Biographie

Lange, Horst

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Lyriker, Schriftsteller
* 6. Oktober 1904 in Liegnitz/Schlesien
† 6. Juni 1971 in München

„Wo sind wir denn. zu Hause?“, diesen Titel trägt eine Erzählung von Horst Lange in seinem Buch „Am kimmerischen Strand“ und er fragt darin weiter: „Bin ich in meinen Träumen zu Hause, in meinen Hoffnungen, in meinen Enttäuschungen? Oder werde ich, da mir das Leben so oft seine Unzuläng­lichkeiten dartut, in meinem Tode zu Hause sein? Daran, daß ich im Willen und in den Fügungen Gottes, mit dem er mein Dasein gelenkt hat, zu Hause sein könnte, wage ich nicht zu denken …“ Er fühlt sich zwischen Osten und Westen und bekennt: „Der Westen wiederum lag für unsereinen durch eine Verschiebung der politischen Windrose nicht dort, wo Preußen begann, sondern im Süden, jenseits der Sudeten, woher vor der Annektion alles gekommen war, was das Wesen des Landes und seiner Bewohner geformt hatte; Prag und Wien gehören für den Schlesier zum Westen, ja, sie markieren das Westliche auf eine bedeutende Art.“

Horst Lange wurde am 6. Oktober 1904 in Liegnitz geboren. In dem großen Bruch- und Sumpfgebiet am Rande der Stadt wuchs er heran. Hier mag er entscheidende Eindrücke für seine späteren Arbeiten in sich aufgenommen haben. An der Oberrealschule in Liegnitz legte er 1925 sein Abitur ab. Eigentlich wollte er Maler werden. Er besuchte das Weimarer Bauhaus und nahm aber bald an den Universitäten in Berlin und Breslau das Studium der Germanistik, der Kunst- und Theatergeschichte sowie der Philosophie auf. Auch diese Laufbahn brach er ab, um sich ab 1931 in Berlin als freier Schriftsteller zu versuchen. Lange gehörte dem Kreis der Literarischen Zeitschrift „DIE KOLONNE“ an und schrieb vor allem für die „Vossische Zeitung“, die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ und das „Berliner Tagblatt“. Durch die Lyrik Heyms, Trakls und Benns fand er früh zum Expressionismus. In ihm verbindet sich aber das Denken, wie es etwa dem schlesischen Barockdichter Johann Christian Günther zu eigen war, mit dem der Moderne zu einer Synthese. 1932 erhält er den Lyrikpreis der „KOLONNE“. Seine heimatliche Welt an der Oder gestaltet er in seiner ersten Erzählung „Die Gepeinigten“ (1933) und man kann sie das Präludium zu einem seiner wichtigsten Werke ansehen: „Schwarze Weide“ (1937). Zum Schauplatz wird darin die versumpfte Hügellandschaft jenseits der Oder, in der sich ein dämonisches Geschehen abspielt. Ein ungeklärter Mord und eine Sühne für eine eigenartige Liebe offenbaren Tiefen und Abgründe der Seele. Die sich aufdrängenden Mächte der Natur werden auch in den Erzählungen „Auf dem östlichen Ufer“ (1939) und „Das Irrlicht“ (1942) spürbar. 1940 erschien sein zweiter Roman „Ulanenpatrouille“ – Die Geschichte einer Liebe. Bei einem herbstlichen Mannöverritt begegnet der Leutnant Friedrich von G. noch einmal der Gräfin Bronislawa, deren Zauber er sich nie entziehen konnte, und statt einen Befehl auszuführen, gibt er sich diesem Abenteuer hin, ehe er gelassen in den Tod reitet. Im Laufe der Jahre erscheinen weitere Erzählungen in den Bänden „Die Leuchtkugeln“ (1944) und „Windsbraut“ (1947).

Verheiratet war Horst Lange seit 1933 mit der ebenfalls bekannt gewordenen Schriftstellerin Oda Schäfer. Zum Kriegsdienst wurde er 1940 einberufen und im Winter 1941 erlitt er vor Moskau schwere Verwundungen. Später lähmte vor allem die Kopfverletzung seine Arbeitskraft. Nach dem Verlust der Heimat im Jahre 1945 lebte er zunächst in Mittenwald/Obb., danach ab 1952 in München. Bereits 1946 wurde der Dichter Präsident der „Münchner Kulturliga“, später des deutschen PEN-Clubs der Bundesrepublik, der Akademie für Wissenschaft und Literatur. 1956 erhielt Lange den Literaturpreis der Deutschen Industrie, 1963 den Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und 1960 den Ostdeutschen Literaturpreis der Künstlergilde Esslingen.

„Der Traum von Wassilowka“ (1946) war das erste deutsche Kriegsschauspiel nach 1945. Im gleichen Jahr kam das Einpersonenstück „Die Frau, die sich Helena wähnte“ heraus. Der Roman „Ein Schwert zwischen uns“ (1952) spiegelt die Hoffnungslosigkeit der Liebe in der fragwürdigen Nachkriegszeit. Der Roman „Verlöschendes Feuer“ (1956) hat die Liebe einer Studentin zu einem Verwundeten zum Thema. „Gedichte aus zwanzig Jahren“ erschienen 1949 und ein weiterer Gedichtband „Aus dumpfen Fluten kam der Gesang“ wurde 1958 veröffentlicht. Sie haben „den Atem echter Visionen … und sind mitunter von einer ziehenden, hypnotischen Gewalt erfüllt, von einem herben Dunkel“ sagte Karl Krolow zu diesen Gedichten.

Wie bekannte Horst Lange sich zu seiner Aufgabe als Schriftsteller: „Wenn man, gleich mir, der Meinung sein sollte, daß die Dichtung bei uns heute vor allem eine ethische und moralische Aufgabe zu erfüllen hat, sowirdman es nicht als eine Übertreibung hinnehmen, daß ich behaupte, es sei noch nie so sehr wie in diesem Augenblick auf jedes Wort angekommen, das in unserer Sprache geschrieben wird.“

Als bedeutsamstes literarisches Ereignis der jüngeren schlesischen Literatur wird sein Roman „Schwarze Weide“ gewertet, und Werner Bergengruen spricht davon, daß man nur wenige Bücher der letzten Jahre an seine Seite stellen könnte. Und Grenzmann führt aus: „Die Erzählungen von Horst Lange verweilen im Grenzland zwischen Wachen und Traum; er ist einer der bedeutendsten Gestalter der seelischen Zwischenschichten.“

Vor seinem jähen Tod am 6. Juli 1971 äußerte sich seine Gattin Oda Schäfer einmal so über ihn: „Horst Lange, der Mensch, hatte einen Wahlspruch, den er gern zitierte: er meinte, es käme immer darauf an, wo es auch sei, jemanden ,aus der Feuerlinie‘ zu holen. Er trauerte seinen Kameraden nach, die alle gefallen waren bei Stalingrad, bis auf zwei außer ihm; er konnte die Leidenden des Krieges nicht vergessen, denn er besaß die Fähigkeit zu trauern.“

Lit.: Ernst Lange: Schwarze Weide. Roman. Hamburg 1979 (Erstausgabe Goverts 1937). – Ders.: Tagebücher aus dem Zweiten Weltkrieg,  hrsg. von kommentiert von H. D. Schäfer. Mainz (1979) (= Die Mainzer Reihe Band 46), darin: S. 261 ff. O. Schäfer, Ernst Lange. Ein Lebensbild; S. 291 ff. H.D. Schäfer, Horst Langes Tagebücher (eine profunde Würdigung mit weiteren Literaturverweisen). – Oda Schäfer: Die leuchtenden Feste über der Trauer. München 1977. – Arno Lubos: Geschichte der Literatur Schlesiens. III. Band. München – Eintrag: Horst Lange, in: KLG 1988.

Bild: Privatarchiv des Autors

Konrad Werner