Biographie

Konrad, Landgraf von Thüringen

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Hochmeister des Deutschen Ordens
* 1. Januar 1206
† 24. Juli 1240 in Rom

Konrad war der vierte Sohn Hermanns I. Landgrafen von Thüringen. Der Vater starb 1217. Ihm folgte als Regent der älteste Bruder Konrads, Ludwig, Gemahl Elisabeths von Ungarn, ein enger Parteigänger Kaiser Friedrichs II. Ludwig wollte mit dem Kaiser am Kreuzzug teilnehmen, wurde jedoch 1227 von der Seuche dahingerafft, die den Kaiser den Kreuzzug abbrechen ließ, was ihm den Bann des Papstes einbrachte. Daraufhin übernahmen Konrad und sein älterer Bruder Heinrich (Raspe) die Vormundschaft für ihren unmündigen Neffen Hermann II., ab 1231 verwaltete Konrad den hessischen Besitz des Landgrafenhauses.

Ludwigs Witwe Elisabeth schloß sich der franziskanischen Idee des besitzlosen Dienens an Armen und Kranken an und gründete aus ihrem Witwengut ein Hospital in Marburg, ein Ergebnis harter Auseinandersetzungen im landgräflichen Hause: Territorialerwerb, -arrondierung und -sicherung, letztlich Ausdehnung weltlicher Macht in der noch offenen thüringisch-sächsisch-hessischen Grenzsituation, vertrugen sich nicht mit großzügiger Unterstützung Armer aus landgräflichem Besitz – zwei Extremansichten trafen aufeinander. Der durch die Hospitalgründung geschaffene Ausgleich zerbrach beim Tode Elisabeths 1231, da sie ihr Marburger Hospital den Johannitern übertragen hatte, die mit dem Mainzer Erzbischof verbündet waren, dem schärfsten Gegner der Landgrafen in jener Territorialauseinandersetzung.

Hinzu kam ein geistliches Umfeld. Elisabeth stand unter der Leitung Konrads von Marburg, der als Geistlicher bemüht und wegen seiner Ketzerverfolgung berüchtigt war; er dürfte auch an der Erziehung des jungen Landgrafen Konrad beteiligt gewesen sein. Konrad von Marburg führte das Hospital Elisabeths weiter und betrieb ihre Heiligsprechung, doch wurde er 1233 erschlagen. Damit trat mitten in den kriegerischen Auseinandersetzungen der Thüringer mit Mainz, bei der zwei mainzische Städte zerstört worden waren, ein plötzliches Vakuum für Marburg ein und die Gefahr, daß die Johanniter sich wirklich mitten im thüringischen Gebiet festsetzten. Hinzu kam die Kirchenbuße, der Konrad von Thüringen verfallen war, da er bei Zerstörung des mainzischen Fritzlar 1232 auch die dortige Stiftskirche verwüstet hatte, sowie ein Stocken der Heiligsprechung Elisabeths – eine insgesamt für Thüringen sehr nachteilige Situation.

Hier führte Konrad von Thüringen sein Haus in geradezu genialer Weise aus der politischen Sackgasse. Bis zu seiner Mitbelehnung durch Kaiser Friedrich II. erfahren wir wenig über ihn, doch dann trug er die Verwaltung des hessischen Besitzes des Landgrafenhauses und damit auch die Auseinandersetzungen mit Mainz. Zwar kam 1233 ein Vertrag zwischen Thüringen und Mainz zustande, doch bot er eher ein Stillhalteabkommen für kurze Zeit denn eine Lösung der Probleme; diese erfolgte in Rom. Bei einem Aufenthalt an der Kurie 1234 erwirkte Landgraf Konrad im Juli 1234, daß Papst Gregor IX. das Marburger Hospital dem Deutschen Orden übertrug. Die Beziehungen zwischen Thüringen und dem Orden waren seit Ende des l2. Jahrhunderts sehr gut; ein Ministeriale der Landgrafen von Thüringen, Hermann von Salza, derzeit Hochmeister des Ordens, hatte 1230 Kaiser und Papst wieder miteinander versöhnt; die Beziehungen Thüringens wie des Ordens zum staufischen Kaiserhaus waren bestens – die Rechnung ging zu aller Zufriedenheit auf. Friedrich II. bestätigte ebenfalls den Übergang des Marburger Hospitals an den Deutschen Orden. Wenig später erhielt der Orden von den Landgrafen zusätzlich reiche Schenkungen in Thüringen und Hessen, und am 18. November 1234 trat Landgraf Konrad selber in den Orden ein. Gleichzeitig lief das Heiligsprechungsverfahren für Elisabeth wieder an und wurde 1235 abgeschlossen. An der, im Jahre 1236 erfolgenden Erhebung der Gebeine der neuen Heiligen nahm neben dem Hochmeister auch Friedrich II. teil: Das landgräfliche Haus stand auf dem Gipfel seines Ansehens.

Es ist nach den Motiven für Konrads Eintritt in den Orden gefragt worden; die Zeitgenossen oder er selber haben sie nicht genannt. Als Bußleistung für die Zerstörung Fritzlars auf päpstlichen Befehl hieß es – letzteres ist schon zu Beginn unseres Jahrhunderts mit Recht abgelehnt worden. Fritzlar spielte gewiß eine Rolle, wie Konrads Siegel mit der Darstellung des Paulus-Sturzes vermuten läßt, doch das dynastische Moment gab wohl den Ausschlag. Der Deutsche Orden war in seinen ersten vier Jahrzehnten auf dem besten Weg zu einem thüringisch-staufischen Hausorden (Boockmann). Nun verbanden das Landgrafenhaus und der Orden sich in der Person einer Heiligen und eines (stellvertretend) regierenden Landgrafen – für den Orden ein erheblicher Ansehensgewinn, für den Landgrafen Konrad, der nicht erbberechtigt war und dessen 1222 geborener Neffe Hermann II. bald mündig und damit regierend wurde, die Möglichkeit einer weit über Thüringen hinausgreifenden Karriere. Das Vorbild des Grafen von Hohenlohe, der auf ähnliche Weise über die Stiftung einer „Hauskommende" – Mergentheim – in den Orden gekommen und nunmehr Deutschmeister war, konnte für den ranghöchsten Reichsfürsten Konrad nur ermunternd wirken, besaß doch die thüringische „Mitgift" eine wesentlich höhere Bedeutung für den Orden.

Von daher wundert es eigentlich kaum, Konrad von Thüringen nach seinem Ordenseintritt nicht in einem nachgeordneten Ordensamt zu sehen, und die höheren Ämter – Großkomtur, Deutschmeister, Landmeister von Preußen – waren langfristig mit bewährten Brüdern besetzt. Die ursprüngliche Ernennung Dietrichs von Grüningen, eines mit Konrad in den Orden getretenen thüringischen Ministerialen, zum Landmeister von Livland 1237 macht es sogar wahrscheinlich, daß für Konrad bereits damals das Hochmeisteramt vorgesehen war, das er wohl im Sommer 1239 nach dem Tode Hermanns von Salza antrat.

Dies war ein Signal hinsichtlich der Staufertreue des Ordens, auch nach dem päpstlichen Bannfluch am Todestag Hermanns. Gleichzeitig setzte Konrad die Tradition der Ausgleichsbemühungen zwischen den obersten Mächten des abendländischen Christentums fort. Doch bereits während seiner ersten Romreise als Hochmeister 1240 starb er. Damit wurde der Orden endgültig in die Auseinandersetzungen zwischen Kaiser und Papst hineingerissen, die in den vierziger Jahren auch im Orden ihren Höhepunkt bis zur Hochmeisterabsetzung erreichten. Gleichzeitig starb mit Konrads Bruder Heinrich (Raspe) 1247 das thüringische Landgrafenhaus aus – die Entwicklung des Deutschen Ordens zum thüringisch-staufischen Hausen war innerhalb weniger Jahre jäh beendet, auch die Bedeutung Marburgs im Orden – Ort zweier Großkapitel 1236 und 1237 – trat immer mehr zurück, wenn es auch ein gewisses Ansehen als Grablege der hl. Elisabeth bis in die Reformationszeit behielt. In der dortigen Elisabethkirche, deren Grundstein er 1235 mitgelegt und die er entscheidend gefördert hatte, fand Konrad von Thüringen die letzte Ruhe. Sein Grabstein bietet das früheste und auf mehr als ein Jahrhundert einzige Beispiel eines Hochmeisterporträts; darin folgte ihm erst wieder sein ebenfalls aus Reichsfürstenhaus stammender Verwandter und späterer Nachfolger Luther von Braunschweig, im Dom zu Königsberg.

Lit.: Ottomar Schreiber, Die Personal- und Amtsdaten der Hochmeister…, in: Oberländische Geschichtsblätter III, 1913; Hartmut Boockmann, Konrad von Thüringen, in: Die Hochmeister des Deutschen Ordens 1190 bis 1990, hg. v. Udo Arnold (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 40), Marburg 1990.