Biographie

Kolhörster, Werner

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: Physiker
* 28. Dezember 1887 in Schwiebus/Neumark
† 5. August 1946 in München

Werner Kolhörster war Sohn des Kaufmanns Gustav Kolhörster und seiner Frau Berta, geb. Gärtig. Wie er stammte auch die Fabrikbesitzerstochter Editha Minke, die er 1921 heiratete, aus Schwiebus. Ausbilden ließ sich der junge Student an den Universitäten Berlin, Marburg und Halle. In Halle, wo er als "Schüler der radioaktiven Schule" von E. Dorn das Rüstzeug für die einschlägige Forschung mitbekam, erwarb er 1911 den Dr. phil. mit der ArbeitBeiträge zur Kenntnis der radioaktiven Eigenschaften des Karlsbader Sprudels. Als Mitglied des Halleschen Aerophysikalischen Forschungsinstituts arbeitete er anschließend über die Ionisation in geschlossenen Gefäßen.

Von 1911 bis 1914 war Kolhörster Assistent am Physikalischen Institut der Universität Halle, 1914 siedelte er in das Laboratorium Hans Geigers an der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) nach Berlin-Charlottenburg um; begonnenen Arbeiten setzte der Ausbruch des Weltkrieges ein Ende. Bei einer Militärmission in Konstantinopel von 1916 bis 1918 fand er Gelegenheit, luftelektrische Messungen in Waniköi am Bosporus durchzuführen, wodurch sein Interesse an geophysikalischen Fragen geweckt wurde, die er sodann zeitlebens im Auge behielt.

Ab 1918 arbeitete Kolhörster zunächst als Physiker beim Seeflugzeugversuchskommando in Warnemünde. In der schweren Nachkriegszeit fand er schließlich eine Stelle als Studienrat an der Friedrich-Werderschen Oberrealschule und am Sophien-Realgymnasium in Berlin. 1922 wurde er als "ständiger Gast" in die PTR aufgenommen. Im Jahre 1928 wurde Kolhörster Observator am Geophysikalischen Observatorium in Potsdam. 1930 richtete ihm die Preußische Akademie der Wissenschaften in Potsdam ein eigenes Laboratorium ein, wo sich der zum Privatdozenten der Geophysik Arrivierte sogleich an die Entwicklung moderner Zählgeräte machte. 1935 wurde Kolhörster Professor in Berlin und Direktor des Instituts für Höhenstrahlenforschung an der Universität in Berlin-Dahlem. Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges war Kolhörster mit der Rückführung des ausgelagerten Instituts nach Berlin befaßt. Dabei erlitt er auf der Autobahn zwischen Frankfurt und Darmstadt im Juni 1946 einen Unfall, an dessen Folgen er starb.

Wie einige der Späteren die Erscheinung der Kernspaltung faszinierte, so bestimmten die Entdeckung der Radioaktivität und der Röntgenstrahlen in Kolhörsters jungen Jahren und insbesondere das Phänomen der Höhenstrahlung bei dessen Studienabschluß seinen Lebensweg. Th. Wulf forschte mit seinem 1907 ersonnenen Elektroskop auf dem Eiffelturm, 1911 wurden die später so häufig eingesetzten Kernspurplatten zum Aufzeichnen von Teilchenereignissen entwickelt, und der Wiener Victor Franz Hess machte bei Ballonaufstiegen SYMBOL 150 f "Times New Roman CE" im Jahre 1912 bis auf fünf Kilometer SYMBOL 150 f "Times New Roman CE" eine "stark durchdringende ionisierende Strahlung" in der Atmosphäre aus, die nicht aus den Gesteinen der Erde, sondern aus dem Weltall kam. Kolhörster erweitere die Aufstiegshöhe 1913 auf über sechs und später auf zehn Kilometer und bestätigte die Hess’sche Feststellung, daß die gemessene Strahlung zu einem verschwindend kleinen Teil von der Sonne kommt und im übrigen eindeutig extraterrestrischen Ursprungs ist. Selbst unter Wasser überprüfte Kolhörster die Absorption der Höhenstrahlen. Für seine Messungen in den Alpen –  1923 untersuchte er die Abnahme kosmischer Strahlung in Gletscherspalten -, deren Weiterführung einigen Berufskollegen den Nobelpreis einbrachte, erhielt Kolhörster die Silberne Leibniz-Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften.

Gleichfalls von entscheidendem Wert für die nachfolgende Forschung war die Entwicklung der Koinzidenzmethode durch Kolhörster zusammen mit Walter Bothe. Mit ihrer Hilfe kann man Höhenstrahlung aus einer bestimmten Richtung zur Beobachtung herausfiltern. Zu Kolhörsters Verdiensten gehören weiterhin seine Beiträge zur Aufklärung der "Luftschauer", die aus einer Höhenstrahlungspartikel durch Umwandlungen entstehen und sich in der Atmosphäre über quadratkilometergroße Flächen erstrecken. Sie wurden während des Erscheinens der Nova Herculis sowie bei einem gewaltigen magnetischen Sturm am 1. März 1943 von Kolhörster umfassend registriert. Kolhörsters Zählmethoden erbrachten immer genauere Ergebnisse, und immer umfangreicher wurden die Registrierungen von Teilchenereignissen, die er sowohl in Potsdam als auch in Berlin durchführte. Der Krieg ließ die Auswertung all dieser Daten jedoch nicht mehr zu.

Um den Bau der Materie im Labor zu entschlüsseln, baut man seit den fünfziger Jahren weltweit Teilchenbeschleuniger –  die Energie der gigantischen Maschinen unserer Tage erreicht aber gerade ein Hundertmillionstel jener der kosmischen Strahlung, deren Erforschung sich Kolhörster gewidmet hatte.

Lit.: Braunbek, Werner und Röttel, Karl: Forscher an den Wurzeln des Seins, Düsseldorf –  Wien 1981. –  Leprince-Ringuet Louis: Les Rayons Cosmiques, Paris 1945.  –  Flügge Siegfried: Kolhörster, in: Neue Deutsche Biographie. – Kolhörster, Editha: Mein Leben an der Seite eines Wissenschaftlers und Forschers, 1977. –  Kürschner: Gelehrten-Lexikon 1940/41.

Die Veröffentlichungen Kolhörsters (in Fachzeitschriften) sind bei Kürschner und Flügge verzeichnet.

 

Karl Röttel