Biographie

Klemm, Walther

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Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Graphiker
* 18. Juni 1883 in Karlsbad/Böhmen
† 11. August 1957 in Weimar

Elternhaus und Vaterstadt bestimmten den Weg des Künstlers. Außer dem musisch begabten, pädagogisch versierten Vater erweiterte auch der weithin bekannte Volksdichter und Nestor der Egerländer Heimatkunde, Josef Hofmann (1858-1943), den seelischen Horizont des Schülers Walther Klemm.

Auch das an Heilquellen reiche Weltbad bildete für Kunst und Künstler ein erfreuendes Tuskulum. So war Karlsbad der auserkorene Geburtsort für Walther Klemm. Seine frühe Begegnung mit bedeutenden Künstlern, die hier zur Kur weilten, wie Adolph von Menzel (ab 1890 wiederholt), Emil Orlik, Max Liebermann (1901) u. a. beflügelten sein künstlerisches Streben. Dieses spannte sich von Karlsbad über das kunstliebende Wien zu dem damals noch „unverbrauchten“ Dachau bei München, von wo er im Jahre 1913 in die deutsche Klassikerstadt Weimar gerufen wurde.

Geboren wurde er am 18.6.1883 in Karlsbad; in Weimar segnete er am 11.8.1957 das Zeitliche. Somit bildeten die von Goethe so geliebten Städte Karlsbad und Weimar das A und O für den Künstler Klemm. Der Olympier bekundete in einem Schreiben an Humboldt im Jahre 1912: „Weimar, Karlsbad und Rom sind die einzigen Orte, wo ich leben möchte“. Aus dieser Sicht läßt sich bei Klemm fürwahr von einem vorgezeichneten Weg von der Wiege bis zur Bahre sprechen.

Aus der starken Verinnerlichung und dem Einfühlungsvermögen in die Psyche jeglichen Lebewesens ist seine ausgeprägte Hingezogenheit zum Menschlichen wie zur Tierwelt zu verstehen.

Einen nachhaltigen Einfluß übte auf ihn das wie in eine Eruptivspalte eingekerbte Karlsbad mit den vielen Pferden aus. In der „Saison“ die ständig einhertrabenden Ein-und Zweispänner (damals auch noch viele Reit- und Zugesel) und die schweren Zugpferde während der „toten Zeit“. (In Karlsbad wurde nur im Winter gebaut.) Das vielfach strapazierbare Pferd bildete für ihn schon in frühester Jugend ein erlesenes Studienobjekt. Aber auch Karlsbad zeigte sich von zwei Seiten. Sommersüber als das vielgerühmte Weltbad, im Winter dagegen als verträumte kleinbürgerliche Oase.

Weitete sich der Blick des Schülers im Sommer in das Kontinentale, das Ersehbar-Überragende, so bot sich das vom verschneiten Winterwald umgürtete Karlsbad wie eine in einer Muschel behütete Perle. Das nährte die Kinderfreude: Versonnenes und mühelos Greifbares. Seine naturhaft erschauten Winterbilder wie Eismachen, Eisfischer, Schleifplatz, Holzreißen im Teplta u.dgl.m. sprechen dafür.

Der Land und Leute bemessende, pädagogisch denkende Vater und das vorbildliche Familienleben bildeten für Klemm ein unverlierbares Diadem. Erst recht noch die von feinen Zügen geprägte, mit einer hellen Stimme begabte und stets gütig lachende Mutter, die in einer nie erlahmenden Hingabe der Familie lebte. Schließlich auch noch der in der Familie lebende, erzählfreudige Urgroßvater, dem Klemm die Erzählgabe verdankte. Die Familienharmonie, das musikträchtige Karlsbad, aber auch das volksliederreiche Umland waren gewiß auch seiner künstlerischen Veranlagung förderlich. Darauf lassen zumindestens seine heimatlichen Landschaftsmotive schließen. Ganz gleich, in welcher Technik, ob mit Griffel, Stift oder Pinsel. Er war ein malender Dichter. Viele seiner Graphiken bilden sichtbare Erzählungen

Wie immer man auch seine vielseitigen Werke bewertet, überragend bleiben seine Tierdarstellungen. Der im Charakter und in der Verhaltensweise erfaßten Kreatur gilt das Primat. Ob in der hauchfeinen Tönung des Falters oder Reihers oder in den knorrig-massiven P ranken des Bären ist gleich. Das ab- oder nachbildende Tier in seiner wahren Natürlichkeit zu erleben, im Blick zu erfassen und folgerichtig künstlerisch darzustellen, war ihm ein Herzensbedürfnis. Seine vielfältigen Tier-Werke darf man daher – fern jeglicher Übertreibung – als einen naturgetreuen künstlerischen Zoo bezeichnen.

Im Holzschnitt – seiner brillantesten Technik – ging es ihm nicht um den durch den Pinsel erreichbaren Flächenausdruck,  sondern vielmehr um den konturenstarken Licht-Dunkel-Kontrast. Die mannigfaltigen Illustrierungen maßgebender Werke: Goethes „Faust“ (I.1913, II. 1930), de Costers „Tyl Ulenspiegel“ (1911), Cervantes „Don Quixot“ (1914), Dantes „Göttliche Komödie“,]oh. v. Saaz, „Der Ackermann und der Tod“, Wielands „Oberon“ usw. bezeugen das deutlich. Es gibt kaum eine bedeutende Galerie der Welt, die nicht die Holzschnitte zu Goethes  „Reineke Fuchs“  (1916) zu ihren Beständen zahlt. Seine Holzschnitte zu „Wilhelm Tell“ waren sein Bekenntnis zur klassischen Literatur und zu Friedrich Schiller.

Er arbeitete hart an sich. Sein Geist war Triebkraft seiner Begabung. Nur so kam es zu seinem großen Gesamtwerk. Walther Scheidig schreibt von rund 500 graphischen Einzelblättern und mehr als 1100 Holzschnitten, Radierungen, Lithos und Steindrucken, die als zyklische Illustrationen geschaffen wurden.

Zur Erreichung dieses Kunstgipfels führte sein Weg vom Karlsbader Gymnasium (Abitur) an die Universität Wien zum Studium der Kunstgeschichte und an die Wiener Kunstgewerbeschule. Von hier nach Prag und 1907 weiter in die Dachauer Künstlerkolonie, wo er mit seinem Karlsbader Jugendfreund Carl Thiemann in Ateliergemeinschaft wirkte. 1813 erfolgte der Ruf als Professor und Leiter der graphischen Abteilung an die Hochschule für Bildende Kunst nach Weimar, an der er bis 1949 tätig war. Der Senat der jetzigen Hochschule für Architektur und Bauwesen ernannte ihn im Jahre 1952 zum Ehrensenator. Frühzeitig erfreute er sich hoher Preise und internationaler Würdigungen. 1911 errang er bei der internationalen Graphikausstellung in Rom den „Großen Preis für Graphik“, 1914 die „Goldmedaille für Buchgraphik“ in Leipzig. Bei den Olympiaden in Amsterdam (1928) und Helsinki (1952) wurde seine sportliche Kunst mit hohen Preisen bedacht. Die einschlägige internationale Literatur würdigte seine Person und Werke – schon frühzeitig – bestens. In vielen Staatlichen Sammlungen und Galerien sind seine Werke vertreten. So in Rom, Paris, London, Moskau, Tokio, New York, Wien, Zürich, Madrid, Belgrad, Sao Paolo usw. In Japan erfreut er sich einer besonderen Verehrung.

Seine Nordlandreisen schärften ihm Sinn und Gesicht für die Tierwelt; Italien und der Mittelmeerraum für die antike Kunst. Eine dankbare Schar einstiger Schüler, die er in vier Jahrzehnten heranbildete, bilden ein starkes Echo zu seiner natürlichen Lehrmetode. Sie bestärkte und begeisterte Herzen. Seine Kunst ging über die Erde. Sein Denken und Sinnen kreiste aber immer wieder um die Heimat, während seine Seele in der Vaterstadt Einkehr hielt.