Biographie

Kotschy, Theodor

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien), Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Botaniker, Forscher und Reisender
* 15. April 1813 in Ustron/ Sudetenschlesien
† 11. Juni 1866 in Wien

Der Orientforscher Theodor Kotschy stammte aus einer gelehrten protestantischen Familie aus dem Teschener Gebiet. Sein Vater Carl Friedrich wurde 1789 in Teschen geboren, studierte in Leipzig Theologie, aber auch Medizin und Botanik und war seit 1810 in Ustron als Pastor tätig. Carl betrieb nebenbei naturwissenschaftliche Studien, deretwegen ihn die königliche pomologische Gesellschaft in Brüssel zu ihrem Mitglied machte. Als Seelsorger sorgte er für seine Gemeinde so, dass er in hohem Ansehen stand und 1848 zum Abgeord­neten ins Frankfurter Paulskirchen-Parlament gewählt wurde. Außerdem verfasste er ein Elementarbuch für die evangelischen Volksschulen im Kaiserreich und eine biblische Geschichte in polnischer Sprache. Seine naturwissenschaft­lichen Werke befassten sich mit der Flora der Beskiden, wo er bis dahin unbekannte Pflanzen entdeckte. Zwei seiner Söhne wurden ebenfalls Pastoren.

Sein dritter Sohn Theodor wurde am 15. April 1813 in Ustron geboren und erbte von seinem Vater die Vorliebe für botani­sche Studien, sodass er schon als Neunjähriger mit dem Botanisieren begann und zu diesem Zweck weite Wanderungen im Gebirge unternahm. Später durchstreifte er während seiner Schulferien die Gegend um die Quelle der Weichsel und die Zipser Karpaten. Mit 20 Jahren ging er zum Studium nach Wien, wo er sich zunächst an der Protestantischen Theologischen Fakultät einschrieb. Auch hier widmete er sich in den Semesterferien botanischen Studien und bereiste das Banat und die Adriaküste, Kroatien, Slawonien und Sieben­bürgen. Er zeichnet sich durch die Sammlungen von Pflanzen aus diesen Ländern so aus, dass ihn der Forscher Russegger schon 1836 auf seine Expedition in den Orient mitnahm.

Er durchzog mit Russegger Syrien und dann Kilikien im südlichen Kleinasien, zwei Landstriche, die ihn für immer faszinierten und zu denen er immer zurückkehrte. 1837 wandte sich die Forschungsgruppe nach Ägypten und Nubien und stieß in Gebiete des heutigen Sudans vor. Als Russegger seine Expedition 1838 abschloss, blieb Kotschy im Orient und durchstreifte nun ganz Kordofan, wo damals auch sein Lands­mann Ignaz Palme aus Rumburg gereist war. 1840 finden wir Kotschy auf der damals noch türkischen Insel Cypern, ein Jahr darauf in Kleinasien und 1842 in Persien. 1843 besteigt er dort den imposanten Kegel des 5654 Meter hohen Vulkans Demawend.

Theodor Kotschy war nun schon sieben Jahre fern der Heimat. Nach dem Abstieg von Demawend hielt es ihn nicht mehr län­ger im Orient. Über Erzerum und Trapezunt, dem heutigen Trabzon, fuhr er nach Konstantinopel und gelangte am 16. Dezember 1843 wieder nach Wien zurück. Hier erhielt er eine Stelle am „königlich-kaiserlichen botanischen Hofcabinet“, zunächst als Assistent, dann als Custos-Adjunct. Diese Stelle bekleidete er bis zu seinem Tode. Jedes Jahr unternahm er in der Fachwelt beachtete Reisen, 1845 ins Salzkammergut und nach Tirol, 1846 nach Kärnten, Krain und Siebenbürgen, 1848 in die Obersteiermark. Ein Jahr darauf bestieg er den Groß­glockner und den Großvenediger. 1853 zog es ihn aber wieder in den Orient, diesmal in das kilikische Taurusgebirge. 1855 lenkte er sein Interesse wieder nach Ägypten, von wo aus er auch ganz Palästina und wieder Syrien, Kilikien und den Libanon sammelnd und forschend bereiste. In seinem in Gotha erschienenen Buch Reisen in den kilikischen Taurus über Tarsus hat er uns 1859 einen noch heute lesenswerten Bericht darüber hinterlassen. Im gleichen Jahr begann er beim Verlag Hölzel in Olmütz mit der Herausgabe eines Prachtwerkes in einzelnen Lieferungen: Die Eichen Europas und des Orients. Die 40 Farbdrucke mit deutschem, lateinischem und französi­schem Text wurden „zu den Zierden des österreichischen Privatverlages“ gezählt. 1859 bricht er bereits wieder zu einer ausgedehnten Orientexpedition auf. Er besuchte zunächst wieder Cypern und dann Kilikien, das kleinasiatische Pontusgebirge, Armenien und Kurdistan. In Kilikien fand Kotschy noch völlig andere ethnographische Verhältnisse als heute vor, denn damals waren diese Provinzen noch von Armeniern bewohnt, die erst im Ersten Weltkrieg der jungtürkischen Vertreibung zum Opfer fielen. In Sis, heute Kozan, besuchte Kotschy auch den armenischen Patriarchen, dessen Nachfolger hier bis 1923 residierten.

Die Reise führte Kotschy durch das Gebirgsland, in dem damals einige Stammesführer der Kurden fast selbständig herrschten, ohne sich um den Sultan in Konstantinopel zu scheren. Im Dorf Beylan sagte man Kotschy denn auch, dass ein Firman, das heißt ein Empfehlungsschreiben des Sultans „hier nichts gelte und dass man ohne alle Umstände Eindring­lingen den Kopf abschneiden könne, was ja hier beim Bey eine ganz leichte Sache sei.“ Kotschy gewann aber das Vertrauen Omar Beys und wurde sein Gast. In diesen Gebieten nahe der heutigen syrischen Grenze am Beylan-Pass gibt es heute von Türken oft besuchte bekannte Sommerfrischen.

Über den Taurus zog dann Kotschy nach Norden bis zum Argäus, den heute Ercias-Dağ genannten 3916 Meter hohen Bergkegel bei Kayseri, dem antiken Caesarea in Kappadokien. Im Armenierdorf Tschomakli am Fuß des Berges nahm Kotschy Quartier und sortierte seine Sammlungen. „Der Geist­liche des Orients besuchte mich und sagte mir, dass eine Besteigung des Ercias jetzt wegen des Schnees nicht ausführbar sei, nur ein einziger Mann soll einst von Tschomakli aus die Spitze erreicht haben“. Der Zweite war Kotschy: Am 30. Mai stand er auf dem Gipfel. Südwärts wandte er sich dann wieder nach Tarsus, dem Geburtsort des heiligen Apostel Paulus, wo er vom Ausbruch des Italienischen Krieges erfuhr. Da die österreichischen Lloyd-Dampfer alle nach Triest beordert worden waren, fuhr Kotschy nach Konstantinopel, wo er mit dem Kaiserlichen Internuntius weitere Reisepläne beriet. Ende Juli fuhr er über das Schwarze Meer mit dem Schiff nach Trapezunt, um von dort ins Innere Kleinasiens bis Kurdistan zu gelangen. Er hatte dabei mit riesigen Schwierigkeiten zu kämpfen, denn die korrupten Beamten unterschlugen sogar seine Briefe. Auch Berichte über seine Forschungen, die er nach Europa sandte, gingen durch Postüberfälle mehrfach verloren.

Von Erzerum besuchte Kotschy Kurdistan und durchforschte das Gebiet südlich des Van-Sees von Bitlis bis Van, ständig in Lebensgefahr, da er überall vor Räubern gewarnt wurde. „In Bitlis überfiel mich abermals ein Fieber, zu dem sich noch ein Lungenleiden gesellte, aber es war die höchste Zeit zur Abreise, denn auf allen Bergen lag Schnee, die Strichregen drohten in Landregen auszuarten und mich am Ende der Rückkehr über Mesopotamien zu zwingen. Ich wagte aber trotz Fieber und Lungenleiden die Reise und verließ am 18. Oktober Bitlis. Zum Glück wurde das Wetter besser, ja allmählich sehr schön. Nachdem sich mein Fieber noch zweimal eingestellt hatte, gelang es mir, es ganz zu verbannen, doch war ich von dem starken Schwitzen während des Nächte ganz erschöpft.“

Krank erreichte Kotschy doch noch Trapezunt, wo ihn ein Schiff nach Konstantinopel brachte. Gegen Jahresende war er wieder in Wien. Im Jahr 1860 bereiste er nur die Alpen, wo er den Montblanc und den Monte Rosa bestieg. 1861 aber trat er wieder eine Orientreise an. Professor Franz Unger begleitete ihn durch Cypern. Allein reiste Kotschy dann nach Nordsyrien weiter, als sich Unger am 2. Juni 1862 nach Europa einschiffte. Am 10. Juni segelte Kotschy nach Alexandrette ab, dem heutigen Iskenderun, wo er den österreichischen Konsul besuchte und dann nach Beylan weiterritt. Heute führt eine prächtige Autostraße in grandiosen Kehren über den Beylan-Pass, aber damals wimmelte der schlechte Weg von Strauch­dieben.

Die Expedition nach Iskenderun war Kotschys letzte Orient­reise. Die Entbehrungen der Reise, die Klimaschwan­kungen und die körperlichen Strapazen hatten ihn zu sehr mitgenommen. Erst 53 Jahre alt starb er am 11. Juni 1866 in Wien, nachdem er ein Jahr zuvor mit seinem Reisegefährten Unger noch ein Buch über die Insel Cypern herausgebracht hatte. Dieser Schlesier ist einer der Begründer der Orientforschung in Österreich. Verschiedene Tier- und Pflanzenarten sind nach ihm benannt, wie die persische Viereckskrabbe Epixanthus Kotschyi und der ägäische Nacktfingergecko Cyrtodactylus Kotschyi und die Pflanzengattung Kotschya.

Bild: Kulturstiftung.

Weblink: https://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Kotschy

Rudolf Grulich