Biographie

Körner, Theodor Edler von Siegringen

Herkunft: Ungarn
Beruf: Österreichischer Bundespräsident
* 24. April 1873 in Uj Szöny bei Komorn/Ungarn
† 4. Januar 1957 in Wien

Die Familie des späteren österreichischen Generalstabsoffiziers und Bundespräsidenten stammte aus Kratzau (heute: Chrastava) in Nordböhmen und ist weitläufig mit dem preußischen Freiheitsdichter gleichen Namens verwandt, der 1813 im Gefecht bei Gadebusch im Kampf gegen die Franzosen gefallen ist. Theodor Körners Vater war Berufssoldat und zur Zeit seiner Geburt in Komorn stationiert.

Ab 1888 besuchte Körner die Militäroberrealschule derk. u .k. österreichisch-ungarischen Armee in Mährisch-Weißkirchen und anschließend die Technische Militärakademie. Im Jahre 1900 wurde Körners Vater in den erblichen Adelsstand erhoben und durfte den Titel Edler von Siegringen führen, der von diesem Zeitpunkt an auch dem Sohn zustand. Nach dem Abschluss der Militärakademie wurde Theodor Körner, der nunmehr den Dienstgrad eines Majors hatte, für den Generalstabsdienst als geeignet befunden. Er war im Ersten Weltkrieg zeitweilig Generalstabschef der Isonzo-Armee, die sich durch besondere Tapferkeit auszeichnete. Im Gegensatz zu manchen adligen Offizieren der österreichisch-ungarischen Armee pflegte Körner den Kontakt zu den untergeordneten Truppenführern und hatte stets Verständnis für die Sorgen und Nöte der Mannschaften, auch wenn er nicht sämtliche Mängel zu beheben vermochte.

Nach der militärischen Niederlage der österreichisch-ungarischen Monarchie im Ersten Weltkrieg beteiligte er sich am Aufbau des Bundesheeres der jungen Republik Österreich, der die Siegermächte verboten hatten, sich Deutsch-Österreich zu nennen. Er wurde Leiter der Präsidialabteilung des Staatsamtes für Heereswesen. Es kam jedoch ständig zu scharfen Gegensätzen mit den christlich-sozialen Wehrministern der österreichischen Regierung, die ihm vorwarfen, den sozialdemokratischen Einfluss im Bundesheer zu stärken.

Die Siegermächte hatten im Friedensvertrag von St. Germain 1919, der am 16. Juli 1920 in Kraft getreten war, der Republik Österreich für ihr Heer Beschränkungen auferlegt, die massive Eingriffe in den Charakter eines souveränen Staates darstellten und in gewisser Weise vergleichbar waren mit den militärischen Beschränkungen für das Deutsche Reich durch den Friedensvertrag von Versailles. 1923 fällte der Heeresinspekteur Theodor Körner ein vernichtendes Urteil über das Bundesheer:„… was dann zurückbleibt und Bundesheer heißt, ist ein sich für Paraden und Ausrückungen vorbereitender Verein, der in der Tradition der Vergangenheit lebt, sich Luftschlössern hingibt und die Öffentlichkeit über die traurige Wirklichkeit hinwegtäuscht.“

Sogar das konservative Blatt der österreichischen Offiziere, die zumeist „legitimistisch“ (habsburgtreu) gesinnt waren, teilte die Einschätzung des Sozialdemokraten Körner. DieÖsterreichische Wehrzeitung veröffentlichte sein Gutachten in voller Länge. 

Der christlich-soziale Verteidigungsminister Vaugoin sorgte schließlich dafür, dass Theodor Körner 1924 vorzeitig pensioniert wurde; der vorzeitige Abschied wurde ihm durch die Verleihung des Generalsrangs „versüßt“.

Nach seiner Entlassung aus dem aktiven Militärdienst widmete sichKörner vorrangig dem Aufbau des Republikanischen Schutzbundes, der paramilitärischen Wehrorganisation der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs.

Es ist keineswegs so, dass Körner beim Aufbau dieser Bürgerkriegsarmee nur als „Berater“ fungiert hat. Binnen kurzer Zeit verstand er es, auf der Grundlage seiner militärischen Erfahrungen aus einem dilettantischen sozialistischen Wehrsportverein eine schlagkräftige und gut ausgebildete und gerüstete Truppe zu formieren.

In einer erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Österreichischen Militärarchiv aufgefundenen Akte heißt es: „Die Kampfkraft des Schutzbundes war in den ersten Jahren äußerst gering. Mit dem Eintritt des Generals a.D. Körner in die Schutzbundleitung änderte sich dies jedoch mit einem Schlage. So wurde die Disziplin mit eiserner Faust gehoben, die immer noch bestehenden Arbeiterwehren dem Schutzbund eingegliedert, … und gleichzeitig der Schutzbund selbst zu einem – man kann sagen – stehenden Heer – umgewandelt, das binnen weniger Tage auf kriegsmäßigen Stand gebracht werden kann. Allmählich wurde der Schutzbund der Organisationsform der k.u.k. Armee angepasst. Auch die Dienst- und Kommandosprache wurde von der alten Armee übernommen …“

Die österreichische Sozialdemokratie war jedoch politisch zerstritten. Ohne eine klare politische Zielsetzung vermochte auch eine gut ausgerüstete und ausgebildete Truppe nichts auszurichten. Körner widersetzte sich dem zunehmenden Radikalisierungsprozess der österreichischen Sozialdemokraten und beendete seine Tätigkeit in der Leitung des Republikanischen Schutzbundes im Jahre 1930 wegen starker politischer Differenzen mit dem revolutionären Schutzbundführer Alexander Eifler.

Nach dem missglückten Schutzbundaufstand am 12. Februar 1934 wurde er kurzfristig verhaftet, aber bald wieder entlassen, da man ihn als „gemäßigten“ Schutzbundführer einstufte.

Nachdem Anschluss Österreichs im März 1938 widmete sich Theodor Körner militärwissenschaftlichen und militärhistorischen Studien. Seine schon 1937 begonnenen Abhandlungen über Clausewitz verfolgten vor allem den Zweck, der deutschen militärischen Führung die Gefährlichkeit eines Angriffs auf die Sowjetunion deutlich zu machen.

1943 wurde Körner auf Anweisung des Reichssicherheitshauptamtes das Betreten des Österreichischen Militärarchivs in Wien verboten. Diese Anweisung stammte von Ernst Kaltenbrunner persönlich. Damit war Körner die Abfassung weiterer militärhistorischer Studien unmöglich gemacht worden. 1944 wurde er im Zusammenhang mit dem misslungenen Anschlag auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 verhaftet, jedoch nach kurzer Zeit wieder entlassen.

Man mag darüber rätseln, weshalb Körner keine aktive Rolle in der österreichischen Widerstandsbewegung spielte, aber sicher war dem pensionierten General und prononcierten Sozialisten klar, dass er unter der Beobachtung der Gestapo stand und durch eine Beteiligung am aktiven Widerstand nur die Freiheit und das Leben seiner Gesinnungsgenossen gefährdet hätte. An Mut fehlte es Körner jedenfalls nicht, wie die für den deutschen Generalstab zur Lektüre vorgesehenen Clausewitz-Studien deutlich beweisen.

Am 17. April 1945, vier Tage nach der Eroberung Wiens durch die Rote Armee, wurde Theodor Körner Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien. Die Stadt war kriegszerstört, litt unter einem erheblichen Flüchtlingsproblem und war gezwungen, die Anordnungen der Besatzungsmächte auszuführen. Es war eine schwierige Zeit, und nicht immer stieß die Amtsführung des Bürgermeisters auf Wohlwollen und Verständnis, manchmal wird sie als schroff und restriktiv bezeichnet.

Körner wusste jedoch seine russischen Sprachkenntnisse und seine schon früher dokumentierte freundschaftliche Einstellung gegenüber der Sowjetunion auszunutzen, um vor allem der sowjetischen Besatzungsmacht Zugeständnisse zugunsten der Bevölkerung abzuringen. Allmählich besserte sich die Lage, auch durch das geschickte Verhandeln und Taktieren Theodor Körners.

Die Sowjets respektierten den ehemaligen Offizier, der gelegentlich auch deutliche Worte gebrauchte. 1951 hatte er ein hohes Maß an Popularität bei der Wiener Bevölkerung und in ganz Österreich gewonnen. Er kandidierte nach dem Tode von Dr. Karl Renner für das Amt des Bundespräsidenten und gewann die Stichwahl gegen den Kandidaten der ÖVP, Heinrich Gleißner. Da sein Vorgänger, Karl Renner, auf Wunsch der Alliierten eingesetzt und erst nachträglich durch die österreichische Bundesversammlung bestätigt worden war, wurde Körner der erste direkt vom Volk gewählte Bundespräsident Österreichs. In seine Amtszeit fällt die Unterzeichnung des Österreichischen Staatsvertrages am 15. Mai 1955.

Nun war der General, dem in seinem Leben so viele Kränkungen zuteil geworden waren, Präsident einer freien und unabhängigen Republik Österreich und Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheeres. Er erlebte noch die erste Bewährungsprobe für seine Truppe, die vorsorgliche Mobilmachung anlässlich des Ungarn-Aufstandes im Oktober 1956. Im Dezember 1956 erlitt er einen Schlaganfall, von dessen Folgen er sich nicht mehr erholte. Er starb im Amt am 4. Januar 1957. Theodor Körner ist in der Gruft der Österreichischen Bundespräsidenten auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Lit.: Rolf Bauer, Österreich. Ein Jahrtausend Geschichte im Herzen Europas, München 1970. – Gustav K. Bienek, Ein Leben für Österreich, Wien 1953. – Ilona Duczynska, s. Körner, Theodor. – Hans Hautmann/Rudolf Kropf, Die österreichische Arbeiterbewegung vom Vormärz bis 1945, Wien 1974. – Theodor Körner, Denkschrift über das Heerwesen der Republik, Wien 1924. – Theodor Körner, Auf Vorposten. Ausgewählte Schriften 1928-1938, hrsg. u. kommentiert von Ilona Duczynska, Wien 1977. – Eric C. Kollmann, Theodor Körner. Militär und Politik, Wien 1973. – Thea Leitner, Körner aus der Nähe, Wien 1951. – Thea Leitner, Hühnerstall und Nobelball, Wien 2004. – Otto Naderer, Der bewaffnete Aufstand: der Republikanische Schutzbund der österreichischen Sozialdemokratie und die militärische Vorbereitung auf den Bürgerkrieg (1923-1934), Graz 2005 = Diss. Unversität Salzburg 2003. – M. Rauchensteiner, Krieg in Österreich 1945, Wien 1970.

Bild:Theodor Körner, „Auf Vorposten“, Europa-Verlag Wien 1977.