Biographie

Kotzebue, August

Herkunft: Baltikum (Estland, Lettland, Litauen)
Beruf: Schriftsteller
* 3. Mai 1761 in Weimar
† 23. März 1819 in Mannheim

August Kotzebue entstammte einer angesehenen Weimarer Familie. Sein Vater Levin Karl Christian Kotzebue war sachsen-weimarischer Legationsrat und Geheimer Referendär. Der junge Kotzebue besuchte in Weimar das Gymnasium, das von seinem Onkel Johann Carl August Musäus geleitet wurde. Seit 1777 studierte er in Jena und Duisburg Jura. Nebenher begann er damit, Dramen, Gedichte und Romane zu schreiben. 1781 ging er nach Russland. Durch Vermittlung des Grafen Johann Eustachius von Schlitz, genannt von Görtz, des ehemaligen Erziehers des Prinzen Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach und nunmehrigen preußischen Botschafters am russischen Hof, erhielt er eine Anstellung als Sekretär des Generalgouverneurs in St. Petersburg. Bis 1790 bekleidete er in St. Petersburg und dem zu Russland gehörigen Estland hohe Ämter. 1785 wurde er in den erblichen russischen Adelsstand erhoben.

1790 begab Kotzebue sich nach Mainz, Mannheim und Paris. In diesem Jahr veröffentlichte er unter dem Pseudonym Knigge die obszöne Schmähschrift Doctor Bahrdt gegen Zimmermann. Ein Schauspiel. Diese Schrift enthielt zahlreiche beleidigende Äußerungen über mehrere Autoren, so über Georg Christoph Lichtenberg. Die Schrift ist eine der Ursachen dafür, dass die zeit­genössische Literaturkritik die Dramen Kotzebues generell geringschätzte oder gar als unmoralisch einstufte.

1792 kehrte Kotzebue nach Russland zurück, 1798 lebte er als Theaterdichter in Wien. Im Jahre 1800 wurde er bei der Einreise nach Russland verhaftet und nach Sibirien verbannt, weil man ihn für einen Jakobiner hielt. Zar Paul I. begnadigte ihn jedoch nach vier Monaten und berief ihn zum Direktor des Deutschen Hoftheaters in St. Petersburg.

Nach der Ermordung des Zaren kehrte Kotzebue nach Weimar zurück. Wegen Differenzen mit Goethe wandte er sich nach Berlin. In der Zeitschrift „Der Freimütige“ polemisierte er gegen Goethe und die Brüder Schlegel. 1806 ging er wieder nach Russland, wo er in den Zeitschriften „Die Biene“ (1808-1809) und „Die Grille“ (1811-1812) Napoleon bekämpfte. Seit 1813 war er als russischer Staatsrat und Generalkonsul in Königsberg tätig. 1814/15 veröffentlichte er sein zweibändiges Werk Geschichte des Deutschen Reiches von dessen Ursprüngen bis zu dessen Untergang.

1817 kehrte Kotzebue wiederum nach Weimar zurück. Hier gab er das „Literarische Wochenblatt“ heraus. In dieser Zeitschrift unterstützte er die Restaurationspolitik der deutschen Fürsten und griff die Burschenschaften und die Turnerbewegung an.

Bei der Bücherverbrennung während des Wartburgfestes der Burschenschaften wurde auch Kotzebues Geschichte des Deutschen Reiches symbolisch verbrannt. Goethe gefiel das sehr. Kotzebue hatte etliche der Goetheschen Werke verrissen. So schrieb dieser dann mit sichtlicher Schadenfreude: „Daß du dein eigenes Volk gescholten! / Die Jugend hat es dir vergolten / Aller End‘ her kamen sie zusammen. / Dich haufenweise zu verdammen, / St. Peter freut sich dieser Flammen.“

Kotzebue war ein Schriftsteller von geradezu unglaublicher Produktivität. Er schrieb mehr als 230 Theaterstücke, dazu zahlreiche Romane und Reisebeschreibungen. Es gab im 19. Jahrhundert in ganz Europa keinen zweiten Dramatiker, dessen Stücke auch nur annähernd so oft wie die seinen gespielt wurden. Kotzebue bediente mit großem Geschick die Wünsche des Publikums. Seine Stücke waren rührselig, gleichzeitig spannend und voller Überraschungen. Oft entführten sie das Publikum in ideale ferne Welten.

Kotzebue schrieb nicht nur Dramen und Presseartikel. Für die russische Regierung verfasste er geheime Berichte über die deutsche Literatur und die deutschen Universitäten. Der Jenaer Professor der Geschichte und liberale Mentor der Jenaischen Burschenschaft Heinrich Luden erhielt durch einen Zufall einen dieser Berichte und veröffentlichte ihn in seiner Zeitschrift „Nemesis“.

Für die Jenaer Burschenschafter stand nun fest, dass Kotzebue ein russischer Spion sei. Dieser hatte sich unterdessen in Weimar nicht mehr sicher gefühlt und war nach Mannheim verzogen. Ein fanatischer Jenaer Burschenschafter, der Theologiestudent Carl Ludwig Sand, sah in Kotzebue den Prototyp des Vaterlandsverräters, Apologeten der bestehenden Ordnung und literarischen Verführers der Jugend. Er beschloss, den „Verräter“ zu töten. Um seine Bundesbrüder nicht zu gefährden, trat er formell aus der Jenaischen Burschenschaft aus. Wahrscheinlich hat er niemanden in seinen Plan eingeweiht.

Sand reiste nach Mannheim, suchte Kotzebue am 23. März 1819 in seinem Haus auf und ermordete ihn mit mehreren Dolchstichen. Er unternahm einen Selbstmordversuch und verletzte sich dabei schwer. Der Attentäter wurde im Mannheimer Zuchthaus gesund gepflegt. Am 11. April 1820 verurteilte ihn das Mannheimer Hofgericht zum Tode, am 20. Mai wurde er mit dem Schwert hingerichtet. Das Attentat erregte enormes Aufsehen. Die Mehrzahl der Burschenschafter lehnte zwar die Mordtat ab, fand aber Sands Motive ehrenwert, ja, sah in dem Attentäter einen Helden.

Drei Monate nach der Bluttat Sands, am 1. Juli 1819, versuchte der Apotheker Karl Löning in Schwalbach (Taunus), den nassauischen Regierungspräsidenten Karl Ibell umzubringen. Dieses Attentat schlug jedoch fehl. Viele der Regierenden in den deutschen Staaten ergriff die Furcht, es beginne eine Serie von Terroranschlägen. Man glaubte ernsthaft, eine weitverzweigte Untergrundbewegung bedrohe die bestehende Ordnung.

Dem leitenden Staatsmann Österreichs, Clemens Fürst von Metternich kam der Mordanschlag sehr gelegen. Seinem Vertrauten Friedrich Gentz schrieb er: der „vortreffliche Sand“ habe „auf Kosten des armen Kotzebue“ einen guten Anlass geliefert, gegen die Studentenbewegung vorzugehen. Unter dem maßgeblichen Einfluss Metternichs fassten dann die größeren Staaten des Deutschen Bundes im August 1819 die „Karlsbader Beschlüsse“.

Auf deren Grundlage nahm der Frankfurter Bundestag im September vier Ausnahmegesetze an, das Universitätengesetz, das Pressegesetz, das Untersuchungsgesetz und die vorläufige Exekutionsordnung. Die Burschenschaften wurden verboten, eine Pressezensur wurde eingeführt und eine „Central-Untersuchungs-Commission“ bestellt, die alle „revolutionären Umtriebe und demagogischen Verbindungen“ bekämpfen sollte. Fortan konnte jeder politisch missliebige Professor oder Lehrer entlassen werden. Angehörige der Burschenschaften sollten für keine öffentlichen Ämter zugelassen werden. Es begannen die berüchtigten „Demagogenverfolgungen“.

Lit.: Sabine Lorenz, Kotzebue, August (Friedrich), in: Walter Killy (Hrsg.), Literatur Lexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache, Bd. 6, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh/München 1990, S. 509 f. – Hiltrud Häntzschel, August von Kotzebue, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 12, Duncker & Humblot, Berlin 1980, S. 624 f. – Jörg F. Meyer, Verehrt. Verdammt. Vergessen. August von Kotzebue. Werk und Wirkung, Lang, Frankfurt am Main u. a. 2005. – Hagen Schulze, Sand, Kotzbue und das Blut des Verräters (1819), in: Alexander Demandt (Hrsg.), Das Attentat in der Geschichte, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, S. 256-276.

Bild: Porträt von Friedrich Deurer (1778-1869), Bildarchiv Austria.

Gerd Fesser