Biographie

König, Winfried

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Prälat
* 4. Dezember 1932 in Haltern/Westfalen
† 10. November 2015 in Münster-Wolbeck

Betritt ein Besucher das Arbeitszimmer des Apostolischen Visitators Prälat Winfried König in der Krummen Straße in Münster, begegnet er keineswegs einem in Ehren ergrauten Kleriker, sondern einem freundlich lächelnden Priester, der Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. Und noch ein Zweites erfährt der Besucher, wenn Winfried König seinen Schreibtisch verläßt und ihm gegenüber Platz nimmt, um sich aufmerksam den jeweiligen Sorgen und Anliegen zu widmen. Der Apostolische Visitator der schlesischen Katholiken in Deutschland ist in den 20 Jahren seiner Amtsführung nicht realitätsfern und verbittert geworden, sondern statt dessen Seelsorger mit Bodenhaftung geblieben.

Sowohl vom Äußeren her als auch im Geiste jung geblieben zu sein und sich auf Augenhöhe mit seinen Gesprächspartnern zu begeben – das sind zwei zentrale Beobachtungen, die wohl jeder macht, der sich einmal länger mit dem Apostolischen Visitator der katholischen Schlesier unterhalten hat. Dabei versucht Prälat König selbst stets bescheiden im Hintergrund zu bleiben und diplomatisch zu handeln, wenngleich er bei gegensätzlicher Ansicht schon einmal unnachgiebig sein und deutlich seine Meinung äußern kann.

Pädagogisches Geschick und menschliches Einfühlungsvermögen sind Charakterzüge, die den zwar im westfälischen Haltern geborenen, jedoch in Gläsendorf im schlesischen Kreis Grottkau aufgewachsenen Theologen bereits in jungen Jahren auszeichneten. Durch die Vertreibung über den Raum Hildesheim schließlich ins Münsterland verschlagen, prägte ihn hier in den 1950er Jahren der Kontakt zur „Aktion Junges Schlesien“ (AJS). Dieser Jugendverband der katholischen Schlesier versammelte damals unter Leitung des späteren Münsteraner Diözesan-Vertriebenenseelsorgers Oskar Franosch hunderte junger Christen zu Begegnungstagen auf der Jugendburg Gemen bei Borken.

Das hier erfahrene Gemeinschaftsbewußtsein der Schlesier, über die Vertreibung und den Neuanfang im Westen hinaus, ließ Winfried König während des Theologiestudiums in Münster und Innsbruck sowie nach der 1960 empfangenen Priesterweihe nie den Kontakt zu seinen Landsleuten verlieren. Nach einem Jahr als Kaplan in Rheine schien für den Sohn eines Lehrers zunächst der Weg des priesterlichen Erziehers vorgezeichnet – als Präfekt am Bischöflichen Internat Collegium Johanneum auf Schloß Loburg in Ostbevern und ab 1968 als Präses des Bischöflichen Pius-Kollegs in Coesfeld. In einer Zeit, in der die Beschäftigung mit den deutschen Ostgebieten von immer mehr Menschen in der Bundesrepublik als überholt angesehen wurde, schwamm Winfried König buchstäblich gegen den Strom des Zeitgeistes. Er verließ 1977 Schule und Internat und widmete sich hauptamtlich der Aufgabe eines Diözesan-Vertriebenenseelsorgers im Bistum Münster. Drei Jahre später folgte ein kurzes Intermezzo in der Pfarrseelsorge – als Propst im Wallfahrtsort Telgte –, bevor ihn Papst Johannes Paul II. im November 1982 zum Apostolischen Visitator für die Priester und Gläubigen aus dem Erzbistum Breslau in Deutschland ernannte. Gleichzeitig wurde König auch zum Leiter der Katholischen Arbeitsstelle (Nord) für Heimatvertriebene und Aussiedler der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Dienstsitz in Münster bestellt.

Den Ernennungen folgten zahlreiche Ehrungen: Der Heilige Stuhl verlieh dem Apostolischen Visitator der Schlesier die Würde eines Päpstlichen Ehrenprälaten (1984) und eines Apostolischen Protonotars (1989). Nach Erhebung des deutschen Restteils der Erzdiözese Breslau zum Bistum Görlitz wurde König dort Ehrendomkapitular (1997), schließlich zeichneten auch die schlesischen Landsmannschaften den ranghöchsten Repräsentanten der schlesischen Vertriebenen und Aussiedler in Deutschland aus.

Daneben gab es auch schmerzliche Einbrüche, die zweifelsohne mit Reibungsverlusten verbunden waren. Erwähnt seien nur der Verlust des Stimmrechts der Visitatoren in der Deutschen Bischofskonferenz 1984 und deren endgültiger Ausschluß aus diesem zentralen Gremium für die katholische Kirche in Deutschland 1999.

Doch all dies sind nur nüchterne Fakten, nachzulesen im Buch der Geschichte und an dieser Stelle keineswegs mit dem Anspruch auf Vollständigkeit aufgezählt.

Wenn es zu Lebzeiten einer wichtigen Persönlichkeit gilt, Zwischenbilanz zu ziehen, dann stehen vielmehr die inhaltlichen Schwerpunkte des Wirkens im Mittelpunkt. Bei Prälat König fällt eine solche Standortbestimmung angesichts eines immensen Arbeitsprogramms, das von Gottesdiensten und Andachten auf Heimattreffen, über große Vertriebenen- und Aussiedlerwallfahrten, bis hin zu Vorträgen, der Mitarbeit in verschiedenen Gremien und der Kontaktpflege nach Polen reicht, äußerst schwer.

„Traditionen pflegen – Neues bewegen“, unter diesem Motto ließe sich die Fülle der Aufgaben zumindest programmatisch subsumieren, die der katholische Theologe in den zwei Jahrzehnten seiner Tätigkeit als Apostolischer Visitator wahrgenommen hat.

Nur zwei Aspekte, die eine Wahl dieser Maxime belegen können, seien hier angeführt: Zum einen verbindet Winfried König eine herzliche Beziehung mit dem Bischof von Oppeln, Erzbischof Alfons Nossol, weil „dieser seine Oppelner Diözesanen in besonderer Weise bestimmt und befähigt [sieht], ein Modell deutsch-polnischer Verständigung und Versöhnung zu leben“. Dieses Modell der Verständigung, von dem Prälat König in einem Beitrag für die Festschrift zum 40jährigen Priesterjubiläum Nossols schrieb, findet seine Realisierung u.a. in regelmäßig in Münster durchgeführten Sprachkursen der angehenden Oppelner Neupriester.

Zum anderen verbinden sich Traditionsstränge mit neuen Aufbrüchen in der „Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung“ (gdpv), der Jugendinitiative im Heimatwerk Schlesischer Katholiken. „Diese Arbeit begrüße ich sehr, versucht sie doch gerade unter jungen Menschen, der Verständigung und Zusammenarbeit Wege zu bereiten. Geschichtliche, kulturelle und religiöse Fragen werden als Herausforderungen und Aufgaben für die Zukunft empfunden, setzen aber auch die ehrliche Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und die aufrichtige Überwindung von Trennendem voraus“, schrieb der Apostolische Visitator der gdpv 1995 ins Stammbuch.

Wo alte Brücken zwischen West und Ost durch das allmähliche Aussterben der Erlebnisgeneration abbrechen, geht für den bald im achten Lebensjahrzehnt stehenden Priester die Suche nach neuen Brückenpfeilern weiter, die das kirchliche Erbe Schlesiens in Ost und West am Leben halten. Die Kunst des Zuhörens und der Diplomatie ist dabei sein wichtigstes Kapital.

Lit.: Johannes Gröger: Apostolische Visitatur Breslau 1972 bis 1992, in: Heimatbrief der Katholiken aus dem Erzbistum Breslau 1/1993, S. 3–6. – Ders.: Apostolische Visitatur Breslau u. Die Arbeitsstelle für Heimatvertriebene (Nord) e. V. der Deutschen Bischofskonferenz, in: Gesellschaft für Ostdeutsche Kulturarbeit Münster (Hg.): Neuanfang in Münster. Eingliederung von Flüchtlingen und Vertriebenen in Münster von 1945 bis heute, 2., durchgesehene Aufl. Münster 1997, S. 359–366. – Ders.: Als „Wanderbischof“ durch die Zeit. Prälat König als Apostolischer Visitator für die Priester und Gläubigen aus dem Erzbistum Breslau, in: Hubert Unverricht u. Gundolf Keil (Hg.): De Ecclesia Silesiae. Festschrift zum 25jährigen Bestehen der Apostolischen Visitatur Breslau, Sigmaringen 1997, S. 49–61. – Stefanie Krebs: Verständigen, Versöhnen, Neugestalten. Leitgedanken des Apostolischen Visitators Winfried König, ebd., S. 67–70. – Johannes Gröger: 25 Jahre Apostolische Visitatur Breslau. Ein Rückblick, in: Winfried König (Hg.): Kirche im Dienst der Schlesischen Menschen. 25 Jahre Apostolische Visitatur Breslau (Schriftenreihe der Apostolischen Visitatur Breslau, Bd. 6), Münster 1998, S. 12–33. – Ders.: „An die Seelen dieser Menschen herankommen“. Formen und Entwicklungen katholischer Vertriebenenseelsorge, in: Michael Hirschfeld u. Markus Trautmann (Hg.): Gelebter Glaube – Hoffen auf Heimat. Katholische Vertriebene im Bistum Münster, Münster 1999, S. 19–70. – König, Winfried, in: Erwin Gatz (Hg.): Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945–2001, Berlin 2002, S. 128.

Werke: (Hg.) Heimatbrief der Katholiken des Erzbistums Breslau (später: aus dem Erzbistum Breslau), Köln 1/1983–6/1999. – Die kirchenrechtliche Lage und seelsorgerische Betreuung der Vertriebenen in der Bundesrepublik Deutschland, in: Dieter Blumenwitz (Hg.): Flucht und Vertreibung. Vorträge eines Symposions v. 19.–22.11.1985, Köln 1987, S. 317–332. – (Hg.) Schlesien in Kirche und Welt. Heimatbrief der Katholiken aus dem Erzbistum Breslau, Münster, ab 1/2000 ad multos annos. – (Hg.) Nachrichten für die schlesischen Priester und Ordensleute, Jahreshefte 1985–1998. – Schriftenreihe der Apostolischen Visitatur Breslau, Bd. 1–8, Münster 1989–2002. – (Hg.) Johannes Kaps: Vom Sterben schlesischer Priester 1945/46, 2. erw. Aufl. Köln 1988. – (Hg.) St. Hedwig, die Patronin Schlesiens, Münster 1989. – Beitrag der katholischen Kirche zum europäischen Einigungsprozeß, aufgezeigt am Beispiel von Schlesien, in: Jahresrückblick 1994 der Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung, Münster 1995, S. 10–14. – Die Wahrheit in Liebe tun, in: Hubert Dobiosch u. Joachim Piegsa (Hg.): Christsein als radikales Füreinander. Festschrift für Bischof Alfons Nossol zum 40jährigen Priesterjubiläum, Augsburg 1997, S. 32f. – (Hg.) Kirche im Dienst der Schlesischen Menschen. 25 Jahre Apostolische Visitatur Breslau (Schriftenreihe der Apostolischen Visitatur Breslau, Bd. 6), Münster 1998. – (Hg.): Erbe und Auftrag der schlesischen Kirche. 1000 Jahre Bistum Breslau (deutsch und polnisch), Dülmen u. Piechowice 2001. – Christliche Identität im Spannungsfeld von Verwurzelung und Aufbruch, in: ebd., S. 406–409. – Pastorale Probleme in Deutschland, in: Michael Hirschfeld u. Christine Kucinski (Hg.), Via Silesia. Jahrbuch der Gemeinschaft für deutsch-polnische Verständigung zur deutsch-polnischen Verständigung, Münster 2002, S. 68f.

Bild: Archiv des Apostolischen Visitators Breslau, Münster.

Michael Hirschfeld