Biographie

Koberstein, Karl August

Herkunft: Pommern
Beruf: Literaturhistoriker
* 10. Januar 1797 in Rügenwalde/Pommern
† 8. März 1870 in Kösen, Naumburg/Saale

Als allerseits anerkannter Literarhistoriker ist August Koberstein auch heute noch bedeutend. In seiner Heimat Pommern aber mit naturbedingter, vorwiegend ländlicher Struktur blieb er weitgehend unbekannt. Seine Vaterstadt Rügenwalde, dort gelegen, wo die Wipper als kleiner Küstenfluß in die Ostsee mündet, war einst sogar Mitglied der Hanse und Ende des 18. Jahrhunderts ein Städtchen von etwa 2.500 Einwohnern. Kobersteins Mutter stammte aus Westpreußen, sein Vater war Lehrer am Kadettenhaus in Stolp gewesen, dann in Rügenwalde und seit 1802 Pastor in Glowitz, Kreis Stolp.

Der junge August Koberstein erhielt nach dem Besuch der heimatlichen Grundschule seine erste höhere Bildung gleichfalls im Stolper Kadettenhaus und anschließend am Friedrich Wilhelm-Gymnasium in Berlin (1812-16). Dort begann er 1816 auch sein Studium, hörte neben Mathematik Philologie, Philosophie, Geschichte und Archäologie. Nach Ableistung seines Einjährig-freiwilligen Militärdienstes kam er am 3. August 1820 als dritter ”Adjunkt” (Gehilfe eines Beamten) zur Landesschule mit Internat Pforte bei Naumburg an der Saale (1136 als Zisterzienser-Kloster gegründet, seit 1543 als Schulpforta berühmt gewordene sächsische Fürstenschule) in der preußischen Provinz Sachsen, der er trotz mancher verlockender Angebote fast 50 Jahre lang treu blieb. Lehrte er anfänglich Mathematik und Geschichte, waren seine Fächer dann Deutsch und Französisch; Professor wurde er schon 1824, und im selben Jahr heiratete er die Tochter eines Berliner Professors.

Unter dem Eindruck und Einfluß bedeutender Lehrer wie der Gebrüder Grimm und des Germanisten Lachmann, mit denen er Verbindung aufnahm, erfolgte eine immer stärkere Hinwendung Kobersteins zur Philologie, verstanden als reine Sprach- und Literaturwissenschaft. Den Maßstab für die Pädagogik und die praktische Lehrtätigkeit setzte der berühmte David Ilgen, seit 1802 Rektor der Pforte. Diesem hat Koberstein dann auch sein Hauptwerk gewidmet, das er zunächst nur als Leitfaden für den Gymnasialunterricht gedacht hatte und 1827 in der 1. Auflage herausbringen konnte. 20 Jahre später – in der 4. Bearbeitung – wurde es dann in drei Bänden zu einem umfassenden Nachschlagewerk mit dem Titel Grundriß der Geschichte der deutschen Nationalliteratur. Zum Gebrauch auf gelehrten Schulen entworfen. Begonnen hatte seine schriftstellerische Aktivität aber schon 1823 mit einer Arbeit Über das wahrscheinliche Alter und die Bedeutung des Gedichts vom Wartburgkrieg. Auf Anregung Jakob Grimms hat er auch über die Sprache des österreichischen Dichters Peter Suchenwirt gearbeitet. Die Erkenntnisse seiner Lehrtätigkeit faßte er zusammen in seiner Laut- und Flexionslehre der mittelhochdeutschen und neuhochdeutschen Sprache, die aber erst 1862 in Halle erschien.

Koberstein konnte sich auf ein hervorragendes Gedächtnis verlassen, besaß eisernen Fleiß und ein großes Feingefühl, den vielfachen Eigenheiten unserer Schriftsteller verstehend und doch maßvoll wertend gerecht zu werden. So wurde er bald selbst eine anerkannte Autorität, deren Rat und Urteil gefragt war. Seine Entwicklung fiel in die Zeit der Romantik, für deren eigenständige Geistesrichtung die Namen der Gebrüder Schlegel wie auch Ludwig Tieck mit viel bewegendem Wollen, doch nur wenig Fertigem stehen; ihr Einfluß läßt sich auch bei Koberstein erkennen. Durch Tieck, den er mehrmals in Dresden besuchte, bekam er auch Zugang zum Theater und erwies sich selbst als ein Künstler im Vorlesen. <p >1857 verlieh ihm die Philosophische Fakultät der Universität Breslau die Ehrendoktor-Würde (quod Germanicarum litterarum historiam studio diurno et fructuosissimo exploravit librisque egregiis illustravit), und 1870 noch wurde er Ehrenmitglied der ‚Göttinger gelehrten Gesellschaft‘. – Immer ist der gebürtige Pommer, der in seiner Gymnasialzeit die Befreiungskriege erlebt hatte, ein treuer Preuße geblieben, doch war es ihm nicht  vergönnt, die Schaffung des Deutschen Reiches durch Bismarck noch zu erleben. Der bisher so gesunde Mann mußte seit 1869 in seiner Lehrtätigkeit zunehmend Zwangspausen einlegen und zog zu seiner Tochter ins nahe Kösen, wo er wenige Monate vor dem 50jährigen Jubiläum seines Eintritts in die geliebte Pforte starb. Auf dem Friedhof dort ruht er neben seiner Frau, die ihm einen Sohn und zwei Töchter geschenkt hatte.

Werke: Über das wahrscheinliche Alter und die Bedeutung des Gedichts vom Wartburgkriege (1823). – Grundriß zur Geschichte der deutschen Nationalliteratur. Zum Gebrauch auf gelehrten Schulen entworfen (1827, 2. Aufl. 1830, 3. Aufl. 1837). Die 4. Aufl., jetzt 3 Bde. 1847-66, die 5. Aufl., Hrsg. K. Bartsch, in 5 Bdn. 1872-75. – Über die Sprache des österr. Dichters P. Suchenwirt, Lautlehre (1828). – Quaestiones Suchenwirtianae (1842). – Über die Betonung mehrsilb. Worte in Suchenwirts Versen (1843). – Über die Sprache d. österr. Dichters P.S. Abh. der Konjugation (1852). – Vermischte Aufsätze z. Literaturgesch. u. Ästhetik (1858). – Hrsg. Heinrich von Kleists Briefe an seine Schwester Ulrike (1860). <p >Nachlaß: Berlin, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. <p >Lit.: Allgemeine Deutsche Biographie, Neue Deutsche Biographie (mit weiterer Lit.).

Bild: Deutsches Museum München.