Biographie

Kramp, Willy

Herkunft: Ostpreußen, Westpreußen
Beruf: Schriftsteller
* 18. Juni 1909 in Mühlhausen/Elsass
† 19. August 1986 in Schwerte

„Es war die Stunde / in der die schlafenden Götter / noch einmal ihr Haupt heben / so schwer von Vergänglichkeit / ihr Auge aufschlagen / ihren Mund auftun/ als hätten sie das Wichtigste zu sagen vergessen“, schrieb Willy Kramp in einem seiner Gedichte. – Und Wichtiges hatte auch Kramp, Dichter und Schriftsteller, seinen Lesern zu sagen. Ihm war es gegeben, mit Worten zu fesseln, den Lesern die Augen für das Gegenüber zu öffnen, Augenblicke zu schildern, „in denen die Tiefe der Welt auf dem Antlitz der Dinge erscheint und sie zum Sprechen bringt. Augenblicke, in denen das Wunder des Daseins uns so stark anrührt, dass wir unser enges Ich loslassen können, um ein größeres, weiteres Selbst ahnungsvoll zu ergreifen … Augenblicke, in denen der plastische Stoff des Menschlichen zu schöpferischem Gestalten einlädt“, wie Willy Kramp 1981 im Vorwort zu seinem Buch Wintermai und Sommerschnee schrieb.

Willy Kramp wurde am 18. Juni 1909 als Sohn eines aus Westpreußen stammenden Eisenbahnbeamten und einer ostpreußischen Mutter im elsässischen Mühlhausen geboren. Nach der Ausweisung aus dem Elsass 1919 zog die Familie ins pommersche Stolp, wo Kramp bis zum Abitur 1928 die Schule besuchte. In Bonn, Berlin und Königsberg studierte er Philologie, Philosophie und Psychologie. Nach der Promotion über Karl Gutzkows RomanWally die Zweiflerin und dem Staatsexamen unterrichtete Kramp an einer privaten Mädchenschule in Königsberg, bis er 1939 als Heerespsychologe einberufen wurde. Erst 1950 wurde er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Der Krieg und vor allem die Gefangenschaft waren es, die den Menschen und später auch das Werk entscheidend geprägt haben.

Von 1950 bis 1954 wirkte Willy Kramp als Leiter des Evangelischen Studienwerkes in Villigst bei Schwerte, wo er bis zu seinem Tod 1986 als freier Schriftsteller mit seiner Frau gelebt hat. In seinen Romanen (Brüder und Knechte, Die Fischer von Lissau) und Essays, aber auch in seinen Gedichten, die er kurz vor seinem Tod noch in Buchform herausgeben konnte (Ich habe gesehen, Quell Verlag, Stuttgart) spricht immer wieder der tiefe Glaube des Dichters.

Für sein literarisches Schaffen wurde Kramp mit zahlreichen Preisen geehrt, so 1966 mit dem Droste-Hülshoff-Preis. 1975 wurde ihm die theologische Ehrendoktorwürde der Kirchlichen Hochschule Berlin verliehen; zehn Jahre später ehrte ihn die Landsmannschaft Ostpreußen mit der Verleihung des Ostpreußischen Kulturpreises für Literatur. In seinen Dankesworten betonte Kramp, wie wichtig es sei, im „gläubigen Realismus“ zu wurzeln. Aus einer solchen Lebenshaltung erwachse etwas sehr Wesentliches: Kultur. „Eine Kultur, die sich nicht nur Wohlstand zum Ziel setzt, sondern geistige Tiefe, Schöpfertum und Menschlichkeit.“

Bereits fünfzig Jahre zuvor hatte Kramp die denkwürdigen Worte niedergeschrieben, die gerade heute besondere Bedeutung haben dürften: „Wo im schlichten täglichen Leben zwischen Mensch und Mensch die Fähigkeit des genauen Hörens erlischt“, so Kramp, „da erlischt zugleich nicht nur die Fähigkeit, Offenbarungen des Menschengeistes in Wort und Schrift voll aufzunehmen, sondern da erlischt endlich auch der Gehorsam gegen den im göttlichen Wort geoffenbarten Willen Gottes.“

Kramp starb am 19. August 1986 nach langer unheilbarer Krankheit, gegen die er 13 Jahre lang unermüdlich versucht hatte zu kämpfen. Im Kampf gegen diese „Geißel der Menschheit“ habe er erfahren, so Kramp in seinem Buch Wintermai und Sommerschnee, „daß es eine Allverbundenheit der menschlichen Seele gibt. Mehr noch: daß das Bewußtsein der Nähe Gottes an keinerlei äußere Bedingungen und Voraussetzungen gebunden sein muß. Man kann den Psalm vom guten Hirten auch in der Hölle beten.“ Worte, die einmal mehr zeigen, wie tief religiös der Schriftsteller in seinem Denken und Schaffen war.

Willy Kramp, der Mensch und Dichter, hat in seinem Leben viele Kämpfe ausfechten müssen. Und doch hat er nicht die Zuversicht, den Glauben verloren, auch darin mag er uns Heutigen ein Vorbild sein. „Schnee kann unversehens auf blühendes Leben fallen“, schrieb er, „kann es mit seinen kaltschimmernden Kristallen zudecken. Aber wo dies geschieht, sollten wir nicht aufhören, uns dessen bewußt zu sein, daß unter dem Kalten und Fremden dennoch die Blüte wartet. Und daß die Sonne sie jederzeit wieder zum Vorschein bringen kann.“

Lit.: Wilhelm Kasch, Dt. Literatur Lexikon, 3. Aufl. Bd. 9, Bern/ München 1984.

Bild: Archiv Das Ostpreußenblatt.