In Ungarn vollzog sich der Prozess der Assimilierung nichtmagyarischer Bevölkerungsteile zum Magyarentum das ganze 19. Jahrhundert hindurch, anfangs noch freiwillig, später unter zunehmendem behördlichem Druck. Die Magyarisierung richtete sich besonders energisch gegen das deutsche Bürgertum, das die ungarischen Städte prägte und wirtschaftlich wie kulturell die führende Rolle im Lande spielte. Mit dem Ausgleich von 1867 und mit der 1879 einsetzenden Schulgesetzgebung erreichte der Absolutheitsanspruch der Magyaren eine neue repressive Qualität. Als gegen Ende des Jahrhunderts die deutsche Sprache aus allen Belangen des öffentlichen Lebens systematisch zurückgedrängt wurde, entstand eine deutsche Gegenbewegung zur Rettung der eigenen Identität, die ihre im Nationalitätengesetz zugesagten Rechte in Kirche, Schule und Verwaltung forderte. Die entrüsteten Magyaren fürchteten nun wiederum, von den „pangermanischen“ Deutschen erdrückt zu werden und führten ihrerseits einen Präventivkrieg, bei dem sie nicht davor zurückschreckten, mit Verleumdungsfeldzügen, gesellschaftlichem Boykott und wirtschaftlicher Verfolgung zu arbeiten. Genau dies aber goß Öl ins Feuer der deutschnationalen Betätigung, die sich nun vertiefte und verbreiterte. Arthur Korn gehörte zur vordersten Front der um ihr Volkstum kämpfenden ungarndeutschen Minderheit.
Der Sohn eines ehemaligen Honvédoffiziers besuchte 1870 bis 1880 das Gymnasium und die Handelsschule in Pest. Nach seinem Militärdienst 1880/81 etablierte er sich in seiner inzwischen zu Budapest gewordenen Heimatstadt als Journalist und Schriftsteller. 1884 wurde er nach Wien gerufen, um als Übersetzer am Kronprinzenwerk Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild mitzuarbeiten. Wie sein 1885 in Wien publizierter Romanzenkranz Joseph der Zweite belegt, ist Korn schon früh deutschnational gesinnt. Offenbar gehörte er dem geistigen Umkreis des österreichischen Politikers und Wiener Bürgermeisters Karl Lueger (1844-1910) an, der Antisemitismus gezielt als Agitationsmittel einsetzte. Korn scheint aber keiner Partei oder Vereinigung beigetreten zu sein. Er blieb in der österreichischen Hauptstadt bis 1898, schrieb für viele einheimische und auswärtige Blätter, zeitweilig war er Redakteur der Allgemeinen Frauenzeitung, ab 1894 auch der Österreichischen Musik- und Theaterzeitung.
Ende 1899 kaufte er die marode Groß-Kikindaer-Zeitung und verkehrte deren bis dahin magyarophile Ausrichtung, um im Lauf der folgenden zwei Jahre publizistisch gegen die Unterdrückung der Deutschen in Ungarn und für ihre Politisierung zu kämpfen, bis er – durchaus beabsichtigt – mit der Staatsgewalt in Konflikt geriet. Das Aufsehen nämlich, das die Prozesse gegen Korn und seine Mitstreiter erregten, dürfte für die meisten ungarischen Deutschen der entscheidende Anstoß gewesen sein, sich um ihr nationales Überleben zu sorgen.
Jeder national gesinnte Volksdeutsche der Zeit um die Jahrhundertwende und vor dem Ersten Weltkrieg stand wie Arthur Korn ständig mit einem Fuß im Gefängnis. Wer sich gegen die Absicht der Magyarisierung verwahrte, wer sein Volksbewusstsein erhalten und pflegen wollte, wurde zum Staatsfeind gestempelt. Verurteilt und hart bestraft wurden beispielsweise die Volkstumspolitiker und Publizisten Alwin Kramer, Alois Krisch, Friedrich Heß, Viktor Orendi-Hommenau, Adam Welker, Jakob Schümichen, Wilhelm Wettel, Edmund Steinacker und Johann Maul. Gegen Dr. Eduard Rittinger, Reinhold Heegn, Dr. Ludwig Kremling, Valentin Kurz und viele andere selbstbewusste „Schwaben“ sind Prozesse angestrengt worden. Weißkirchner Bauern sind zu 15 Tagen Gefängnis verurteilt worden, weil sie bei einem Temeswarer Fest nicht „Eljen“, sondern „Hoch“ und „Heil“ riefen und demonstrativ den Hymnus nicht mitsangen.
Arthur Korn selbst wurde viermal vor dem Szegediner Schwurgericht der Prozess gemacht. 1901 wurde er zum ersten Mal wegen „Aufreizung“ zu 14 Tagen Gefängnis und 360 Kronen Geldstrafe verurteilt. Am 10. Februar 1902 stand er zum zweiten Mal vor diesem Gericht wegen seines fast ein Jahr zurückliegenden Artikels Schule im Dienste der Magyaren. Sein unerwarteter Freispruch – der vorläufig letzte in einem einheimischen Pressprozess – veranlasste die gesamte magyarische Presse, sich auf den „Vaterlandsverräter“ zu stürzen. Im Juni 1902 stand Korn abermals vor Gericht. Diesmal war der Grund sein mit einem Wort des Großen Kurfürsten überschriebenes GedichtGedenke, daß du ein Deutscher bist, das Furore machte, ohne allerdings im Banat Fuß fassen zu können, dafür war es wohl doch zu hitzig:
Rüttle Dich! Recke Dich, schwäbischer Bauer,
Wurde bis heute das Leben Dir sauer,
’S kommt immer ärger! ’s kommt immer besser!
Sieh nur, es steigen die bösen Gewässer,
Wenn Du nicht schützest Dein Dorf und Dein Haus,
Strömt bald herein das wilde Gebraus.
Schmutzige Fluten umwallen uns, dämme!
Es quirlt und es zischt, d’rum rufe ich: hemme
Jetzt ihren Strom, solang wir’s im stande,
Solang noch die deutschen Spuren im Lande.
Ueberströmt uns die schlammige Flut,
Dann verschlingt sie das teuerste Gut.
Wahret das Köstlichste, was wir besitzen.
Das müßt Ihr schirmen! Das müßt Ihr schützen!
Uns’re Sprache, das Erbe der Ahnen,
Soll auch noch uns’ren Enkel ermahnen,
Daß er im Leben es niemals vergißt,
Stolz zu sein, daß ein Deutscher er ist.
Wer seines Vaters Namen nicht ehrt,
War seiner Mutter Liebe nicht wert!
Wer sein Deutschtum verleugnen kann,
Das ist ein Wicht! Das ist kein Mann!
Hör meinen Mahnruf! Der immer ist:
Gedenke, daß du ein Deutscher bist!
Schon Wochen vor Verhandlungsbeginn führte die Presse einen beispiellosen Kampf gegen die „pangermanischen Umtriebe“ des Agitators Korn und schüchterte vor allem die Geschworenen ein. Der Prozess war dementsprechend eine Farce. Der Herausgeber der Groß-Kikindaer Zeitung wurde zu sechs Monaten Staatsgefängnis und einer Geldstrafe von zweihundert Kronen verurteilt, die gleiche Strafe erhielt er noch einmal am 19. September 1902 wegen seines Gedichtes Aufreizung. Drei Tage später von der Groß-Kikindaer Stadtverwaltung unter Stadthauptmann Wachtel aus Stadt und Land gewiesen, flüchtete Korn über die Schweiz (Zürich) nach Deutschland. Mit seiner nachgezogenen Familie ließ er sich in München nieder. Später lebte er in Berlin und anderen deutschen Städten, zuletzt in Görlitz. Nach der Flucht versiegte seine literarische Produktion rasch.
Das literarische Werk Korns bilden vor allem seine vielen begeisterten völkischen Kampfgedichte, von denen im Donauschwäbischen Dichterbuch (1939) von Martha Petri ein halbes Dutzend abgedruckt sind. In ästhetischer Hinsicht hat Korns Lyrik kaum etwas zu bieten, es mangelt ihr weitgehend die persönliche Dimension, dagegen ist ihre politische Wirksamkeit unbestreitbar. Häufig gießt Korn Aufrufe in poetische Form, er kommentiert politische Tagesereignisse in Reimen, überhaupt ist seine Dichtung nicht von der Journalistik zu trennen, auch als Verseschmied bleibt er Leitartikler und politischer Beobachter. Inhaltlich lassen sich seine Gedichte in zwei Gruppen unterteilen. Die erste Gruppe appelliert an die Volksgenossen und versucht ihr nationales Selbstbewusstsein zu wecken und zu stärken. Den Schwaben ebenso wie den Fremden soll die Berechtigung der deutschen Ansprüche und Belange verdeutlicht werden. Als gewichtige Argumente führt der Dichter dafür die bäuerliche Landnahme und die Kultivierung des Raumes, die geschichtliche und kulturelle Leistung, die zahlenmäßige und völkische Sendung der Deutschen im ungarischen Teil der Monarchie ins Feld. Korns Angriffe auf gegnerische Volksgenossen, auf die sogenannten Magyaronen, leiten zu der zweiten Gruppe über, deren Hauptmerkmal ihre fremdenfeindliche Abwehrhaltung ausmacht. Wenn Korn deutsche Interessen gefährdet sieht, beispielsweise wenn der zwar in Ungarn geborene, aber deutschsprachige Dichter Nikolaus Lenau für das Magyarentum vereinnahmt werden soll, geht er auch zum Frontalangriff über, so etwa in dem Gedicht Einweihung des Lenaudenkmals in Csatad.
In seiner nach der Ausweisung verfassten und 1903 in München erschienenen Schrift Die Deutschenverfolgung in Ungarn sucht Korn das Ausland über das wahre Gesicht der politischen Verhältnisse in Ungarn aufzuklären. Die ganze Abhandlung ist ein flammender Aufschrei im Angesicht von Repression und unfreiwilliger Assimilation. Der magyarischen Gewaltherrschaft möchte Korn die „Maske des parlamentarischen Systems und der Gesetzlichkeit“ lüften und die trotz eines scheinbar liberalen Nationalitätengesetzes gewaltsame Assimilation der Minderheiten, speziell der deutschen, aufzeigen. Eine „unersättliche Magyarisierungswut“ habe den Deutschen im letzten Dezennium nicht nur die Hochschulen, die Mittelschulen und die Theater geraubt, sondern sich auch auf die Ortsnamen, die Familiennamen, die Gemeindeprotokolle und die Volksschulen – „die letzte Heimstätte des deutschen Volkstums“ – geworfen. Um den deutschen Anteil am Aufbau der ungarischen Nation zu demonstrieren, ruft Korn etwa die Tatsache in Erinnerung, dass Städtewesen und Bürgertum des Landes auf deutsche Vorbilder zurückzuführen sind. Den Verlauf der gegen ihn angestrengten Prozesse stellt der Autor ausführlich dar, um ihren rechtsbeugenden, gleichwohl vom Obersten Gerichtshof in Pest sanktionierten Charakter herauszustellen. Nach seiner zweiten Verhandlung, bei der er noch freigesprochen wurde, waren lediglich Zeugen der Anklage zugelassen, ähnlich auch bei vielen anderen Verhandlungen gegen deutsche Redakteure und Journalisten. Auch seine eigene Ausweisung aus Ungarn habe jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt. Dass Korn trotz Verfolgung ein ungarischer Patriot ist, zeigt seine begeisterte Verehrung für die tausendjährige Geschichte Ungarns als einem toleranten Vielvölkerstaat, in dem es noch keinen magyarischen Rassismus gab. Diese für die Magyaren selbstmörderische Ideologie sei erst durch die Hetze der ungarischen Juden entstanden, die in Parlament und Presse das große Wort führten, behauptet der Autor, indem er sich allerdings seinerseits rassistischen Gedankenguts bedient, auch wenn er es – wie sein Vorbild Karl Lueger – nur in strategischer Absicht tun sollte.
Dass Arthur Korn auch erzählerisches Talent besaß, hat der „Erzschwabe“ Adam Müller-Guttenbrunn gewürdigt, indem er dessen spannende Geschichte Das Röschen von Iglau in seine Anthologie Schwaben im Osten aufnahm. Angesiedelt ist die kleine Erzählung in einer idealen, damals schon verblassten deutschen Kulturlandschaft, der mittelalterlichen Zips, einst der Sitz eines „starken, mannhaften Bürgertums“, wo „deutscher Gewerbefleiß und Wohlstand“ blühten. In der sonst geruhsamen Zipserfreistadt Iglau ereignet sich im Jahre 1653 Unerhörtes, allem Anschein nach eine Vergewaltigung, ein Vergehen, auf das die Todesstrafe steht. Ausgerechnet die in Sittsamkeit und Frömmigkeit erzogene Tochter des ehrbaren Handwerksmeisters Möller, das Röschen von Iglau, ist das Opfer. Der zentrale Konflikt zwischen „bürgerlicher Moral“ und „göttlicher Leidenschaft“, der sich im Inneren der Klägerin abspielt, spiegelt sich äußerlich in einer dramatischen Gerichtsverhandlung mit einem unerwarteten Finale.
Werke: Joseph der Zweite. Ein Romanzenkranz. Dem Andenken des großen Kaisers in Ehrfurcht und Liebe gewidmet, Selbstverlag, Wien 1885, 70 S. – Die Deutschenverfolgung in Ungarn. Zur Aufklärung des deutschen Volkes, J. F. Lehmann’s Verlag, München 1903, 92 S. – Aufreizung! Gedichte aus dem Banate, Castner & Callwey, München 1905, S. 2. – Das Röschen von Iglau. Erzählung, in: Schwaben im Osten. Ein deutsches Dichterbuch aus Ungarn, eingeleitet von Adam Müller-Guttenbrunn, Eugen Salzer Verlag, Heilbronn 1911, S. 119-165. – Donauschwäbisches Dichterbuch, ausgewählt und eingeleitet von Martha Petri, Adolf Luser Verlag, Wien und Leipzig 1939, S. 29, 66, 330, 333, 349, 351 f., 358.
Lit.: Edmund Steinacker, Lebenserinnerungen, München 1937, S. 139, 182. – Michael Kausch, Schicksalswende im Leben des Banater deutschen Volkes. Das Ringen um Rückeroberung der völkischen Gesinnung und der nationalen Güter, Temeschburg 1939, S. 93, 95. – Martha Petri, Das Schrifttum der Südostschwaben in seiner Entwicklung von den Anfängen bis zur Gegenwart, Novivrbas/ Neuwerbaß 1940 [Diss.], S. 63 f., 93. – Anton Peter Petri, Kurzbiographien deutschbewusster Männer im ungeteilten Banat, München 1979, S. 22. – Anton Peter Petri, Biographisches Lexikon des Banater Deutschtums, Marquartstein 1992, Sp. 994 f. – Banatorientierte Literatur: Arthur Korn, in: Dieter Keßler, Studia Transylvanica. Die deutschen Literaturen Siebenbürgens, des Banates und des Buchenlandes. Von der Revolution bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1848-1918), Böhlau Verlag, Köln/ Weimar/ Wien 1997, S. 396-400.
Stefan Teppert