Biographie

Koeppen, Hans

Herkunft: Pommern
Beruf: Historiker, Archivar
* 22. August 1913 in Mayen
† 13. Juni 1977 in Kassel

Vor 25 Jahren, am 13. Juni 1977, starb nach langer, schwerer Krankheit der Leiter des Staatlichen Archivlagers in Göttingen und ehemalige Vorsitzende der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung, Archivdirektor a. D. Dr. Hans Koeppen, erst im 64. Lebensjahr. Zwar in der Eifel geboren, wuchs er in Stralsund auf, der Heimatstadt seiner Eltern. Nach dem Abitur und einem Semester Geodäsie in Berlin, der Fachrichtung seines Vaters, studierte er in Würzburg und vor allem an der Heimatuniversität Greifswald Geschichte, Germanistik und Latein. Dort betreute der bekannte Mediävist Adolf Hofmeister seine Dissertation zur mittelalterlichen Geschichte von Stralsund, mit der er 1938 promoviert wurde. Danach beteiligte er sich im Preußischen Staatsarchiv zu Stettin an Vorbereitungsarbeiten für das Pommersche Urkundenbuch, ehe er 1939/41 am letzten Lehrgang des Instituts für Archivwissenschaft in Berlin-Dahlem teilnahm, der bereits durch ersten Militärdienst verkürzt war. Krieg und sowjetische Kriegsgefangenschaft unterbrachen seine berufliche und wissenschaftliche Entwicklung bis 1949.

Nach wiedererlangter Freiheit ging Koeppen nach Niedersachsen. Nach einer ersten archivarischen Aufgabe beim Michaeliskloster Lüneburg wurde er noch 1950 beim Staatsarchiv Wolfenbüttel eingestellt, seit 1952 als Staatsarchivassessor. In diesem Jahr stand er zugleich vor der Frage, ob er das verwaiste Stadtarchiv Lüneburg behalten oder zum Staatlichen Archivlager in Goslar gehen sollte. Diese Dienststelle, die gerade das Land Niedersachsen von der britischen Besatzungsmacht übernommen hatte, verwahrte eine Reihe von Archivbeständen, die infolge kriegsbedingter Auslagerung in die spätere Britische Zone gelangt waren. Das waren vor allem Archivalien des Preußischen Staatsarchivs Königsberg mit den mittelalterlichen Beständen des Deutschen Ordens, aber auch aus Reval, Schwerin und Zerbst. Diese übten auf Koeppen die größere Anziehungskraft aus, so daß er sich nach Goslar versetzen ließ, wo inzwischen Kurt Forstreuter (1897–1979) – vormals in Königsberg und in Berlin – Direktor geworden war (vgl. OGT 1989, S. 45–48). Mit diesen Beständen machte er 1953 den Umzug nach Göttingen mit, wo die Merkelstraße seine neue Heimat wurde. Bei den nun einsetzenden Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten richtete sich sein besonderer Einsatz auf den frühneuzeitlichen Bestand „Etats-Ministerium“ (Akten der Oberratsstube bzw. Regierung des Herzogtums Preußen aus den Jahren 1525–1804). Auch als er nach Forstreuters Pensionierung dessen Nachfolger als Archivdirektor wurde, setzte er diese Arbeiten ungebrochen fort, bis seine letzte schwere Erkrankung ihn erlahmen ließ. Eingebunden in die Arbeitsprogramme der niedersächsischen Archivverwaltung, setzte er sich für die Sicherungsverfilmung der ihm anvertrauten Bestände ein und betrieb auch einen Mikrofilmtausch mit dem Generaldirektor der polnischen Staatsarchive, der nur zufällig mit seinem Ausscheiden zum Erliegen kam.

Als typischer Historikerarchivar suchte Hans Koeppen die Quellen seines Archivs auch durch wissenschaftliche Veröffentlichungen zu erschließen. Die Arbeiten am Pommerschen Urkundenbuch hat er nicht wieder aufgenommen, sondern überließ dies in der Historischen Kommission für Pommern, deren Vorstand er lange Zeit angehört hat, bereits jüngeren Kräften. Zentral wurde für ihn die Arbeit an den preußischen Deutschordensbeständen. Sowohl im Auftrage der von Rudolf Grieser (bis 1964) geleiteten niedersächsischen Archivverwaltung als auch der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung stieg er zunächst beim Preußischen Urkundenbuch ein. Dieses hatte die genannte Kommission nach ihrer Gründung 1923 übernommen und in Königsberg bis zum Ende der Regierungszeit des Hochmeisters Dietrich von Altenburg 1341 veröffentlichen können. Koeppen bearbeitete nun einen zweiten Halbband für dessen unglücklichen Nachfolger Ludolf König sowie einen weiteren umfangreichen Band für die Amtszeit von Heinrich Dusemer, womit er bis zum Jahr 1351 kam. In methodischer Hinsicht hat er für die Urkundenbuchbearbeitung zwei Entscheidungen wesentlich beeinflußt. Zunächst ging es darum, die zeitlich parallele Aufspaltung in thematische Urkundenbuchreihen zu Gunsten eines Einheitsurkundenbuchs aufzugeben, weil eine Fortführung der Nebenreihen weniger sinnvoll erschien. Für die Jahre nach 1351 erwartete er eine starke Vermehrung des Materials. In einer Zeit, die für die Textverarbeitung noch keinen Rechnereinsatz kannte und in der die Papierkosten einen hohen Stellenwert hatten, setzte er durch, daß künftig die Mehrzahl der Urkunden durch Vollregesten mit integrierten Quellenzitaten erschlossen werden sollte. Die Ausführung überließ er Klaus Conrad (1931–2002). Wir wissen heute, daß der Preis hoch war. Neben den inhaltlichen Problemen, die jede Regestierung aufwirft, wurde die Arbeit erschwert und die Arbeitszeit dadurch bedeutend verlängert.

Koeppen selbst wandte sich nunmehr verstärkt einer zweiten Quellengruppe zu, deren Bearbeitung Forstreuter und ihm ebenfalls von der Archivverwaltung schon in den 50er Jahren übertragen worden war, nämlich der reichen Korrespondenz der Ordensleitung mit ihrem ständigen Gesandten, dem Generalprokurator an der päpstlichen Kurie in Rom. Da es sich hier um eine Aktenedition handelte, wurde von vornherein ein Wechsel zwischen Volldrucken, Regesten und der für diese Edition charakteristischen Mischform angewandt. Während Forstreuter die schwierigen Anfänge der Einrichtung untersuchte und die frühen Berichte in einem ersten Band bis zum Jahre 1403 vorlegte (1961), bearbeitete Koeppen die wesentlich umfangreicheren Quellen des frühen 15. Jahrhunderts. Von 1960–1971 legte er zunächst in drei Teilbänden das Material der Amtszeiten von Peter von Wormditt und Johann Tiergart (1403–1428) vor, ehe Forstreuter und Koeppen die in gemeinsamer Arbeit entstandenen beiden Teilbände für die Jahre 1429–1436 noch zu ihren Lebzeiten veröffentlichen konnten. Die Arbeit am Index ist erst in jüngster Zeit als elektronische Datei abgeschlossen worden. Diese Edition verdankt ihren guten Ruf der ausführlichen Kommentierung, die so gut wie jede inhaltlich ergänzende Nachricht aus dem Königsberger Ordensarchiv berücksichtigt und eine außergewöhnliche Quellenkenntnis zeigt. Koeppens Arbeiten zeichnet ein hoher Grad an Zuverlässigkeit aus.

Seine Glanzzeit waren wohl die 60er Jahre in Göttingen, als er die Leitung des Archivs übernahm, 1965 Erich Keyser als Vorsitzenden der Historischen Kommission für ost- und westpreußische Landesforschung ablöste, die Ordnungs- und Verzeichnungsarbeiten am „Etats-Ministerium“ vorantrieb und seine wissenschaftlichen Bemühungen besonders in die Prokuratorenberichte steckte. Auch stimmlich beherrschte er die Archivetagen in der Merkelstraße 3. Als Chef galt er den meisten damals noch als streng und zuweilen schwierig. Das hinderte nicht, daß er außerdienstlich auf seine Weise das Leben zu genießen verstand. Bei aller Strenge hatte er auch Sinn für Situationskomik, etwa wenn die Regimentsnotel Herzog Albrechts von 1542 bei einem Diktat in den Ohren der Sekretärin zum Regimentstrottel mutierte. Angesichts des Temperaments, das er gerade in jenem Jahrzehnt zeigte, ahnten wohl nur wenige seine gelegentlich depressiven Stimmungen. Zum Hintergrund gehörte, daß sich seine junge Familie, als er aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, inzwischen anders orientiert hatte. Lange lebte er mit seiner verwitweten Mutter zusammen. Wieder geheiratet hat er spät (1972), vielleicht zu spät, um die Keime seiner schweren Erkrankung noch abwehren zu können. 1974 gab er den Kommissionsvorsitz auf. Er erlebte, wie das Land Niedersachsen die Verwaltungsvereinbarung mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über die Verwaltung der Königsberger Archivbestände aus politischen Gründen kündigte, die schließlich nach seinem Tod nach Berlin in das Geheime Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz geholt wurden (1978/79). Obwohl ein Sammelband von Aufsätzen, die Koeppens wissenschaftlicher und archivarischen Tätigkeiten entsprungen sind und die ihn in seinem Arbeitsstil nochmals hätten charakterisieren können, nicht zustande gekommen ist und ihm weitere Arbeiten im Ruhestand verwehrt wurden, wird er im Gedächtnis derer, die mit ihm zusammen gelebt und gewirkt haben, und vor allem durch seine geleistete Arbeit in Archiv und Landesgeschichte des Preußenlandes weiterleben.

Lit.: Nachrufe von Udo Arnold, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 113 (1977), S. 484 f. – Klaus Conrad, in: Baltische Studien NF 63 (1977), S. 83 f. – Bernhart Jähnig, in: Der Archivar 31 (1978), Sp. 140–143. – Kurt Forstreuter in: Altpreußische Biographie 4, Marburg 1995, S. 1120.

Werke: Führende Stralsunder Ratsfamilien vom Ausgang des 13. bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts, Greifswald 1938 (Greifswalder Abhandlungen zur Geschichte des Mittelalters; 10). – Preußisches Urkundenbuch 3/2–3 (1341–1345), Marburg 1958–1961. – Preußisches Urkundenbuch 4 (1346–1351), Marburg 1960–1964. – Die Berichte der Generalprokuratoren des Deutschen Ordens an der Kurie, Bd. 2: Peter von Wormditt (1403–1419), Göttingen 1960. – Bd. 3/1–2: Johann Tiergart (1419–1428), Göttingen 1965–1971. – Kurt Forstreuter mit bzw. und H. K.: 4/1–2: 1429–1436, Göttingen 1973–1976 (Veröffentlichungen der niedersächsischen Archivverwaltung; 13, 21, 29, 32, 37).

Bild: Baltische Studien NF 63 (1977), S. 83f.

Bernhart Jähnig