Biographie

Kollo, Walter

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Operettenkomponist
* 28. Januar 1878 in Neidenburg/Ostpr.
† 30. September 1940 in Berlin

Der Name des Ostpreußen Walter Kollo ist nicht nur zu einem Inbegriff des „Volksliedes der Berliner Großstadt“ geworden, sondern er gehört für mehrere Jahrzehnte zu den klingendsten Namen der deutschen Unterhaltungsmusik überhaupt. Er verstand es wie kaum einer, mit eingängigen Melodien die verschiedenen Epochen des Zeitgeistes einzufangen. Waren es in der Kaiserzeit die beliebten Possen mit Gesang und Tanz, so waren es in den 1920er Jahren die Revue-Musiken. Die Stimmungen des Tages traf er mit vielen Chansons, Couplets und Liedern so, daß diese zu Schlagern wurden und als „Evergreens“ weiterblühen. Auch für den noch jungen Tonfilm arbeitete er am Ende seines Wirkens. Der gehobenen Unterhaltung hat Walter Kollo mit seinen vielen Operetten zahlreiche unvergessene Melodien geschenkt.

Kollo wurde als Elimar Walter Kollodzieyski im ostpreußischen Neidenburg geboren. Sein Vater, Karl K., ein wohlhabender Kaufmann, gab ihn in eine kaufmännische Lehre, aber der Drang zur Musik war stärker. Er entschloß sich, Musik zu studieren, obwohl sein Vater ihn wegen seiner Berufswahl enterbte. Dank der Unterstützung der Mutter konnte er an das Konservatorium zu Sondershausen. Die ursprüngliche Neigung zur Kirchenmusik machte bald seiner Begabung für die Unterhaltungsmusik Platz. Bereits 1899 erschienen die ersten humoristischen Lieder und Couplets. Es folgte eine Anstellung als Korrepetitor und Kapellmeister am Luisentheater in Königsberg. Er heiratete die Chansonniere Mizzi Josetti, ihr eigentlicher Mädchenname war Marie Preuß, welche ihm 1904 einen Sohn, Willi, schenkte, der in den 20er Jahren sein Mitarbeiter und gleichfalls ein bekannter Komponist werden sollte. Über Stettin, dort begegnete er erstmals Paul Lincke, kam er nach Berlin, wo er zunächst am Kabarett tätig war, seinen Namen um das ,,-dzieyski“ verkürzend. Es entstanden eine Fülle von Chansons, Couplets und Liedern, so das populäre „Immer an der Wand entlang“. Die ersten Bühnenerfolge ließen nicht lange auf sich warten: „Roland von Berlin“ (1907), in dem Claire Waldoff sein „Schmackeduzchen“-Lied sang und damit über Nacht berühmt wurde. „Ali ben Mokka“ (1907), „Meyer aufm Hängeboden“ (1909), „Sein Herzensjunge“ (1911). Man wurde auf sein Talent aufmerksam, herzhafte und eingängige Melodien zu Texten zu finden, die das Leben der einfachen Berliner widerspiegelten. Als ein Wahrzeichen der Berliner Unterhaltungsmusik dieser Jahre sind uns sein „Untern Linden, untern Linden“ aus Filmzauber (1911 m. W. Bredschneider), „Das war in Schöneberg im Monat Mai“ und „Die Männer sind alle Verbrecher“ aus „Wie einst im Mai“ (1911) erhalten geblieben. Dieses Werk machte Kollos Namen auch am „Broadway“ bekannt, wo es noch während des 1. Weltkrieges, 1917, unter dem Titel „Maytime“ herauskam und später auch verfilmt wurde. Als die Form der Posse ihre Geltung verlor, wandte er sich mehr der Operette und dem Lustspiel mit Musik zu. Es seien aus diesen Jahren „Drei alte Schachteln“ (1917), „Sterne die wieder leuchten“ (1918) genannt. Hatte Walter Kollo als Mitbegründer der GEMA im Jahre 1915 schon das kaufmännische Erbe seines Vaters unter Beweis gestellt, so zeigten sich seine organisatorischen Fähigkeiten besonders durch die Gründung eines eigenen Verlags gegen Ende des 1. Weltkrieges, sowie auch in der Übernahme mehrerer Theaterdirektionen: 1920 Theater in der Kommandantenstraße, 1921 Theater am Schiffbauerdamm, 1922 Kabarett „Potpourri“. Die Inflation beendete jedoch diese Theatertätigkeiten.

Einen neuen Aufschwung brachten die großen „Musikpaläste“ mit ihren Revuen. Hermann Haller (1871-1943), der den „Admiralspalast“ übernahm, holte sich Walter Kollo als Komponisten. Der unerhört produktive Kollo beteiligte sich mit „Drunter und drüber“ (1923), „Noch und Noch“ (1924), „Achtung Welle 505!“ (1925), „An und Aus“ (1926) und „Wann und Wo“ (1927). Aber auch zahlreiche Operetten zeigen die große Arbeitsleistung. Genannt seien„Marietta“ (1923), „Die Frau ohne Kuß“ (1924), „Drei arme kleine Mädels“ (1927), zu denen sein Sohn Willi die Gesangstexte verfaßte. Dazu kamen zahlreiche Schlager, Operetten-Einakter, Couplets, Chansons, Tanzlieder u. a..

War in den Operetten, die in den 30er Jahren entstanden, die zündende Wirkung seiner Melodien nicht mehr so stark spürbar, so ist eine Verfeinerung seiner Arbeitsweise, eine Zuwendung zu einem gehobenen Stil in Richtung Spieloper auszumachen, wie „Majestät läßt bitten“ (1930), „Derfflinger“ (1933), „Ein Kaiser ist verliebt“ (1935), „Das Schiff der schönen Frauen“ (1940) erkennen lassen. Der Wunsch, auf dem Sophien-Friedhof in der Nähe Albert Lortzings beerdigt zu werden, zeigte seine Verehrung für diesen großen Meister, dessen Schaffen ihm in der schlichten Natürlichkeit und in der Frische der Erfindung wohl ein großes Vorbild gewesen war. Walter Kollo war gleich Lortzing einer der wußte, was seine Zeit verlangte und einer, der es ihr geben konnte. Er verstarb nach kurzer Krankheit am 30. September 1940 in Berlin. Die Musik Walter Kollos ist eine Symbiose der „schlichten Geradheit des alten, derb-gemütlichen Ostpreußens“ und der „vitalen Betriebsamkeit der kosmopolitischen Großstadt Berlin“. Walter Kollo übertrifft mit der Zahl seiner wirklich populären, zu „Volksliedern der Berliner Großstadt“ gewordenen Titel noch die Dauererfolge Paul Linckes und der anderen Berliner Unterhaltungskomponisten. Ein klingendes Denkmal schuf Willi Kollo seinem Vater mit einem in eigener Produktion gedrehten Tonfilm, der das Leben und Wirken Walter Kollos zeigt. Der Film, ein berlinisches Zeitbild, erhielt seinen Titel auf einen Marsch Walter Kollos aus der Revue „Drunter und drüber“: „So lang noch untern Linden…“.

Lit.: Otto Schneiderheit: Operette A-Z, Berlin 1983; Otto Schneiderheit: „Gassenhauer für Berlin. Vor 100 Jahren wurde Walter Kollo geboren.“ in: et cetera, 1977 S. 3-6, enth. Werkverzeichnis; Edmund Nick in: „Die Musik in Geschichte und Gegenwart; Riemann Musiklexikon; Franz-Peter Kothes: „Die theatralische Revue in Berlin und Wien 1900-1938 – Typen, Inhalte, Funktionen“, Wilhelmshaven 1977; Gisela Höhle in: „Große Berliner aus dem Osten“, Katalog zur Ausstellung im Deutschlandhaus Berlin 1987.