Biographie

Kudlich, Hans

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Revolutionär, Politiker, Arzt
* 25. Oktober 1823 in Lobenstein/ Österr. Schlesien
† 10. November 1917 in Hoboken/ New Jersey/ USA

Hans Kudlich wurde als neuntes von elf Kindern des Bauern Johann Kudlich (1785-1855), der Frondienste zu leisten hatte, in Lobenstein bei Troppau im österreichischen Kronland Schlesien (heute Mähren) geboren. Er besuchte von 1834 bis 1842 das Staatsgymnasium in Troppau (1630 als Jesuitengymnasium gegründet), wo der spätere Vererbungsforscher Gregor Mendel (1822-1884) sein Mitschüler war, und studierte in Wien 1842/48 zunächst Philosophie, dann Rechtswissenschaften.

Während der Revolutionskämpfe in Wien 1848/49 wurde Hans Kudlich bei einer Demonstration vor dem Niederösterreichischen Landhaus am 13. März 1848 durch einen Bajonettstich verwundet. Zunächst blieb er in Wien und schloss sich der Akademischen Legion an, die aus Studenten bestand und 6.000 Mann umfasste. Im Mai 1848 ging er zurück in sein Heimatdorf Lobenstein, um seine Verwundung auszukurieren. Dort wurde er als Kandidat für den Österreichischen Reichstag aufgestellt. Am 24. Juni wurde er im Alter von 24 Jahren zum Reichstagsabgeordneten gewählt, dessen jüngstes Mitglied er war. Vier Wochen später, am 24. Juli 1848, stellte er einen Antrag zur Aufhebung der Leibeigenschaft der Bauern im Habsburger Reich, der ihm den Ehrentitel „Bauernbefreier“ einbrachte. Der Antrag wurde, leicht abgewandelt, vom Reichs­tag beschlossen und am 7. September 1848 in Kraft gesetzt. Am 4. März 1849 wurde durch Patent von Kaiser Franz Joseph I. (1830-1916) die Durchführung des Bauernbefreiungsgesetzes in die Wege geleitet.

Inzwischen wurde Hans Kudlich als Unruhestifter gesucht, weshalb er in die preußische Provinz Schlesien floh und von dort zu seinem Bruder Hermann Kudlich (1809-1886) nach Frankfurt/ Main, der als Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung im Paulskirchenparlament saß. Schließlich schloss er sich dem Pfälzischen Aufstand vom Mai/Juni 1849 an, der bis zum 19. Juni 1849 von preußischen Truppen niedergeschlagen wurde. Hans Kudlich, der der Revolutionsregierung in der Rheinpfalz, dem „linksrheinischen Bayern“, angehört hatte, floh über Donaueschingen und Freiburg/ Breisgau in die Schweiz, wo er in der Hauptstadt Bern Zuflucht im Haus des Medizinprofessors Philipp Friedrich Wilhelm Vogt (1789-1861) fand. In Bern und Zürich studierte er 1849/53 Medizin und bestand im März 1853 das Doktorexamen. Danach heiratete er Vogts Tochter Luise.

Wegen seiner aktiven Teilnahme am Wiener Oktoberaufstand 1848 und am Pfälzischen Aufstand 1849 wurde er 1851 und 1854 zum Tode verurteilt, weshalb er in die Vereinigten Staaten auswanderte und in Hoboken/ New Jersey eine Arztpraxis eröffnete. Nachdem er von Kaiser Franz Joseph 1867 begnadigt und die Reststrafe aufgehoben worden war, besuchte er mit Frau Luise und den neun Kindern mehrmals die alte Heimat in Mähren. Nachdem er mit 94 Jahren in Hoboken gestorben war, wurde seine Urne 1925 in der Urnenhalle der Hans-Kudlich-Warte in Lobenstein beigesetzt.

Werke: Rückblicke und Erinnerungen des 1848er Bauernbefreiers, drei Bände, Kulmbach 2017.

Lit.: Walter Seifert, Der Bauernbefreier Hans Kudlich, Grettstadt bei Schweinfurt 1954. – Friedrich Prinz, Studien zur Gestalt Hans Kudlich, in: Zeitschrift für Ostforschung, Heft 2/1959, S. 260-284. – Friedrich Prinz, Hans Kudlich und seine Zeit, München 1962. – Friedrich Prinz, Kudlich, Hans, in: Neue Deutsche Biographie, Band 13, Berlin 1982. – Robert Hausmann, Hans Kudlich (1823-1917) und die Folgen der Revolution von 1848, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Steiermark, 100/2009, S. 9-27.

Bild: Hans Kudlich, Lithographie von Eduard Kaiser, 1848.

Jörg Bernhard Bilke