Biographie

Korngold, Erich Wolfgang

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Komponist, Dirigent
* 29. Mai 1887 in Brünn/Mähren
† 29. November 1957 in Hollywood/USA

Sehr viele Menschen dürften schon Musik von Erich Wolfgang Korngold gehört haben, ohne dass ihnen indessen der Name oder gar der Lebensweg des Komponisten bekannt wären. Wer achtet schon im Abspann der auch heute noch vielfach im Fernsehen wiederholten Hollywood-Filme aus den 1930er und 1940er Jahre auf den Schöpfer der jeweiligen Filmmusik? Korngold hat seit 1935 für mehr als 20 große Produktionen der amerikanischen Traumfabrik die zugehörige Szenenmusik geschrieben. Zwei Mal erhielt er dafür einen Academy Award (Oscar) (für Anthony Adverse, 1936, und The Adventures of Robin Hood, 1938).

Die Tätigkeit als Filmkomponist gehörte allerdings gewissermaßen schon zu Korngolds zweitem Leben. Als er 1934 erstmals in die USA kam, war er längst ein weltbekannter Komponist. Nicht von ungefähr bezeichnete ihn ein Biograph als„das letzte Wunderkind“. Als Korngold 13 Jahre alt war, wurde erstmals ein Werk von ihm an der Wiener Hofoper aufgeführt (Der Schneemann, 1910). Durch seine familiäre Herkunft kam er schon in jüngsten Jahren in enge Berührung mit der Musik, seit 1905 schuf er erste eigene Kompositionen. Sein Vater, Julius Korngold, war promovierter Jurist, hatte aber nebenher am Wiener Konservatorium Musiktheorie studiert. In seiner Heimatstadt Brünn war Julius Korngold zusätzlich zu seinem juristischen Hauptberuf als Musikkritiker der örtlichen Presse tätig. 1901 übernahm er als Nachfolger des gefürchteten Eduard Hanslick die Musikkritik bei der Wiener Neuen Freien Presse und wurde damit eine ungemein einflussreiche Persönlichkeit in einer der wichtigsten Musikmetropolen Europas.

Die phänomenale Begabung von Julius Korngolds Sohn Erich Wolfgang offenbarte sich frühzeitig. Nach erstem Klavierunterricht noch im Vorschulalter empfahl Gustav Mahler, damals k.u.k. Hofoperndirektor, Alexander von Zemlinsky als musikalischen Mentor des „Wunderkindes“. Zemlinsky war bereits ein arrivierter Komponist und hatte zuvor schon Arnold Schönberg unterrichtet.

Mit Zemlinskys Hilfe kam auch 1910 Korngolds musikalische Pantomime Der Schneemann an der Hofoper heraus. Seither machte der junge Komponist eine steile Karriere und arbeitete mit den bedeutendsten Musikern seiner Zeit zusammen. Seine ersten beiden einaktigen Opern wurden mit großem Erfolg 1916 durch Bruno Walter in München uraufgeführt. Seine zwischenzeitliche Einberufung zum Kriegsdienst (1917/18) hinderte Korngold nicht am Komponieren, denn er wurde bei der Militärmusik eingesetzt. Zuvor noch hatte er in Wien als Dirigent debütiert. Somit konnte er als 22-Jähriger 1919 eine Stelle als Musikdirektor an der Hamburger Oper antreten. Im Folgejahr brachte er dort sein erfolgreichstes Werk heraus, nämlich die Oper Die tote Stadt, zu der sein Vater das Libretto beigesteuert hatte. Die tote Stadt wurde in den folgenden Jahren von mehr als 80 Opernbühnen weltweit übernommen.

Um die Mitte der 1920er Jahre stand Korngold bereits im Zenit seines Ruhms als Komponist und arbeitete abwechselnd als Dirigent in Hamburg und Wien. Seine folgenden Bühnenwerke konnten allerdings den Erfolg von Die tote Stadt nicht mehr erreichen. Besonders folgenreich war für Korngold die Zusammenarbeit mit Max Reinhardt, der ihn erstmals 1929 für eine Berliner Inszenierung von Die Fledermausengagierte. Reinhardt war es nämlich auch, der Korngold 1934 zum ersten Mal in die Vereinigten Staaten von Amerika holte, um die Mendelssohnsche Musik zu seiner Inszenierung von ShakespearesEin Sommernachtstraum zu arrangieren.

Nach diesen ersten Erfahrungen in den USA erhielt Korngold bereits im folgenden Jahr einen Exklusivvertrag von Warner Bros., einem der mächtigsten Filmkonzerne Hollywoods. Warner Bros. hatte 1927 den ersten abendfüllenden Tonfilm produziert und verpflichtete nun als erstes Großstudio mit Korngold einen Komponisten, der im Bereich der „ernsten Musik“ bereits weltbekannt war. Dieser hatte jedoch trotz seiner intensiven Zusammenarbeit mit der Filmindustrie – bis 1938 komponierte er acht Filmmusiken – keineswegs vor, sich ständig in den USA niederzulassen. Korngold war weiterhin auch in Europa, vor allem in Österreich tätig. Der Weg nach Deutschland war ihm freilich nach der Installierung des NS-Regimes aufgrund seiner jüdischen Abstammung verschlossen. Dauerhaft zur Emigration gezwungen wurde Korngold erst infolge des „Anschlusses“ Österreichs an den NS-Staat im März 1938. Die erste Filmmusik, die er als Emigrant in Hollywood herausbrachte, trug ihm indessen den zweiten Oscar ein. Korngold avancierte rasch zum „unbestrittenen Star unter den Filmkomponisten“, wie ihn eine jüngere Untersuchung apostrophierte. Aufgrund seiner einträglichen Beschäftigung bei Warner Bros. ging es Korngold im Unterschied zur großen Mehrzahl der anderen Exilierten in den folgenden Jahren materiell gut. Er nutzte dies vielfach zur Unterstützung weniger begünstigter Schicksalsgenossen. Im Jahre 1943 erhielt er die US-Staatsbürgerschaft.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges versuchte Korngold, sich von der Filmmusik zu lösen und sich wieder ganz der „ernsten Musik“ zuzuwenden. Außerdem plante er frühzeitig eine Rückkehr nach Europa, die allerdings erst 1949 zustande kam. Die Wiederkehr nach Österreich geriet jedoch zur Enttäuschung, obwohl kein Geringerer als Wilhelm Furtwängler mit den Wiener Philharmonikern Korngolds neue Symphonische Serenade, op. 39, zur Uraufführung brachte. Auch später konnte er nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen. Desillusioniert kehrte Korngold nach Hollywood zurück. Vorübergehend noch einmal als Filmkomponist tätig, schuf Korngold mit der Symphonie, op. 40, sein letztes großes Orchesterwerk. Es war zugleich mit einem politischen Bekenntnis verbunden, denn er widmete es dem Andenken des 1945 verstorbenen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der die USA in den crusade for democracy gegen Japan und NS-Deutschland geführt hatte.

Der schon längere Zeit herzleidende Korngold erlitt 1955 einen ersten Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr vollständig erholte. Er starb am 29. November 1957, wenige Monate nach seinem 60. Geburtstag in Hollywood.

Erich Wolfgang Korngold war eine der bedeutendsten Komponistenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Schönbergs Wendung zur atonalen Musik hat er jedoch nie mitvollzogen, ja sie entschieden abgelehnt. Er hat wesentlich dazu beigetragen, die symphonische Filmmusik zu einer ernstzunehmenden Kunstgattung zu machen. Nach seinem Tod längere Zeit mehr oder weniger vergessen, erlebt sein Werk neuerdings eine bemerkenswerte Renaissance.

Lit.:Brendan G. Caroll, The Last Prodigy.A Biography of Erich Wolfgang Korngold, Portland/Oregon 1997. – Die Korngolds in Wien. Der Musikkritiker und das Wunderkind. Aufzeichnungen von Julius Korngold, Zürich, St. Gallen 1991 (mit umfassendem Werkverzeichnis von E. W. K.). – Jessica Duchen, Erich Wolfgang Korngold (20th Century Composers), London 1996. – Albrecht Dümling, Zwischen Außenseiterstatus und Integration. Musiker-Exil an der US-amerikanischen Westküste, in: Hanns-Werner Heister u.a. (Hrsg.), Musik im Exil. Folgen des Nazismus für die internationale Musikkultur, Frankfurt/M. 1993, S. 311-337. – International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933-1945, Vol. II, Part 1, eds. Herbert A. Strauss, Werner Röder, München u.a. 1983, S. 652. – Neue Deutsche Biographie, hrsg. v. Walter Killy u. Rudolf Vierhaus, Bd. 6, München 1997, S. 46. – Helmut Pöllmann, Erich Wolfgang Korngold. Aspekte seines Schaffens, Mainz u.a. 1998. – zahlreiche Musiklexika. – www.korngold-society.org.

Bild:Kulturstiftung.