Biographie

Lappe, Christian Theodor

Herkunft: Ostbrandenburg
Beruf: homöopathischer Apotheker, Naturforscher
* 28. Februar 1802 in Neusalz/Oder
† 12. August 1882 in Neudietendorf/Thüringen

Christian Theodor Lappe wurde 1802 in der Herrnhuter Brüdergemeine Neusalz a.d. Oder geboren. Sein Vater besaß dort von 1803 bis 1823 die Adler-Apotheke. Zur Ausbildung sandte er 1818 seinen Sohn nach Groß-Glogau in die Lehre bei dem Hofapotheker Meißner. Dort blieb Christian Theodor auch nach erfolgreichem Abschluß seiner Lehrzeit noch als Gehilfe tätig. 1821, 1824 und 1825 unternahm der naturwissenschaftlich Interessierte botanische und mineralogische Exkursionen in Schlesien, Böhmen und Österreich. Schließlich ging er zum Pharmaziestudium nach Berlin, wo er 1827 sein Staatsexamen ablegte. Nach einjähriger Tätigkeit in der Apotheke der Herrnhuter in Ebersdorf/Th. erhielt er einen Ruf in die Brüdergemeine Neudietendorf, das damals zu Sachsen-Coburg-Gotha gehörte.

Bereits am 12. März 1772 hatte Herzog Ernst eine Konzession erteilt, „zu gedachtem Neudietendorf ein corpus Pharmazeuticum von guten und frischen Materialien“ anzulegen. Der erste Apotheker war Gottlieb List. Ihm folgte 1782 Daniel Thrän. Sein Sohn Heinrich Gottlieb, geb. 25. September 1788, erlernte die Pharmazie in der väterlichen Apotheke, in die er zur Unterstützung des alternden Vaters nach einer Tätigkeit in der Brüdergemeine Neuwied/Rh. im Jahre 1814 zurückkehrte. Hier erkrankte er lebensgefährlich und wurde von den Ärzten bereits aufgegeben. In dieser Situation suchte er Hilfe bei der aufkommenden Homöopathie und konnte geheilt werden. Diese Erfahrung veranlaßte ihn, sich intensiv mit der neuen Lehre Samuel Hahnemanns (1755–1843) zu beschäftigen. Er nahm Verbindung mit den homöopathischen Ärzten Johann Ernst Stapf (1788–1860) in Naumburg, Dr. W.E. Wiscilenus (1797–1864) in Eisenach und Dr. Fitzler in Ilmenau auf und stellte nun selbst homöopathische Arzneimittel her. Thrän kommt das Verdienst zu, der erste deutsche Apotheker gewesen zu sein, der sich mit der Homöopathie befaßte und auch homöopathische Arzneien in größerem Umfang herstellte und in alle Teile Deutschlands, nach der Schweiz, Italien, Österreich, Ungarn, ja sogar nach Nord- und Südamerika versandte. Er verstarb am 8. Dezember 1827 in Neudietendorf.

Am 19. November 1828 übernahm Christian Theodor Lappe als Administrator die im Besitz der Brüdergemeine befindliche Apotheke und knüpfte an die Tradition Thräns an. Lappe genoß in besonderer Weise das Vertrauen Hahnemanns. Er war der erste Apotheker, von dem sich der Begründer der neuen Heilmethode mit homöopathischen Arzneien versorgen ließ. Von ihm bezog er nicht nur Urtinkturen und Verreibungen, er konnte den naturwissenschaftlich geschulten Apotheker auch für die Erprobung neuer homöopathischer Arzneien gewinnen. Hahnemann empfahl den Neudietendorfer Apotheker in seinem Schülerkreis und bei seinen Patienten. Das tat 1832 öffentlich auch der homöopathische Arzt Ludwig Grießelich (1804–1848) in den „Skizzen aus der Mappe eines reisenden Homöopathen“. Er bescheinigte dort dem Apotheker Lappe, daß er „nach den Vorschriften der Homöopathie gewissenhaft verfahre und gesteht offen, daß ihn schon das anspruchslose Wesen des Hr. Lappe von seiner reellen Handlungsweise überzeugte. Es dürfte sich daher auf die von ihm bereiteten homöopathischen Medicamente zu verlassen sein.“ Mit seinen homöopathischen Apotheken fand Lappe bei Ärzten und Laien wachsendes Vertrauen und großes Ansehen, so daß sich auch sein Kundenkreis sehr bald über ganz Deutschland und darüber hinaus erstreckte. Durch die internationalen Verbindungen der Herrnhuter gelangten die Lappe’schen Arzneimittel vom Baltikum bis in die Missionsgebiete in Südamerika (Surinam). Die engen Beziehungen zu dem in Paramaribo wirkenden Naturforscher und Arzt Constantin Hering (1800–1880) führten dazu, daß Lappe auch von ihm zur Aufbereitung neuer homöopathischer Arzneimittel (z.B. des Schlangengiftes Lachesis) herangezogen wurde. Die Verbindung blieb erhalten, als Hering sich in Amerika niederließ und durch seine Wirksamkeit dort zum „Vater der Homöopathie in Amerika“ wurde.

Bereits 1831 nahm Lappe an Sitzungen des 1829 gegründeten Vereins für homöopathische Heilkunst – einem Vorläufer des Centralvereins – teil. Er gehörte schließlich auch zu den wenigen Apothekern, die Mitglied im „Centralverein homöopathischer Aerzte Deutschlands“ waren.

1847 wurde die Apotheke privatisiert und von der Brüdergemeine nach zähen Verhandlungen an Lappe förmlich verkauft. Er führte seine Apotheke noch bis in das Jahr 1876.

Bereits 1828 hatte Lappe der Apotheke einen kleinen Fabrikationsbetrieb für aromatische Essenzen angegliedert. Das Rezept erhielt er von einem zur Herrnhuter Brüdergemeine gelangten Schweizer, Favre. Lappe kreierte damit einen Markenartikel, der bis in unsere Tage Bestand hat. „Neudietendorfer Aromatique“ erfreut sich auch heute noch großer Beliebtheit.

Seine naturkundlichen Interessen verfolgte Lappe auch in Neudietendorf. Zahlreiche Entdeckungen und einmalige Funde auf dem Gebiet der Paläontologie waren der Lohn seiner Forschungen; so der bedeutende Fund des Mastodonsaurus-Schädels (Riesenlurch) von Molsdorf. Das Museum für Naturkunde in Berlin verfügt über Bruchstücke eines Mastodonsaurus mit der Ortsangabe „Muschelkalk Neudietendorf“ sowie „Dolomit bei Neudietendorf“ von Lappe. Weitere Fundstücke finden sich in den Sammlungen der Universität und der Geologischen Landesanstalt Berlin. Zwischen 1852 und 1861 lassen sich Fossilienankäufe des Naturkundemuseums in Gotha nachweisen. Seine 25.000 Exemplare umfassende Conchyliensammlung von 3.500 Arten bildet noch heute einen wesentlichen Bestand im Fundus dieses Museums. Der Ankauf dieser Sammlung, zu der sieben alphabetisch geordnete Kataloge gehören, erfolgte vier Jahre nach dem Ableben des unermüdlichen Sammlers im Jahre 1886. Sein Nachlaß kam an die Universität Jena. Lappe nutzte als Mitglied der Brüdergemeine deren weltweite Beziehungen, um durch Angehörige Herrnhuter Niederlassungen in Afrika und auch in Grönland seine Sammlungen zu vervollständigen. In Anerkennung seiner Verdienste wurde Theodor Lappeam 20. April 1859 in die „Königliche Akademie der gemeinnützigen Wissenschaften zu Erfurt“ aufgenommen, 1879 verlieh ihm der Herzog das Ritterkreuz 2. Klasse des Herzoglich-Sächsischen Hausordens.

Christian Theodor Lappe starb im achtzigsten Lebensjahr am 12. August 1882 in Neudietendorf.

Lit.: Guntram Philipp: Herrnhuter Apotheker.Pioniere homöopathischer Arzneimittelherstellung (im Druck). – Horst Benneckenstein: Ein Ort wird geboren, in: Neudietendorf. Hg. v. d. Gemeinde Neudietendorf, Neudietendorf21999, S. 65–112. – Ders.: 228 Jahre Neudietendorfer Apotheken- und Ärztegeschichte, 1. Teil, Neudietendorf 1999. – Michael Michalak: Das homöopathische Arzneimittel. Von den Anfängen zur industriellen Fertigung, Stuttgart 1991 (Heidelberger Schriften zur Pharmazie- und Naturwissenschaftsgeschichte; 5), S. 152f. – Gabriele Huhle-Kreutzer: Die Entwicklung arzneilicher Produktionsstätten aus Apothekerlaboratorien, Marburg (Diss.) 1987, S. 340. – Dies.: Die Entwicklung arzneilicher Produktionsstätten aus Apothekenlaboratorien. Dargestellt an ausgewählten Beispielen, Stuttgart 1989 (Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie; 51), S. 358. – Wolfgang Hagen Hein u. Holm-Dietmar Schwarz: Deutsche Apotheker-Biographie (Bd. 2: M–Z), Stuttgart 1978, S. 677 (Ergänzungsband Stuttgart 1986, S. 268f.). – H. D. Schwarz: Christian Theodor Lappe, in: Pharmaz. Ztg. 122 (1977), S. 338. – Friedrich Traugott Kützing. 1807–1893. Aufzeichnungen und Erinnerungen, hg. von R. H. Walther Müller und Rudolph Zaunick, Leipzig 1960 (Lebensdarstellungen deutscher Naturforscher; 8), S. 244 u. 286. – Richard Haehl: Samuel Hahnemann. Sein Leben und Schaffen, 2 Bde., Ulm 1922, Bd. 1, S. 185, Bd. 2, S. 216. – Neuer Nekrolog der Deutschen. 5. Jg., 1827. Zweiter Theil, Ilmenau 1829, Nr. 394: Heinrich Gottlieb Thrän, Apotheker zu Neudietendorf bei Gotha, geb. d. 25.Sept. 1788, gest. d. 8.Dec. 1827, S. 1037–1039.

Werke: Einige Versuche über die chemische Beschaffenheit des Causticum. VonApotheker C. T. Lappe zu Neudietendorf, in: Archiv für homöopathische Heilkunst, Bd. XIX, 2 (1841), S.10–17. – Conchilien, welche bisher im Umkreis von Neudietendorf im Herzogtum Gotha und den angrenzenden Ländern Thüringens, besonders auf der nordwestlichen Hälfte des Thüringer Waldes gefunden wurden, in: Nachrichtenblatt d. Malakozool. Ges. 1871, S. 103–106.

Bild: Richard Haehl: Samuel Hahnemann. Sein Leben und Schaffen, Ulm 1922, Bd. 1, S. 185.

Guntram Philipp