Biographie

Klumbies, Heinrich

Herkunft: Posener Land
Beruf: Maler, Graphiker
* 5. Juli 1905 in Neutomischel/Posen
† 9. Juni 1994 in Karlsruhe

Im Jahre 1984 fand die Liste der zahlreichen Ausstellungen des Malers Prof. Heinrich Klumbies eine weitere Bereicherung: Einzelausstellung in Esslingen-Nürtingen. Der Einladung wurden Worte des Künstlers vorausgestellt: „Seit der Zeit, in der ich studierte, benutze ich Stuhl und Tisch als Formen des Bildes. Beides sind uns vertraute und einfache, räumliche Gebilde. Als solche gingen sie ohne weiteres in eine ebenso einfache Ordnung der Fläche, die ich anstrebte, ein. Da der Mensch sozusagen in Symbiose mit Stuhl und Tisch lebt, konnten Stuhl und Tisch innerhalb des entstandenen Gebildes von ihm zeugen oder auf ihn hinweisen …“ Und:„… Immer wiederkehrende Aufenthalte auf Sardinien hatten mir die Spuren früher und frühster Kulturen nahegebracht. Mir begegneten Zeichen … Ich nahm sie vorsichtig in mein Bild auf und entdeckte, daß von solcher Art und Weise das sein müsse, was ich suchte. Ich erfuhr, daß in dem scheinbar unbegrenzten Raum, welchen die Fläche suggerierte, Zeichen und zeichenhafte Gebilde mit für uns ambivalenter Bedeutung die Wirklichkeit des Bildes stimmend bestimmen können, eine Wirklichkeit, die nicht etwas darstelle, sondern uns unmittelbar bewege.“

Ich unterstreiche: Tisch und Stuhl als Motive– der scheinbar unbegrenzte Raum – Symbol, Zeichen. Mit seinen Hinweisen gibt der Künstler auch jenem Publikum, dem die meist Grau in Grau gemalten Tuschbilder (Grisaille) schwerer zugänglich sind, einen trefflichen Einstieg.

Als Professor an der Staatlichen Akademie der Künste Karlsruhe (1960-1971) hat er unzählige Studenten an die Kunst herangeführt, ist ein Stück der Karlsruher Kunstgeschichte geworden, nicht zuletzt auch als Mitglied des Künstlerbundes Baden-Württemberg. Er gehört dem ehrwürdigen Deutschen Künstlerbund an und damit der bundesdeutschen und Berliner Kunstszene. Seine Mitgliedschaft der Société Européenne de Culture weist den Maler als Europäer aus. Doch fühlt sich Heinrich Klumbies auch seiner ostdeutschen Heimat verbunden; seit den Anfängen der Künstlergilde e.V. steht er diesem Verband der Kulturschaffenden, die im Osten geboren und im Westen seßhaft geworden sind, als Vorsitzender (1959-1964) durch Rat und Tat zur Seite. Die Künstlergilde verlieh ihm 1976 den Lovis Corinth-Preis (Ehrengabe), 1977 die Ehrenmitgliedschaft.

Geboren wurde Heinrich Klumbies in Neutomischel in der Provinz Posen: seine Eltern sind Ostpreußen aus Tilsit. Die Schule besuchte er in Schneidemühl, die Hochschulen in Stuttgart, Paris, Königsberg und Berlin. Aus seinen Kompositionen spricht eine räumliche Weite, auch aus seinen Interieurs. Liegen die Wurzeln in seiner heimatlichen Landschaft? Unmittelbar scheint freilich sein erster Flug mit der Lufthansa über Königsberg seine Kunst bestimmt zu haben. Der Künstler blickt zurück: Es war in den dreißiger Jahren, die Nationalsozialisten hatten die Berliner Karl-Marx-Schule, eine avantgardistische Gesamtschule, an der er die Leitung einer Kunstklasse und einer Theatergruppe hatte, geschlossen. Klumbies wurde von Schule zu Schule versetzt, schikaniert, und schließlich mußte er den Staatsdienst verlassen. Sein Brot verdiente er sich als Zeichner und Schreiber für Zeitungen. So kam er auch zum Fliegen, gleichsam dienstlich. Im Kriege holte ihn der Staat zur Luftwaffe. Das Erlebnis des unbegrenzten Raumes, die Weite über den Wolken, hat ihn nie mehr losgelassen und erklärt seine ständige Auseinandersetzung mit dem Raum, den Räumen. In seinen Grisaillen, die er 1946 in Gouache, seit 1967 auf Leinen und seit 1976 in Tusche und Aquarell ausführt, bezieht er seine Interieurs ein, begrenzte Räume werden zu Sinnbildern des „Unbegrenzten“. Zuweilen entstehen farbige „Luftlandschaften“ in der alten Maltechnik aus Ölfarbe und Eitempera. Gerne denkt der Senior der ostdeutschen Kunst an seine Tätigkeit als Lehrer an der Berliner Karl-Marx-Schule zurück. Mit seinen Schülern hat er Grabbes „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ aufgeführt, Bert Brechts „Mann ist Mann“ und die Oper „Der Jasager“ (Brecht/Weill), zu deren Proben der Dichter wiederholt in die Schule kam. Heinrich Klumbies zieht ein Resümee: „Wie Sie sehen, habe ich mich im weiten Bereich der Kunst vielfältig bewegt. Wo aber bin ich heute zuhause? Von dorther, wo ich geboren und aufgewachsen bin, habe ich mein Wesen mitgebracht. Mit diesem konnte ich mich in der Weltstadt Berlin verwurzelt fühlen. In Karlsruhe, Jahrzehnte später, fand ich neue Freunde und finde ich, jedenfalls räumlich, weite Horizonte. Inzwischen ist mir bewußt geworden, daß die Wirklichkeit, die durch Kunst geschaffen wird, mein eigentliches Zuhause sein müsse.“

Lit.: Heinrich Klumbies, Karlsruhe 1969, erweitert zu „Grisaillen, Gouachen und anderes“ 1976, mit Beiträgen von Richard Biedrynski, Clara Menck, Hans Kinkel, Kurt Kusenberg, Heinz Piontek, Walter H. Fritz Jürgen Rausch, Günther Wirth und mit eigenen Texten. – Wilhelm Gall „Malerei des 20. Jahrhunderts“, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 1979. – Günther Ott: „Künstlerprofile“, Walter-Rau-Verlag Düsseldorf 1980. Günther Wirth: „Kunst im deutschen Südwesten von 1945 bis zur Gegenwart“, Verlag Gert Hatje, Stuttgart 1982.