Biographie

Kruse, Georg Richard

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Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftsteller, Komponist
* 17. Januar 1856 in Greiffenberg/Schlesien
† 23. Januar 1944 in Berlin

Der Musikschriftsteller Georg Richard Kruse wurde zwar in meiner Heimatstadt Greiffenberg, einer 4000-Seelen-Gemeinde im niederschlesischen Vorgebirge, geboren, nahm jedoch seine künstlerische Entwicklung und Laufbahn in anderen Orten, Ländern und Kontinenten.

Kruses Vater Georg Kruse (1830 in Neustrelitz geboren, 1908 in Berlin verstorben) war als Verfasser von Lustspielen, Volksstücken und Schauspielen hervorgetreten und hatte 1869 das Thalia-Theater in Breslau begründet. Sein Sohn Georg Richard besuchte das Gymnasium in Görlitz und erlangte früh eine musikalische Ausbildung, die ihn schon 1871 (!) zum Kapellmeister befähigte. Er wirkte als Operndirigent in Trier, Ulm, Detmold, Elberfeld, Leipzig, Berlin, Milwaukee, Chicago und St. Louis. In den Jahren 1883 und 1884 redigierte Kruse die Zeitschrift Das deutsche Theater; 1891 bis 1894 war er Musikkritiker und Korrespondent des Milwaukee Herold und 1894 bis J 896 Unternehmer der „Hänsel-und-Gretel-Operntournee“. 1896 und 1897 wirkte er als Theater-Inspektor und Kapellmeister in Bern, wo er auch Vorlesungen an der dortigen Universität hörte. 1898 war der offensichtlich recht reisefreudige und flexible Kruse in St. Gallen. 1900 übernahm er in Berlin die Redaktion der Deutschen Bühnengenossenschaft, des Vereinsorgans der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger (bis 1909), 1903 die Redaktion der Bühnen- und Musikwerke für Reclams Universal-Bibliothek. 1908 wurde durch ihn die Musikalische Volks-Bibliothek (Bibliothek des Berliner Tonkünstlerverbandes) und die „Gesellschaft zur Erhaltung des Lessing-Hauses in Berlin“ begründet und das „Lessing-Museum“ ins Leben gerufen, dessen Vorstand er übernahm. Ausgedehnte Studienreisen führten Kruse 1905 nach dem Orient und 1909 nach Italien.

Während der Ulmer Amtszeit Kruses stand das dortige Lortzing-Musikfest unter seiner Stabführung. Auch die Errichtung des im Jahre 1906 enthüllten Lortzingdenkmals in Berlin ging auf seine Initiative zurück, wie er sich überhaupt dem Komponisten Albert Lortzing (1801-1851) sehr verbunden fühlte, dessen Biographie er 1899 publizierte und dessen Gesammelte Briefe er 1901 herausgab (Albert Lortzing: Gesammelte Briefe, 2. Auflg., um 82 Briefe vermehrt, 1913, Gustav Bosse Regensburg, 302 S.). Im Vorwort zu diesem Werk schreibt Kruse: „Im übrigen kann es nicht wundernehmen, daß, wer hohle Aufgeblasenheit und Geckerei auf der Bühne so treffend zu geißeln verstand, wie es Lortzing in seinen Opernfiguren tat, auch im Leben einen geübten Blick für die Torheiten seiner Mitmenschen hatte und sie mit Witz und Satire zu treffen wußte. Aber nur wenn er – gegen das Ende hin – sich selbst ironisierte und die eigene Not der Gegenstand seines Scherzes wird, gewahren wir einen bitteren Zug um den Spöttermund.“

Auch über den Opernkomponisten Otto Nicolai (1810-1849) verfaßte Kruse eine Biographie (1910) und gab dessen Musikalische Aufsätze 1913 „… zum erstenmale…“ heraus (Deutsche Musikbücherei, Band 10, Gustav Bosse-Verlag Regensburg, 144 S.). In seiner Einleitung bemerkt Kruse: „Die Würdigung des Tondichters Otto Nicolai ist heute eine allgemeine und ungeteilte, wenn sie sich auch bisher nur auf ein Werk, seine Meisteroper „Die lustigen Weiber von Windsor“ stützte… Es würde aber … unvollständig sein, wenn man nicht auch der literarischen Leistungen des vielseitig begabten Meisters gedächte, der nicht nur ausgezeichnete Briefe zu schreiben verstand, sondern auch in Zeitungspolemiken bei Angriff und Abwehr mit scharfen Hieben zur Hand war …“ Interessant, daß Nicolai für seine Vermischten Aufsätze auch das alte Lied Ännchen von Tharau auswählte und den originalen samländischen Dialekttext von Simon Dach (1605-1659) der Herderschen hochdeutschen Übersetzung gegenüberstellte (Johann Gottfried Herder: Volkslieder nebst untermischten anderen Stücken, Leipzig 1778).

Arno Lubos (1928 in Beuthen/O.S. geboren) reiht Kruse in seiner dreibändigenGeschichte der Literatur Schlesiens (Bd. II) in die „Nachromantische und nachrealistische Literatur“ ein. Unter dem Abschnitt „Humoreske und Komödie“ führt er die beiden Kruseschen Lustspiele Die Herdosen (1889) und Sie ist stumm (1894) an und vermerkt über diese literarische Epoche generell: „So dunkel scheinen die Zeiten … nicht gewesen zu sein; denn befragt man die Literatur, so wird durchaus der Eindruck erweckt, daß jene Jahrzehnte um die Jahrhundertwende die heitersten seit eh und je gewesen seien … An humoristischer Prosa hat es in Schlesien nicht gefehlt…“

Dazu hat gewiß auch Georg Richard Kruse mit seinen eigenen Kompositionen, Lustspielen, Parodien und Operetten-Librettos beigetragen, der – überblickt man sein vielseitiges und umfängliches Oeuvre – wohl zu den vielen Künstlern und Literaten gehört, die zu Unrecht der völligen Vergessenheit anheimgefallen sind. Jedenfalls erinnerte auch in seiner Geburtsstadt Greiffenberg nichts mehr an ihn und sein verdienstvolles Wirken.

Weitere Werke: Anneken vom Mönchgut (Lustspiel, 1904). – Die lustige Salome (Parodie, 1905). – Der Klarinettenmacher (Oper, 1910). – Die Jungfernstadt (Operette, dtsch. bearb., 1911).

Lit.: Franz Brummer: Lexikon der deutschen Dichter des 19. Jh., 6. Auflg. Leipzig 1913, Bd. 4. – Heimatbuch des Kreises Löwenberg in Schlesien, 3. Auflg., Bückeburg/Hannover 1959. – Arno Lubos: Geschichte der Literatur Schlesiens, Bd. II, München 1967.