Biographie

Lange, Henry

Herkunft: Pommern
Beruf: Kartograph
* 13. April 1821 in Stettin/Pommern
† 30. August 1893 in Berlin

Unter dem Namen Henry Lange ist Karl Julius Heinrich Lange in die Geschichte der wissenschaftlichen Kartographie eingegangen. Sein Vater, ein aus Berlin stammender Geheimer Justiz- und Oberlandesgerichtsrat, hatte ihn in seiner frühen Neigung zu den Naturwissenschaften, hier besonders zur Geographie, unterstützt und gefördert. Das 19. Jahrhundert war die Zeit eines Alexander von Humboldt und eines Carl Ritter, des Begründers der allgemein vergleichenden Erdkunde, die Zeit detailliert beschriebener Forschungsreisen und der Entstehung volkstümlicher Atlanten. Die Geographie wurde gleichberechtigt neben die klassischen Fächer gestellt. Statt ein Fachstudium zu absolvieren, ging Henry Lange zur kartographischen Ausbildung auf die Geographische Kunstschule Heinrich Berghaus‘ in Potsdam. Berghaus und seine Schule waren damals in der Bearbeitung von Atlanten in Europa führend. Als der Königliche Geograph Dr. Johnston in Edinburgh Mitarbeiter für seinen „Physical Atlas" für England suchte, wandte er sich nach Potsdam. Berghaus empfahl ihm seine Schüler Henry Lange und August Petermann, die so nach Schottland kamen. 1848 wurde der von den beiden Deutschen für das englische Schrifttum bearbeitete Physikalische Atlas publiziert. Danach kehrte Henry Lange nach Preußen zurück. An der Universität Berlin belegte er bei Carl Ritter eine Vorlesung über die „Vergleichende allgemeine Erdkunde – die Erdkunde im Verhältnis zur Natur und zur Geschichte des Menschen". In dieser Zeit ergänzte er als freischaffender Kartograph die Werke bedeutender Forscher durch Kartenbeilagen, unter anderem zeichnete er Karten zu den 1854 erscheinenden Neuen Untersuchungen über die physikalische Geographie und Geologie der Alpen und für die Hypsometrische Skizze des Vulkans von Pinchincha von Alexander von Humboldt. Langes großartige kartographische Arbeiten, die sich durch eine exakte Ausführung und präzise Angaben auszeichneten, wurden von den Textautoren gelobt und trugen wesentlich zum Erfolg der betreffenden Werke bei.

Nach seiner Heirat mit Pauline Meyer im Jahre 1855 trat Lange eine Stellung bei F. A. Brockhaus in Leipzig an, wo er eine Geographische Anstalt aufbaute und bis 1860 leitete. Höhepunkt seines dortigen Schaffens wurde der Atlas von Sachsen, ein geographisch-physikalisch-statistisches Gemälde mit 12 Karten, unter anderem einer hydrographischen, einer orographischen und einer geognostischen Karte, ferner solchen zu den Bevölkerungsverhälnissen und zur Landeseinteilung sowie einer Gerichts-, einer Industrie-, einer Religions- und einer Waldkarte. Zudem bearbeitete Henry Lange bei Georg Westermann in Braunschweig Schulatlanten. Diese Arbeit lag ihm besonders am Herzen, wußte er doch um das Interesse, das schon in den ersten Schuljahren für die Geographie geweckt werden konnte. 1853 kam der Schul-Atlas zum Unterrichte in der Erdkunde mit 29 Karten heraus, der es in 40 Jahren auf 90 Auflagen brachte. Langes Kleiner Schulatlas über alle Theile der Erdeerschien 1862, konnte aber infolge eines zu aufwendigen Kupferhanddrucks nicht gut abgesetzt werden. Dafür hatte Henry Lange mit seinem 1871 erschienenen Neuen Volksschulatlas über alle Theile der Erde mit 32 Karten großen Erfolg. Dieses Werk wurde auch in Sonderausgaben für Österreich, Ungarn und Dänemark gedruckt und in die portugiesische, spanische und russische Sprache übersetzt. Durch ein besonderes, neu entwickeltes Druckverfahren konnte dieser Atlas kostengünstig hergestellt werden. Lange hatte die Freude und Genugtuung, 1892 noch die 225. Auflage dieses Werkes zu erleben. Henry Lange arbeitete von 1860 bis 1868 als freischaffender Schriftsteller in Leipzig und veröffentlichte in dieser Zeit Lebensbilder von Geographen und Forschungsreisenden. Auf seine Initiative hin erfolgte 1861 die Gründung des Leipziger Vereins für Erdkunde und der Carl-Ritter-Stiftung in Leipzig. Im Oktober 1868 siedelte Henry Lange nach Berlin über und übernahm 1871 im „Preußischen Statistischen Bureau" die Leitung der Plankammer. Beachtenswert ist, daß nicht sein Hauptwerk, der sächsische Fachatlas, sondern der 1871 erschienene Schulatlas dem Kartographen Lange große Anerkennung und eine Reihe von Auszeichnungen einbrachte. Bereits 1857 war ihm von der Universität Jena der Dr. h. c. verliehen worden; der König von Sachsen ehrte ihn durch zwei wertvolle Brillantringe; der König von Preußen und der Kaiser von Österreich verliehen ihm die „Große Goldene Preismedaille für Kunst und Wissenschaft“ und die Geographische Gesellschaft in Wien, Paris und Darmstadt ernannte ihn zum korrespondierenden Mitglied. Nach einem Schreiben des Geheimen Zivilkabinetts vom 23. Juli 1875 hat der Deutsche Kaiser „das ihm überreichte Exemplar in überaus gnädiger Weise entgegenzunehmen und dem Verfasser unter Bezeigung verbindlichen Dankes allerhöchst sein photographisches Bildnis mit eigenhändiger Unterschrift zu verleihen, auch die Verbreitung des Atlas selbst bei dem Herrn Minister für geistliche Angelegenheiten anzuregen geruht". Daraufhin wurde vom Minister der Atlas den preußischen Bezirksbehörden anempfohlen. Endlich verlieh der Kaiser als preußischer König Lange den Roten Adlerorden 4. Klasse und ernannte ihn zum Professor (Patent v. 20.12.1884).

Für Pommern ist es interessant und wichtig, daß der gebürtige Stettiner sich für vor allem aus Pommern stammende deutsche Einwanderer in Südbrasilien einsetzte und deren Schicksal mit Arbeiten und Karten begleitete, die er 1882 unter dem Titel Südbrasilien. Die Provinzen Sao Pedro do Rio Grande do Sul, Santa Catharina und Paraná mit Rücksicht auf die deutsche Kolonisationherausgab. Eine Gesamtkarte von Südbrasilien entstand 1885 mit Angaben zur Ansiedlung der nach Brasilien ausgewanderten Lutheraner aus Hinterpommern. Durch die Verleihung des Offiziers-Kreuzes des Kaiserlich Brasilianischen Rosenordens wurden seine Bemühungen um die Deutschen auch in Brasilien anerkannt. 1891 wurde Henry Lange auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt, unter Verleihung des Kronenordens 3. Klasse. Zwei Jahre später starb er in Berlin. Die Feuerbestattung fand in Gotha statt, wo er in der Urnenhalle beigesetzt wurde.

Lit.: Neue Deutsche Biographie Bd. 13 (1982), S. 241. – Pommern des 18., 19. u. 20. Jahrhunderts, 3. Bd., hrsg. v. Adolf Hofmeister und Wilhelm Braun, Stettin 1939.