in der Moldau, 2 Bde. Bukarest 1924-1926. – Die ”Nösner Germanistenschule”, Bistritz 1943.
Lit.: Thurnher, Eugen: K.K.K. Forscher, Lehrer, Politiker. In: Südostdt. Archiv Bd. 14, 1971, 1-8. – Schwob, Anton: Auswahlbibliographie. Ebenda, 9-26. – Möckel, Andreas: Nachruf auf K.K.K. In: Korrespondenzbl. d. AKSL, 1. Jg. 1971, 65-74. – Sutter, Rotraut: K.K.K. In: Siebenbürger Sachsen in Österreichs Vergangenheit und Gegenwart. 1976, 95-98. – Myß, Walter: K.K.K. †. In: Siebenbürgische Ztg. vom 31.1.1971. – Fassel, Horst: Deutschunterricht in Jassy, Tübingen 1993.
Udo W. Acker