Biographie

Klinke, Joseph

Herkunft: Posener Land
Beruf: Theologe, Domherr in Posen
* 20. Oktober 1869 in Wygoda/ Posener Land
† 23. Februar 1932 in Posen

In Polen gehört Domherr Klinke, oder Karol Józef Klinke wie er dort geschrieben wird, zu den umstrittenen Klerikern, weil er sich aktiv für sein Deutschtum einsetzte und damit, in den Augen mancher, die polnische Nation und die (polnische) katholische Kirche verriet. Doch heute, vor allem aus wissenschaftlicher Sicht, sollte man über diesen Sichtweisen stehen.

Die Familie Klinke stammte auch nicht wirklich aus polnischer Wurzel oder war über viele Generationen in Polen ansässig, denn die Eltern stammten aus Schlesien. Der Vater, August Klinke (1824-1894), stammte aus Wittel-Rüstern (Rzeszotary) nördlich von Liegnitz (Legnica) und die Mutter, Ida Schallack (1833-1910) aus Adelsbach (Struga) nördlich von Waldenburg (Wałbrzych).

Der Vater zog mit seiner Familie in den Kreis Inowrazlaw (Inowrocław, seit 1904 umbenannt in Hohensalza), wo er als Aufseher arbeitete und in dem 497-Seelen-Dorf Wygoda (pl. Wygoda, Stand 1905) direkt an der Grenze zur Provinz Westpreußen lebte. Hier wurde der Sohn Karl Joseph Klinke am 20.10.1869 geboren.

Unter der nationalsozialistischen Militärbesatzung im Reichsgau Wartheland wurde der polnische wie deutsche Name in Sandkiefern umbenannt. Dieser Name scheint bezeichnend zu sein, denn nach 1945 wurde die Siedlung Wygoda aufgegeben und heute befinden sich in der gesamten Region Nadelwälder. – Nach polnischen Angaben wurde er in dem Dorf Wygoda südlich von Wreschen (Września) geboren.

Joseph besuchte die Elementarschule und wechselte dann an das Gymnasium in Gnesen (Gniezno), wo er 1888 das Abitur ablegte. Er beschloss, katholischer Pfarrer zu werden, strebte aber sofort eine höhere Laufbahn an und bewarb sich nicht am Priesterseminar in Posen und Gnesen, sondern begab sich zum Theologiestudium nach Breslau.

Als Einjähriger und Offiziersaspirant leistete er pflichtgemäß seinen Militärdienst ab und verdiente sich sein Studium als Hauslehrer bei einem polnischen Adeligen, ehe er das Priesterseminar in Posen-Gnesen besuchte. Am 24.2.1894 wurde Klinke zum Priester geweiht. Bereits seit dem 17.2.1894 war er Vikar an der St. Antonius-von-Padua-Kirche in Posen und anschließend dessen Zweiter Pfarrer. Die Priester an dieser Kirche waren seit 1833 explizit mit der Seelsorge für die deutschen Katholiken beauftragt. Ihr letzter Seelsorger war der Franziskaner-Minoriten-Pater, Hilarius Breitinger (1907-1994), der im Krieg vom Papst mit der Seelsorge aller Deutscher im Wartheland, als „Apostolischer Administrator der Deutschen im Reichsgau Wartheland“ beauftragt war.

Zugleich war er mit der Erteilung des Religionsunterrichts am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium beauftragt, was verwundert, da hier vor allem evangelische Deutsche die Schule besuchten, während die Katholiken in das Maria-Magdalena-Gymnasium gingen.

Spätestens seit der Zeit des Kirchenkampfes in den 1870er und 80er Jahren bemühte sich die preußische Verwaltung darum, deutsche Priester auch in die Führungspositionen des Erzbistums Posen-Gnesen zu bekommen. Eine weitere Gelegenheit dazu gab der Tod des Domherrn Kazimierz v. Szołdrski (1843-1904) am 17.7.1904, der hier seit 1892 im Amt war.

Am 28.2.1905 wurde Klinke zu seinem Nachfolger bestellt und 1906 auch als Konsistorialrat in diesem Gremium tätig. 1895 wurde er Redakteur der neu gegründeten deutschen kirchlichen Wochenzeitschrift „Katholischer Wegweiser“, die er bis 1914 betreute.

Bei Kriegsbeginn wurde Klinke als Divisionspfarrer der 49. Reserve-Division zum Militärdienst einberufen. Zuerst war er im Osten tätig, dann im Westen.

Bei Kriegsende kehrte er zurück nach Posen. Da er als Militärpfarrer Dienst geleistet hatte und als Befürworter des Deutschtums galt, wurde Klinke von den polnischen Aufständischen verhaftet und vom 17.6. bis 19.7.1919 im Kloster Glogowko (Głogówko) im Kreis Gostyn (Gostyń) interniert.

Die Versailler Vertragsbedingungen garantierten ihm das Bleiberecht in seiner Heimat, sofern er nicht für die deutsche Staatsangehörigkeit optierte, was er auch nicht tat. Diese Option hatte in der Regel die Ausweisung aus der II. Polnischen Republik zur Folge.

Klinke blieb in Polen, aber er blieb auch Deutscher und setzte sich für die Belange der Deutschen ein. Wie in Albert Steuers Lebenserinnerungen beklagt, nahm man den deutschen Domherren in Posen ihre Aufgaben, behandelte sie abweisend und drängte sich zur Auswanderung. Klinke blieb aber und setzte sich für die Rechte der polnischen Staatsbürger deutscher Nationalität ein.

Er wurde im Jahr 1922 sogar in den Sejm als Abgeordneter gewählt. Bis 1927 war er hier tätig, bis er nicht wieder gewählt wurde. Durch Umstrukturierungen im Wahlrecht gelang es, die Chance der deutschen Minderheit erheblich zu reduzieren. In der parteipolitischen Vertretung der Deutschen war er zweites Vorstandsmitglied. Seine Wiederwahl in den Sejm verhinderte der 1926 neu ernannte Erzbischof August Hlond (1881-1948), indem er ihm diese untersagte.

Klinke kehrte zu den Anfängen seiner Tätigkeit zurück und arbeitete als Geistlicher Rat an der Franziskaner-Kirche in Posen. Aber auch politisch blieb er aktiv und wurde zweiter Vorsitzender im 1923 gegründeten „Verband deutscher Katholiken in Polen“ mit Sitz in Polnisch-Oberschlesien.

Klinke war seit längerer Zeit erkrankt. Er starb am 23.2.1932 in Posen.

Die „Katholische Volkszeitung. Unparteiische oberschlesische Grenzzeitung. Za wiarę i ojczynę – za waszą i naszą wolność“ (Für Glaube und Land – für ihre und unsere Freiheit) mit Sitz in Rybnik in Polen meldet in der Ausgabe Nr. 32, vom 26.2.1932 (15. Jg.) auf S. 2: „Domherr Josef Klinke, der Führer eines Teiles der deutschen Minderheit in Posen und Pommerellen, ist am Dienstag nachmittag nach längerem Leiden gestorben. Diejenigen deutscher Minderheit, die sich mit Polen nicht abfinden können, verlieren in Domherr Klinke einen Führer, der als polnischer Staatsbürger wenigstens das kath. Sittengesetz respektierte. RIP“. Der Leitartikel lautete in dieser Ausgabe Antipolnische Hetze im Reichstag und warf damit ein Schlaglicht auf den Zeitgeist und vor allem auf das, was noch kommen sollte.

Quelle und Lit.: Sterbeurkunde, Kurier Poznański, Nr. 88, Poznań/ Posen 1932. – Hans Jürgen Brandt/ Peter Häger, Elenchus omnium ecclesiarum et universi cleri Archideocesis Gnesensis pro Anno Domini (Schematismus des katholischen Erzbistums Posen-Gnesen), Jg. 1906 und 1931. – Emil Meyer, Zur Geschichte des Königlichen Gymnasiums zu Gnesen. Festschrift zur fünfzigjährigen Jubelfeier der Anstalt 1863-1913, Gnesen 1913. – Martin Sprungala, Biographisches Lexikon der Provinz Südpreußen und Posen 1793-1920. 2 Bd., 1.240 S., Herausgeber Landsmannschaft Weichsel-Warthe, Berlin/ Bonn, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-9822782-1-6 und 978-3-9822782-2-3. – Albert Steuer, Deutsche Domherren in den Domkapiteln von Posen und Gnesen, in: Deutsche Wissenschaftliche Zeitschrift für Polen, Posen 1928, Heft 13, S. 109-127.

Weblink mit Bild: www.wtg-gniazdo.org/ksieza/main.php?akcja=opis&id=1927

Martin Sprungala