Biographie

Korngold, Erich Wolfgang

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Komponist, Dirigent
* 29. Mai 1887 in Brünn/Mähren
† 29. November 1957 in Hollywood/USA

Der oft mit Mozart verglichene Wunderknabe komponierte schon im Alter von drei Jahren, erregte als Sechsjähriger mit musikalischen Einfällen auf dem Klavier Aufsehen. Gefeierte Dirigenten führten seine Jugendwerke auf. Seine Opern gehörten zu den meistgespielten. In der Filmmusik Hollywoods setzte er neue Maßstäbe und avancierte zum ersten Komponisten von internationaler Bedeutung. Schon zu Lebzeiten war er eine Legende, konnte aber mit Ruhm nicht umgehen.

Erich Wolfgang Korngold wurde am 29. Mai 1897 in Brünn geboren. Er war der zweite Sohn des renommierten jüdischen Musikkritikers Julius Korngold, der für die Neue Freie Presse schrieb. 1901 ging die Familie nach Wien, wo sie im Musikleben eine bedeutende Rolle spielte. Der Sohn Erich Wolfgang erhielt als Kind Unterricht am Klavier, in Harmonielehre und Komposition. Sein erster Lehrer war Robert Fuchs; später wurde er Schüler von Alexander von Zemlinsky und Hermann Grädener. 1910 wurde an der Wiener Hofoper in der Choreografie von Carl Godlewski sein erstes Werk aufgeführt und verlegt, das pantomimische Ballett ‚Der Schneemann‘. Der Elfjährige erregte damit Aufsehen und wurde seither von der Wiener Hocharistokratie gefördert. Mit 13 Jahren schrieb er Klaviersonaten; es folgten eine Schauspiel-Ouvertüre und eine Sinfonietta. Prominente Persönlichkeiten der Musikwelt im frühen 20. Jahrhundert wie Bruno Walter, Artur Schnabel, Arthur Nikisch, Wilhelm Furtwängler, Felix Weingartner oder Richard Strauss führten seine Jugendwerke auf. Mit 14 Jahren debütierte Korngold in Berlin als Pianist, mit 20 in Wien als Dirigent. Er unternahm zahlreiche Konzerttourneen, war 1919-1922 Dirigent an der Hamburger Oper, kehrte aber dann nach Wien zurück. 1924 heiratete er die Sängerin, Schauspielerin, Pianistin und Schriftstellerin Luise von Sonnenthal, mit der er zwei Söhne hatte. 1927-1936 war er Dirigent an der Staatsoper in Wien, wurde 1931 Professor für Musiktheorie an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst, wo er auch eine Meisterklasse für Oper leitete.

Seine Opernkompositionen ‚Der Ring des Polykrates‘ und ‚Violanta‘ (beide 1916), ‚Die tote Stadt‘ (1920), ‚Das Wunder der Heliane‘ (1927) hatten damals großen Erfolg und ließen ihn – neben Richard Strauss – zum meistgespielten Opernkomponisten Österreichs und Deutschlands werden. Ein Welterfolg wurde die Oper ‚Die tote Stadt‘, 1920 in Hamburg uraufgeführt, als der frühreife Meister gerade einmal 23 Jahre alt war. Binnen weniger Jahre wurde der Psychothriller um die Doppelgängerin einer toten Geliebten, der verblüffende Parallelen zu Hitchcocks Filmklassiker ‚Vertigo‘ aufweist, an 80 Theatern in aller Welt nachgespielt. Neben diesen großen Werken komponierte Korngold auch Instrumentalkonzerte, Kammermusik, Lieder und Klavierwerke.

1926 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Wien. Korngold empfand sich als ein Vertreter der Moderne, verließ aber nie die Tonalität. So komponierte er 1931 die ‚Vier kleinen Karikaturen für Kinder‘ op. 19, in denen er die Stile Arnold Schönbergs, Igor Strawinskys, Béla Bartóks und Paul Hindemiths karikierte. In den 1920er Jahren hatte er mehr und mehr die Ansichten seines Vaters übernommen, der ein militanter Gegner der „Internationalen Intellektuellenmusik“ war und ihr eine „musikalische Volksgesundheit“ entgegenhielt, idealtypisch vertreten durch das Werk seines Sohnes, der sich den neuen Entwicklungen in der Musik, wie der Reihentechnik beziehungsweise der Zwölf­tonmusik, die von Arnold Schönberg und seinen Anhängern ausgingen, nicht anschließen wollte. Doch vom eigenen Vater als Retter des Abendlandes vor der Atonalität und Speerspitze der modernen Klassik, noch dazu in einem intoleranten Verfemungs-Jargon lanciert zu werden, hat Erich Wolfgang Korngold manche unverdiente Feindschaft eingebracht. So führten Neider seine sensationelle Karriere auf die Machenschaften des alten Korngold mit seiner publizistischen Macht zurück.

Max Reinhardt, mit dem er ab 1929 bei der Aufführung der Operetten ‚Die Fledermaus‘ und ‚La Belle Hélène‘ zusammengearbeitet hatte, holte Korngold 1934 erstmals in die Vereinigten Staaten, wo er zunächst Mendelssohns Sommernachtstraum für eine Shakespeare-Verfilmung arrangierte. Seine Musik zu Filmen und Revuen – fast immer für sinfonisches Orchester – wurde einhellig gelobt, sie setzte neue Maßstäbe in der noch jungen Geschichte der Filmmusik, prägte als „Hollywood-Sound“ die gesamte Branche und gehört bis heute zu ihrem Besten. Meister wie John Williams oder Hans Zimmer führen diesen Sound bis heute fort. Korngold griff teilweise in die Regie ein, um die Sprache der Schauspieler an den Rhythmus der Musik anzupassen. Manchmal schrieb er selbst die Dialoge. Beim Komponieren von Filmmusik beachtete er weder den Geschmack noch das momentane Musikverständnis des Publikums. Insgesamt verfasste er während seiner Tätigkeit für die Filmgesellschaft Warner Brothers zwischen 1935 und 1946 die Musik für 19 Filme, für zwei davon wurde er mit dem Oscar ausgezeichnet (1936 für ‚Anthony Adverse‘, 1938 für ‚The Adventures of Robin Hood‘).

Durch sein Festhalten an der Tonalität hatte sich Korngold in die Rolle einer Gegenfigur zur musikalischen Avantgarde gedrängt gesehen. Der ästhetischen Kontroverse folgte der biografische Bruch: Aufgrund seiner jüdischen Herkunft wurde der Wiener Tonsetzer 1938 mit seiner Familie in die Emigration gezwungen.

Nach dem Krieg wandte er sich wieder seinem eigentlichen Schaffen, der klassischen Orchestermusik zu, 1946 entstand das ‚Cellokonzert‘ op. 37, 1947 das ‚Violinkonzert‘ D-Dur.

Zwischen 1949 und 1951 hielt er sich in Österreich auf, wo er vom Publikum, aber nicht von der Musikkritik positiv empfangen wurde. In dieser Zeit wurden die ‚Symphonische Serenade B-Dur‘ op. 39 von den Wiener Philharmonikern unter Wilhelm Furtwängler sowie die ‚Stumme Serenade‘ op. 36, beide in Wien, uraufgeführt. Während einer zweiten Europareise 1954/55 kam es zur Uraufführung seiner einzigen ‚Symphonie in Fis-Dur‘ op. 40. Erfolg war ihm bei seinen Versuchen, nach Europa und zur absoluten Musik zurückzufinden, nicht mehr vergönnt, wohl auch, weil ihm der Wiener Nährboden fehlte und großer Nachholbedarf in Sachen Moderne entstanden war. Just seine bahnbrechende Hollywood-Karriere als Filmmusikkomponist disqualifizierte ihn in den Augen der Kritiker als Komponisten ernstzunehmender Klassik. Sein Spätwerk wurde von der zeitgenössischen Rezeption in den USA und Europa stark kritisiert und wenig beachtet. Zudem erschien der Ausschließlichkeitsanspruch seiner Kompositionen in der Nachkriegszeit als rückwärtsgewandt. Korngold war Dirigent an der New York Opera, lebte 1946 bis 1955 teils in den USA, teils in Europa, kehrte dann aber enttäuscht und endgültig nach Amerika zurück. Der Komponist musste zusehen, wie sein Werk langsam vergessen wurde. Er starb nach einer Herzattacke am 29. November 1957 in Los Angeles und wurde am Hollywood Cemetery, Sta. Monica, im Los Angeles County beerdigt.

Erst nach einer Neuauflage in den USA ab 1972 erlebten seine Kompositionen international eine Renaissance. In den letzten Jahren jedoch vollzog sich innerhalb der Rezeptionsgeschichte eine regelrechte Kehrtwende: Was als „Korngold-Renaissance“ begonnen hatte, brachte die Werke des Komponisten mittlerweile fest ins Repertoire zurück. Auch die editionsphilologische Aufarbeitung von Korngolds Œuvre ist im Gange. Das langfristige Vorhaben wird von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz gemeinsam getragen und an drei Arbeitsstellen realisiert (HU Berlin, Hochschule für Musik und Theater Rostock, Goethe-Universität Frankfurt a.M.). Dabei werden nun sämtliche musikalischen Werke – mit Ausnahme der Operettenbearbeitungen – ediert. Vor allem die Edition der Filmmusiken zielt auf die Schaffung methodischer Grundlagen für eine innovative multimediale Darstellung von Kompositionen dieses Genres. Korngolds Werke werden in Kooperation mit dem Verlag Schott Music in einer kritischen Ausgabe mit gedruckten Bänden und digitalen, internetbasierten Komponenten zugänglich gemacht. Die hybrid konzipierten Editionen sollen als Basis für weiterführende Forschungen dienen, einschließlich Fragen der Exilgeschichte und des Kulturtransfers zwischen Europa und den USA.

Lit.: Brendan G. Carroll: Erich Wolfgang Korngold. Das letzte Wunderkind. Wien: Böhlau 2012. – Isabella Ackerl/ Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992

Weblinks:

https://www.universaledition.com/de/erich-wolfgang-korngold-389

https://www.e-filmmusik.de/filmkomponisten/erich-wolfgang-korngold.html

https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Erich_Wolfgang_Korngold

https://www.br-klassik.de/themen/klassik-entdecken/erich-wolfgang-korngold-komponist-portraet-100.html

https://www.musikundmedien.hu-berlin.de/de/musikwissenschaft/Historische/forschung/aktuell/korngold_werkausgabe

Bild: Erich Wolfgang Korngold um 1912, gemeinfrei

Stefan P. Teppert