Biographie

Kleist, Ewald Georg (Jürgen) von

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Herkunft: Pommern
Beruf: Naturforscher, Domdechant von Cammin
* 10. Juni 1700 in Vietzow/Belgrad
† 10. Dezember 1748 in Köslin/Pommern

Ewald Georg von Kleist wurde als zweiter Sohn des Joachim von Kleist auf dem Rittergut Vietzow geboren (das noch bis 1945 im Besitz der Familie geblieben ist). Die ‘Kleiste’ gehörten zum alteingesessenen pommerschen Adel und haben einige herausragende Persönlichkeiten hervorgebracht – Dichter, Beamte und Soldaten. Die Mutter Ewald Georgs, der sich selbst stets Jürgen nannte, war Hedwig Magdalene von Blanckenburg aus Märkisch Friedland; auch dieses Geschlecht war bis 1945 in Hinterpommern mehrfach begütert.

Von Ewald Georg gibt es im Gymnasium von Neustettin einen eigenhändigen Eintrag unter dem 9. November 1715, dem später von anderer Hand der Zusatz DECANUS CAMINENSIS beigefügt worden ist, womit seine Person eindeutig bezeugt ist. Sicher wurde er bis dahin von Hauslehrern unterrichtet, wie das bei Adelsfamilien auf dem Land üblich war. Sein älterer Bruder ist schon jung ohne Nachkommen verstorben. Jürgen ist in Neustettin bis Ostern 1718 geblieben, um dann die Schule in Danzig abzuschließen. Im Oktober 1721 hat er sich an der Universität Leiden (gegründet 1575) immatrikuliert, um die Rechte zu studieren. Ein Abschluß des Studiums ist ungewiß. Ein Vetter hatte 1722 auf die ihm angetragene Pfründe in Cammin verzichtet, Jürgen sprang sofort ein und wurde damit Camminer Dom-Dekan. Nomineller Bischof von Cammin war nach der schon 1534 in Pommern eingeführten Reformation der Landesherr, nach dem Aussterben des pommerschen Herzoghauses 1637 und dem Westfälischen Frieden 1648 also dessen Erbe, Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg. Er verfügte daher über die Ämter und Einkünfte des Bistums.

Mit geistlichen Pflichten war die Würde des Dekan damals nicht mehr verbunden. Kleists Stellung dürfte Verwaltungsaufgaben umfaßt haben, möglicherweise die Beaufsichtigung der Domschule. Auf jeden Fall ließ ihm seine Stellung Zeit, seinen Neigungen nachzugehen. Diesen ist schließlich die Entdeckung des elektrischen Effekts mit der ‘Kleist’schen Flasche’ zu verdanken, die uns auch als ‘Leidener Flasche’ aus dem Physikunterricht bekannt ist. Das Wissen über Elektrizität, die man nicht greifen, aber empfindlich spüren kann, war noch sehr gering. Jürgen von Kleists Entdeckung datiert vom 11. Oktober 1745, er hat sie noch im selben Jahr verschiedenen Persönlichkeiten mitgeteilt. Daß unabhängig davon schon Anfang 1746 auch in Leiden gleiche Beobachtungen gemacht und mit Öffentlichkeitswirkung weitergegeben wurden, hat die Benennung ‘Leidener Flasche’ befördert; rein zeitlich gebührt von Kleist das Primat, denn Anfang 1746 war sein Versuchsergebnis schon in Berlin, Danzig und Halle bekannt. In Berlin hat man ihn zum Mitgliedder auf Initiative von Leibniz 1700 gegründeten Akademie der Wissenschaften ernannt. Sein Erfolg als Wegbereiter von Kondensator und Batterie hat ihn für die Nachwelt im Wissen um die Elektrizität bedeutend gemacht; der bekannte Berliner Physiker und Professor Slaby hat ihn über 100 Jahre später den „Vater der modernen (Marconischen) Telegraphie“ genannt.

An Kleists Wohnhaus am Camminer Domplatz (von 1720 bis 1810 Dekanatskurie) wurde anläßlich seines 150. Todestages eine Gedenktafel angebracht, die an seine Erfindung und an 25 Jahre langes Wohnen dort erinnerte; am 200. Geburtstag ließ die Familie darüber noch das Wappen derer von Kleist anbringen. Jürgen von Kleist hatte 1735 geheiratet. Seine Frau, aus dem Hause von Platen gebürtig, schenkte ihm acht Kinder, die aber zum Teil jung starben. Da auch die Überlebenden ohne Nachkommen blieben, erlosch mit ihnen diese Kleistsche Linie.

Kleist ist in Cammin geblieben, bis er im August 1747 durch königliche Kabinettsordre als Präsident an das Hofgericht in Köslin berufen wurde. Zwar weiß man, daß er auf dem dortigen alten Friedhof begraben wurde, doch sind weder Kreuz noch Stein auffindbar.

Lit.: Poggendorff: Geschichte der Physik, Leipzig 1879. – C. W. Haken: Versuch einer dipl. Geschichte von Cöslin, Lemgo 1765. – Kratz: Geschichte des Geschlechts von Kleist. – Biogr.-lit. Handwörterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften. 1. Bd., 1863 Leipzig. – Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 16 (1882). – Neue Deutsche Biographie, Bd. 12 (1979).

 

    Friedrich Birkholz