Wilhelm von Knobelsdorff steht für die vielen Männer, die sich freiwillig meldeten, um mit der Waffe die Freiheit von der Napoleonischen Unterdrückung zu erkämpfen. Ihr persönlicher Einsatz läßt oft vergessen, daß sie mit diesem Entschluß anderen, die auf ihren Schutz und ihre unmittelbare Hilfe angewiesen waren, eine schwere Last von zusätzlicher Arbeit, Verantwortung und Sorge auferlegten.
Besitzer des nördlich von Friedeberg in der Neumark gelegenen Gutes Mansfelde, war Knobelsdorff auch Landrat, Ritterschaftsrat und Johanniterritter. Ab 25. März 1812 zogen Teile der „grande armée“ auf der Straße nach Osten durch die Kreisstadt, „mit Musik und Glanz“, wie Zeitzeugen berichten, nicht nur gebürtige Franzosen (ein Trupp berittener Näherinnen erregte besonderes Aufsehen), sondern auch Männer aus den von Napoleon abhängigen Staaten des Rheinbundes. Sie zeigten „frechen Übermut“ gegen die neumärkische Bevölkerung. Als ein Bürgermeister dagegen einschritt, verurteilte ihn ein Militärgericht zu Auspeitschung, an deren Folgen er verstarb.
Im Dezember 1812 mehrten sich die Nachrichten von den furchtbaren Verlusten der Armee. Ihre Reste „teilweise in Weiberröcke und Lumpen gehüllt“ wankten durch Friedeberg; Frauen, Töchter und Mägde brachten ihnen Suppe, wodurch sich in der zur Erfüllung unerschwinglicher Kriegslasten an die Franzosen verarmten Region das Lazarettfieber ausbreitete. Trotz des Desasters gelang es Bonaparte, neue Truppenteile aufzustellen. In der Schlacht bei Bautzen am 20./21. Mai 1813 zwischen den Franzosen und den verbündeten Preußen und Russen zeigte sich die Notwendigkeit einer Atempause in Gestalt eines vorübergehenden Waffenstillstandes. In schneller Folge waren König Friedrich Wilhelms III. Aufrufe „An Mein Kriegsheer“, „An Mein Volk“ und die „Verordnung über die Organisation der Landwehr“ erschienen. Deren Aufstellung im verarmten Land war eine Meisterleistung der Reformer, forderte aber von der Bevölkerung das Letzte.
Wilhelm von Knobelsdorff, obwohl nicht mehr landwehrdienstpflichtig, meldete sich freiwillig. Der Kreisausschuß hatte einen seiner besten und angesehensten Männer namhaft gemacht – er konnte, bei aller Sorge um das Gut und seine große Familie, nicht zurückstehen. Als ehemaliger Dragoneroffizier erfahren, nahm er sich nun als Rittmeister der Aufstellung seiner Eskadron im 1. Neumärkischen Landwehr-Kavallerie-Regiment mit Energie an, beschaffte zum Teil auf eigene Kosten Ausrüstung und Bewaffnung und widmete sich im Aufstellungsquartier weit nördlich Mansfelde intensiv der Ausbildung. Seine Frau Franziska konnte ihn einmal dort besuchen, ahnend, daß ein Abschied auf lange Zeit bevorstand. Und tatsächlich wurden die in der Aufstellung fortgeschrittenen Teile der Landwehr in die Feldtruppe eingereiht – sie entlasteten diese, indem sie die gleichen und auch noch zusätzliche Aufgaben übernahmen. Die anderen marschierten, zum Teil barfuß und nur mit Piken und ohne Schußwaffen (die sie sich beim Feind holen sollten), beispielsweise zur Einschließung der noch feindbesetzten Festungen wie Küstrin, von wo immer wieder Kanonendonner zu Franziska drang, als Wilhelm schon längst schwere Märsche und Kämpfe, so an der Katzbach und bei Leipzig, hinter sich hatte, verwundet wurde, davon nichts schrieb, um sie, Franziska, nicht zu beunruhigen. Das gerade aber geschah um so mehr, als Verwundete Gerüchte, ihr Mann sei gefallen, in die Heimat brachten. Mit Verzögerung kommen Wilhelms Briefe bei ihr an. So schreibt er einmal: „Nacht und Tag, meine Gute, liegen wir unter freiem Himmel – und oft ohne die mindeste Unterlage von Stroh“ – selten, wie hier im Oktober, deutet er die Strapazen an. Doch gleich sucht er sie mit der Bemerkung zu beruhigen, es ginge ihm noch gut, nur sehr mager sei er geworden.
Für besondere Bewährung erhält Knobelsdorff das Eiserne Kreuz, geht Neujahr 1813/14 mit Blücher bei Kaub über den Rhein. Während die Armee kämpfend Bonaparte auf Paris zurückwirft, wird er mit seiner Eskadron herausgezogen. Er bekommt den Auftrag, teils allein, teils mit wechselnder schwacher Unterstützung durchziehender preußischer Truppen, beispielsweise Genesender, die stark verteidigte französische Festung Saarlouis zu zernieren, zu überwachen, Ausfälle abzuwehren – ein winterlicher aufreibender Dienst, längere Zeit ohne Postverbindung mit der Heimat. Da sein Gepäck mit nach Paris marschiert, siegelt Wilhelm mit fremdem Petschaft. Der Friedeberger Posthalter, ein Major a.D., schreibt um ein von ihm erbrochenes Siegel: „um balde zu erfahren das sich Ihr Herr Gemahl noch wohl befindet habe ich den Brief auf gemacht ich bitte um Vergeb. und Empfehle mich bestens.“ Unterschrift. Wir müssen wissen, daß er Gelder auf dem Gut stehen hatte und können uns sein Motiv denken. Und Franziska? Das mußte sie erleben, ebenso wie die Bitte eines Nachbarn, Wilhelm möge ihm aus Frankreich Champagner mitbringen. Eigennutz und Opferbereitschaft standen auch damals dicht beieinander.
Als schwere Last, zusätzlich zur Führung des Haushaltes und der Erziehung der sieben Söhne und einer jüngst geborenen Tochter, liegt die Leitung des Gutsbetriebes allein auf ihren Schultern, ohne daß sie je dafür eine Ausbildung erfahren hatte (nur die nachwachsenden Söhne der Gutsbesitzer besuchten weitgehend die Universität Frankfurt a.d. Oder). Oft ist sie so erschöpft und so in Sorge, daß sie nicht schlafen kann. Ihre Maßnahmen sucht sie mit ihrem Mann abzustimmen, doch kommen seine Antworten wegen des langen Postweges zu spät, auch hat sich inzwischen die Lage geändert.
Da wächst sie über sich hinaus, entläßt den untauglichen Inspektor, stellt einen anderen ein und setzt sich –Tochter des berühmten Kolonisators Friedrichs des Großen, Franz Balthasar Schönberg von Brenkenhoff – im Ganzen ebenso wie im Detail energisch durch.
Im Sommer 1814 zieht Wilhelm nach dem Friedensschluß mit den Ulanen seiner Eskadron, soweit sie überlebt haben, über die heißen, staubigen Landwege der Heimat zu. Franziska fährt ihnen mit den im Dorf Verbliebenen auf Leiterwagen entgegen. Erleichtert und Gott dankend gibt sie die Leitung des Gutes wieder in seine Hände zurück.
Zum Andenken an Franziskas Vater, dem Preußen so viel verdankt, verfügt König Friedrich Wilhelm IV. am 10. Dezember 1842 für Wilhelm von Knobelsdorff und seine Nachkommen Namens- und Wappenvereinigung mit denen der (aussterbenden) von Brenkenhoff. Knappe sechs Jahre später stirbt Wilhelm von Knobelsdorff-Brenkenhoff im 79. Lebensjahr. Franziska folgt ihrem Gatten reichliche neun Jahre später im Tode nach. Auf einem Pendant zu Wilhelms Porträt trägt sie den ihr in Anerkennung ihres Einsatzes für die Heimat verliehenen Luisenorden.
Lit.: Ausführliche Darstellung mit zahlreichen Skizzen, Abbildungen, Gefechtsplänen, Faksimiles von Dokumenten sowie Hinweisen auf Schrifttum bei Benno von Knobelsdorff-Brenkenhoff, Briefe aus denBefreiungskriegen… Bonn 1981. (1. Auflage vergriffen, 2. Auflagemit Abdruck sämtlicher Briefe erscheint Ende 1997 im Thesis Verlag Zürich/Schweiz. Der Originalschriftwechsel war, zusammen mit den beiden Kleinkindern, durch die Ehefrau Mirjam des Verfassers beim Eindringen der Russen in Landsberg/Warthe am 30. Januar 1945 geistesgegenwärtig gerettet worden.)
Benno von Knobelsdorff-Brenkenhoff