Biographie

Knipstro, Johannes

Herkunft: Pommern
Beruf: Theologe, Reformator
* 1. Mai 1497 in Sandau bei Havelberg/Elbe
† 4. Oktober 1556 in Wolgast

Als Vertreter der „ersten Generation“ von evangelischen Predigern und Reformatoren, im gleichen Jahr, 1497, wie Philipp Melanchthon geboren, kommt Johannes Knipstro ein nicht unerheblicher Anteil an der Entwicklung und strukturellen Konsolidierung der lutherischen Kirche im Herzogtum Pommern zu, deren Gestalt er vor allem während seiner einundzwanzigjährigen Tätigkeit als (General-)Superintendent in Greifswald und Wolgast entscheidend prägte.

Außer seinem Geburtsort Sandau an der Elbe ist über Knipstros familiäres Umfeld und seine ersten Lebensjahre wenig bekannt. Offenbar noch sehr jung wurde er einem schlesischen Franziskanerkloster übergeben. Nachweisbar ist erst sein Aufenthalt in Frankfurt/Oder, wo er 1516 studierte. Dort wurde er mit Luthers 95 Thesen bekannt und ergriff dessen Partei. Inwieweit dies öffentlich im Rahmen einer Disputation Tetzels geschah, wie einige Biographen behaupten, kann nicht eindeutig geklärt werden (vgl. Kawerau, 594). Fest steht, daß sein Konvent eine Versetzung des theologisch unzuverlässigen Mitbruders nach Pyritz veranlaßte. Dort predigte Knipstro seit 1521 mit ausdrücklicher Billigung und auf Verlangen der Bürgerschaft in der Pfarrkirche St. Mauritius evangelisch. Auf Betreiben des neuen Bischofs von Kammin, Erasmus Manteuffel, erfolgte 1523 Knipstros Ausweisung. Einer möglichen Verhaftung entzog er sich durch Flucht. Er wandte sich zunächst nach Stettin und erreichte über Stargard schließlich Stalsund. Hier hatte sich unter zum Teil dramatischen Bedingungen seit Frühjahr 1524 mit der Einführung einer durch den späteren Hamburger Superintendenten Johannes Aepinus (Hoeck) verfaßten Kirchen- und Schulordnung am 5. November 1525 die Reformation endgültig durchgesetzt.

In erster Linie war es der innenpolitische Druck, der die Herzöge zu handeln zwang. Vor allem in den Städten gewann die reformatorische Bewegung immer mehr an Boden. Ein Landtag wurde auf den 13. Dezember nach Treptow an der Rega ausgeschrieben und Johannes Bugenhagen, seit 1521 Stadtpfarrer in Wittenberg und enger Vertrauter Luthers, um Unterstützung bei der Konzeption einer Kirchenordnung für das Gesamtherzogtum gebeten. An den Beratungen nahm auch Knipstro als Vertreter Stralsunds teil. Mit der Berufung als Prediger an St. Nikolai 1528 hatte er sich bei der weiteren Ordnung des städtischen Kirchenwesens profilieren können. Als „oberster Prediger“ führte er nun die Oberaufsicht über die Stralsunder Pfarrer. Zudem hatte er sich ebenfalls in kirchenordnender Funktion 1531 bis 1533 in Greifswald aufgehalten.

Die landesherrliche Administration der „Treptower Ordnung“ und der damit verbundenen Visitation trafen auf zum Teil erbitterten Widerstand von Adel und Städten. Der von Bugenhagen geleiteten Kommission verweigerte Stralsund im April 1535 erfolgreich den Zugang zur Stadt. Knipstro nahm schließlich im Juni 1535, nachdem er kurz zuvor noch die Hansestadt beim Theologenkonvent des wendischen Viertels in Hamburg vertreten hatte, die Bestellung seines Landesherrn, Philipp I. von Pommern-Wolgast, zum Hofprediger an und ging nach Wolgast. Mit seiner gleichzeitig erfolgten Berufung zum Superintendenten des Wolgaster Landesteils, seit 1540 Generalsuperintendent, begann das entscheidende Kapitel seines Wirkens. Gemeinsam mit Paul von Rode und Paul Hogensee, den Generalsuperintendenten für Pommern-Stettin und Stolp, ergänzte er 1542 die „Treptower Ordnung“ durch eine Agende, die im gleichen Jahr in Wittenberg im Druck erschien. Vor allem betrieb er konsequent den Aufbau und die Pflege eines aktiven Synodalwesens. Von 1539 bis 1552 lehrte Knipstro an der Theologischen Fakultät der 1539 als lutherische Universität wiederbegründeten Hochschule in Greifswald. 1547 erhielt er dort als einer der ersten die theologische Doktorwürde verliehen. Insgesamt war er dreimal Rektor (1544/47/48).

Von seinem Bemühen um Gottesdienst und Seelsorge zeugen einzelne Publikationen, wie das 6. Hauptstück des Katechismus, ebenso wie sein ausgleichendes, letztendlich aber entschiedenes Verhalten im Interesse der pommerschen Gesamtkirche gegenüber den kirchenpolitischen Herausforderungen seiner Amtszeit, wie dem Augsburger Interim und den Auseinandersetzungen um die Rechtfertigungslehre Osianders in Pommern. Auf einer Generalsynode in Greifswald 1552 erklärten sich die pommerschen Geistlichen unter Federführung Knipstros öffentlich gegen Osiander.

Die schärfste und die Administration der Superintendentur von Pommern-Wolgast tief erschütternde Auseinandersetzung aber führte Knipstro mit Johannes Freder um dessen Ordination als zukünftiger Superintendent von Rügen. Freder war 1549 als Superintendent in Stralsund wegen des Interims entlassen worden und auf Vermittlung Knipstros zunächst als Professor in Greifswald tätig gewesen. Im Frühjahr 1550 wurde er mit der Kirchenleitung in Rügen betraut. Der nun erbittert bis hin zu publizistischen Invektiven auf beiden Seiten geführte Streit weitete sich zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung um Bedeutung und Vollzug der Ordination aus. Weder die aus Wittenberg erbetenen Gutachten noch ein durch den Landesherrn vermittelter Rezeß konnten einen Ausgleich zwischen den Parteien erreichen. 1556 verurteilte die Generalsynode in Greifswald die Position Freders, der nach Ordination durch den Bischof von Roskilde und Verpflichtung auf die dänische Kirchenordnung seines Amts enthoben wurde. Knipstro starb noch im gleichen Jahr am 4. Oktober in Wolgast.

Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 16, 298f. – Ferdinand Bahlow, Johannes Knipstro. Der erste Generalsuperintendent von Pommern-Wolgast, Halle 1898 (Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, 62). – Dirk Alvermann/Birgit Dahlenburg (Hrsg.), Greifswalder Köpfe. Gelehrtenporträts und Lebensbilder des 16. und 18. Jahrhunderts aus der pommerschen Landesuniversität, Rostock 2006. – Gustav Kawerau, Johannes Knipstro, in: Realenzyclopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. 10, 2. Aufl. 1901, S. 594-598. – Neue Deutsche Biographie, Bd. 12, 1980, S. 188f. – Heinz Scheible (Bearb.), Melanchthons Briefwechsel: Personen F-K, Bd. 12, Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, S. 429f.

Roxane Wartenberg