Biographie

Krämer, Julius

Herkunft: Galizien u. Bukowina
Beruf: Germanist
* 29. Dezember 1901 in Dornfeld/Galizien
† 28. Mai 1987 in Mainz

In der von Kaiser Josef II. nach der ersten Teilung Polens in Galizien angelegten und mit Pfälzern besiedelten Kolonie Dornfeld wurde Krämer geboren. Zeitlebens war er geprägt von der bäuerlichen Kultur und Mundart seines deutschen Heimatortes im Osten. Gleich anderen Bauernsöhnen begann sein Bildungsweg mit der Absolvierung der deutschen Dorfschule. Danach ging er auf die Lehrer-Präparandie in Alt-Tschau (Preuss. Schlesien) und die Lehrerbildungsanstalt Bielitz. Bis 1925 versah er eine Lehrerstelle in Biala, um nachher ein Studium der Pädagogik, Philologie und Psychologie in Jena, Lemberg und Krakau aufzunehmen.

In seiner Lemberger Magisterarbeit im Jahre 1930 behandelte er die Lautlehre der Mundart seines Heimatdorfes Dornfeld und wurde – nach Erweiterung der Arbeit um den Einfluß des Slawischen auf diese Mundart – 1936 an der Lemberger Universität zum Dr. phil. promoviert. Fortan fesselte ihn „das Wort“ fast 60 Jahre lang, und nach kurzfristigen Unterbrechungen kehrte er immer wieder zu ihm zurück. So erschien zwischen 1930 und 1936 seine Arbeit „Die schwäbischen Mundarten in Galizien“, in der er nachwies, daß in fast allen deutschen Siedlungen nicht schwäbisch, sondern pfälzisch gesprochen wurde. 1936 erwarb er noch den Magisterabschluß in Pädagogik an der Krakauer Universität, um diese Qualifikation bei der in Aussicht genommenen Leitung des Pädagogischen Lyzeums in Bielitz nachweisen zu können, wozu es aber nicht mehr kam, da die polnischen Behörden die Genehmigung versagten.

Nach einer Zwischenstation als Leiter der Städtischen Mittelschule in Bielitz wurde Krämer 1941 Schulrat über vier Aufsichtskreise des damaligen Regierungsbezirks Kattowitz. Ende des Krieges noch zur Wehrmacht eingezogen, geriet er in russische Gefangenschaft. Schließlich – nach vielen Wirren – erhielt er 1952 eine Anstellung im Schuldienst der Pfalz. Dort fand er 1954 wieder Anschluß an seine geliebte Arbeit, die Erforschung der heimatlichen Mundart: „Das Wort“ ging nun wie ein roter Faden durch sein weiteres Leben.

Im August 1954 wurde Krämer mit der Leitung der Arbeiten am „Pfälzischen Wörterbuch“ betraut, das von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz betreut wurde. Die ersten Fragebögen für dieses umfangreiche Forschungsvorhaben waren bereits 1914 an Lehrer in pfälzischen Schulorten versandt worden, danach wurde die Arbeit ab 1925 von Prof. Dr. Ernst Christmann fortgesetzt. Als dessen Nachfolger trug Krämer nun 27 Jahre lang mit nie ermüdendem Interesse an der Sprache die Verantwortung für dieses Projekt. Wörterbücher brauchen einen langen Atem und fordern vom Bearbeiter, sich bescheiden in den Dienst des Werkes zu stellen. Krämer hatte diese Eigenschaften und schuf die ersten drei Bände und Teile des 4. Bandes der auf sechs Bände und ein Beiheft ausgelegten umfangreichen Publikation. Er verfaßte Wortartikel und bereitete diese mit über zweihundert Wort-, Laut- und Formenkarten für die Veröffentlichung vor, wobei die Karten die verwirrende Vielfalt der Wortbelege zusammenfassen.

Um das Ziel einer möglichst vollständigen Erfassung des pfälzischen Wortschatzes zu erreichen, waren ihm die Wortbelege im Kontext sprachlicher Äußerungen des Alltags sowie Redensarten, Sprichwörter, Rätsel und Kinderreime besonders wichtig. Aber Krämer sah auch eine vordringliche Aufgabe darin, das Wortgut der Auslandspfälzer zu sammeln und in das Pfälzische Wörterbuch einzugliedern. Unter den Donau-, Galizien-, Buchenland- und Rußlandpfälzern gewann er zahlreiche Mitarbeiter, die ihm die für die Auslandspfälzer ausgegebenen Fragebögen bearbeiteten und außerdem eigenes Sprachgut beisteuerten. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Spracharchiv stellte er auch 180 Tonbandaufnahmen mit Mundartsprechern der verschiedenen Generationen in 44 Orten der Pfalz sowie 22 Orten der Galizien- und Donaupfälzer zusammen, die ihm wertvolles Wortgut und eine genaue Vorstellung von der Aussprache des Pfälzischen in diesen Gebieten vermittelten.

Neben der Arbeit am Pfälzer Wörterbuch befaßte sich Krämer auch mit verschiedenen Teilfragen der Dialektologie und Volkskunde der deutschen Siedlungen in Galizien, so in seiner Arbeit „Die Mundarten der schwäbisch-alemannischen Siedlungen in Galizien“(1960). Die vorgenannten Tonbandaufnahmen nutzte er 1961 zu einer Darstellung des volkskundlichen Bestands und der Mundart seines Heimatdorfes Dornfeld. Das von ihm erarbeitete Sprachgut fand seinen Niederschlag im 1961 erschienenen Büchlein „Sprichwort-Wohrwort. Ausgewählte Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten der Pfälzer im Ausland“ und in seinem bedeutenden Werk „Unser Sprachschatz. Wörterbuch der galizischen Pfälzer und Schwaben“ (1979). Er sagte damals, er möchte damit seinen Landsleuten ein Stück der durch die Umsiedlung von 1939/40 und dieFlucht 1944 aufgegebenen Heimat wiedergeben. In den „Zeitweisern der Galiziendeutschen“, herausgegeben vom Hilfskomitee der Galiziendeutschen, erschienen aus seiner Feder auch andere Mundartaufsätze, so 1955 „Unsere Muttersprache“, 1958 „Über das slawische Fremdwort in unserer Mundart“, 1959 „Was die Wenkersätze über unsere Mundarten aussagen“,1962 „Die Mundarten der galizischen Schwabensiedlungen“,1963 „Auf den Spuren der Josefsberger Mundart“, 1964 „Einiges über die Brigidauer Mundart“, 1969 „Die Mundart der Hartfelder“, 1971 „Beckersdorf und seine Mundart“ und 1973 „Zusammenstellung alter Mundartwörter aus unseren pfälzischen Siedlungen“, außerdem 1956„Vom Frohsinn und Kurzweil bei uns daheim“.

In dem von ihm als Hauptschriftleiter veröffentlichten Heimatbuch I der Galiziendeutschen „Heimat Galizien“ (1965) publizierte er eine Gesamtdarstellung der Mundarten der Galiziendeutschen nach dem Stand von 1939 („Sprachgebrauch und Mundarten in unseren Siedlungen“), dazu auch „Das slawische Fremdwort in unseren Mundarten“, „Lebensweisheit und Lebenserfahrung in unserem Sprachgut“, „Kinderreime aus unseren Siedlungen“, „Heimatdichtung der Galiziendeutschen“sowie„Hausform und Hofanlage in unseren Siedlungen“.Krämer redigierte auch das im Jahre 1977 erschienene Heimatbuch II der Galiziendeutschen „Aufbruch und Neubeginn“. In diesem berichtet er u.a. „Von der Arbeit am Pfälzischen Wörterbuch“, weiter über seine Erlebnisse Ende 1939/Anfang 1940 als verantwortlicher Ortsbevollmächtigter bei der Umsiedlung von Galiziendeutschen „ins Reich“ und über„Neues Schrifttum der Galiziendeutschen“. Der Bezirksverband Pfalz, die Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur sowie die Heimatorganisationen der Galiziendeutschen und der Amerika-Pfälzer würdigten mehrfach Krämers überragende Verdienste um die pfälzische Mundart und die Bewahrung der Sprachkultur des untergegangenen Auslandspfälzertums. Hochbetagt äußerte er sich einmal so: „Es scheint, als sei ich von einer unsichtbaren Hand geführt worden, die mich im letzten Teil meines Lebens in das Land meiner Vorfahren geführt hat, an eine Aufgabe, wie ich sie mir nie erträumt hätte“. Seinen Kindern schrieb er als Widmung in sein Buch „Unser Sprachschatz“ den Vers: „Mitte des Lebens bist Du mir, / geliebtes Wort, / Forderndes und Lohnendes, / Mahnendes und Tröstendes. / Du geleitest mich hin, / wo es beginnt: / das letzte Schweigen.“

Lit.: W. Anthony Green: Der Dialektologe Julius Krämer. Z. f. Dialektologie und Linguistik XLVIII (1981), S. 333–340 mit einer Auswahl von Krämers Veröffentlichungen, übersetzt publiziert auch in der Pennsylvanisch-deutschen Zeitschrift Historic Schaefferstown Record 16 (1982), S. 14–28. – Ingrid Guentherodt: Ein Mundartwörterbuch als Lebensarbeit und Dokument sozialen Wandels. Z. f. Dialektologie und Linguistik LI (1984), S. 212–221. – Rudolf Mohr: Prof. Dr. Julius Krämer zum 80. Geburtstag. Das heilige Band – Der Galiziendeutsche 38 (1981), Heft 12. – Rudolf Mohr: Prof. Dr. Julius Krämer 29.12.1901–28.05.1987. Das heilige Band – Der Galiziendeutsche 41 (1987), Heft 9.

Bild: Galiziendeutsches Heimatarchiv.

Erich Müller