Biographie

Leppa, Karl Franz

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Lyriker, Schriftsteller
* 28. Januar 1893 in Budweis/Böhmen
† 13. August 1986 in Weißenburg/Bayern

Er war einer der bedeutendsten Lyriker, Erzähler, Herausgeber und Kulturmittler der deutschsprachigen Bevölkerung Süd­böh­mens. In Zeiten „sprachlicher Desintegration und Radikalisierung“ in der Österreichischen Monarchie, der Ersten Tschechoslowakischen Republik, mit „Umorientierung von Wien nach Berlin“ (so Peter Becher/ Stefan Höhne/ Jörg Krappmann/ Manfred Weinberg [Hrsg.], Handbuch der deutschen Literatur Prags und der Böhmischen Länder, 2017, S. 60) im Protektorat und nach der Vertreibung, erreichten seine Werke Auflagenzahlen bis über 50.000, nach 1946 bis 5.000.

Karl Franz Leppa studierte Germanistik und Romanistik ein Jahr in Prag, u.a. bei W. Toischer (Volksliedsammler) und bei A. Sauer (Herausgeber der ersten Stifter-Gesamtausgabe und Gründer der Gesellschaft deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen). Es folgten drei Jahre Studium in Wien, u.a. bei Karl Kraus und Wilhelm Meyer-Lübke. Nach einer Verwundung im Ersten Weltkrieg in Galizien erfolgte die Ausbildung zum Buchwart. Bekannt wurde er in der Folge durch Mundartlyrik, Erzählungen und Mitarbeit an Monatsheften und Kalendern sowie durch die Herausgabe von Sammelbänden zu deutschböhmischer Geschichte und Literatur.

1927-1941 war Leppa Leiter der Stadtbibliothek Karlsbad. 1937 kam es zu einer mehrmonatigen Haft in Eger und Budweis wegen angeblich staatsfeindlicher Kontakte zu reichsdeutschen und österreichischen Stellen, doch endete der Prozess mit einem Freispruch.

1937 erhielt er den Schrifttumspreis des Deutschen Kulturverbandes, 1938 den Adalbert-Stifter-Preis des Bundes der Deutschen in Böhmen. Nach seiner Pensionierung ab dem 30.11. 1941 kehrte er nach Budweis zurück, wo er 1943 den Kulturpreis der Stadt bekam. Nachdem er von Mai bis Oktober 1945 im dortigen Zwangsarbeitslager interniert war, gelangte er mit einem Pferdefuhrwerk nach Bayern, wobei sein Vater und eine Tante an der oberösterreichischen Grenze den Tod fanden. In Nürnberg und Suffersheim, wo nun sein Bruder wohnte, widmete er sich der Pflege der Mutter, die 1952 verstarb.

Obwohl die Herausgabe neuer Gedichte und Novellen bis in die 1960er Jahre vom Bundesministerium gefördert wurde, lehnte Leppa ihm zugedachte Ehrungen nun konsequent ab, so 1953 den Ehrenbrief der Sudetendeutschen Landsmannschaft, ebenso 1963 eine solche des Rundfunks als „Sänger des Böhmerwaldes“.

In seinen Werken thematisierte er Natur, Leben und Tod, auch den Krieg, wobei es ihm nie um dessen Verherrlichung, sondern um die Darstellung menschlichen Leides ging. Autobiografisch durch den Ersten Weltkrieg geprägt sind die Novellen Der letzte Frühling, 1938/1955, Kain, wo ist dein Bruder Abel? (o.V.), und ein Teil der Gedichte in Kornsegen, 1922/1963 sowie manche Erzählungen. Nationalistisches Gedankengut schreibt ihm keine Literaturgeschichte zu.

Das kulturelle Wissen seiner weiteren Heimat wachhalten wollte er in Gedichten und fiktionalen Geschichtsbildern: z.B. zum Verfasser des Budweiser Weihnachtsspiels als Trabant Kaiser Maximilians, zum Autor des mittelalterlichen Hohenfurter Liederbuchs, zu Meier Helmbrecht, zu der Mutter Albrecht Dürers, zu den Rosenbergern, zu Libussa u.a. In den 1940er Jahren wollte Leppa mit einem historischen Roman zu König Ottokar II. „möglichst unabhängig von der Tagespolitik werden“ (Briefe an Verleger und Verwandte), also ähnlich wie Franz Spunda (1942 Roman über Kaiser Karl IV.) aus der Inneren Emigration wirken. Bruchstücke daraus erschienen noch in Kalendern und Jahrbüchern, doch nur wenige Texte überlebten die Vertreibung.

Der Symbolgehalt mancher Sagen und Mythen um die Moldau spiegelt sich in Leppas lyrischem Stil, deren „Anderwelt“ entspricht seine Beherrschung der Technik des phantastischen Romans, wie in den Novellen Antonia 1931/1955, Andreas Osang 1943/1955 (Holunderbaum) und Der Spiegel der Basilissa,1955. Religiöses Brauchtum enthalten viele Mundartgedichte in Kornsegen 1922/1963. Literarisch zählen sie zum Besten ihrer Art. Das Dorf ist auch literarischer Schauplatz seiner Prosa zum Jahreskreislauf. Wie bei Adalbert Stifter stehen der Bezug von Natur und allgemeinem Schicksal im Vordergrund; z.B. Der Gang zur Liebsten, Die Loimühle.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens und das klassische Ideal von Menschlichkeit waren für Leppa Thema schlechthin. Im Text Der dunkle Gott, 1938, heißt es zu Goethes Flucht aus Karlsbad, Dichtung sei nur durch Einsatz fürs Gemeinwesen gerechtfertigt, unbekümmert um Zeitgeist und Erfolg. Diese Ideale, im Stil des poetischen Realismus dargestellt in der Züricher Elegie, 1948 und im Landvogt von Eglisau, 1955, zeichnen dann auch Leppas Novellen um Gottfried Keller und dessen literarische Figuren aus (so Josef Mühlberger, Geschichte der deutschen Literatur in Böhmen, 1900-1939, 1981, S. 380f.). Denn, gemäß Stifter, hilft dem Publikum in Umbruchszeiten nicht deren literarische Abbildung, es braucht vielmehr Orientierung am humanistischen Vorbild.

Die Notwendigkeit, pädagogisch-politisch gezielt wirken zu müssen, kannte Leppa aus seiner Kindheit (hierzu Nachlass im Böhmerwaldmuseum Passau), war der Vater doch Lehrer zwischen Krummau und Budweis. Erfahrungen solcher Sprachinseln mit dem Deutschen Schulverein (später Deutscher Kulturverband) enthält seine Erzählung zum Sprachenkampf, Die Bekehrung des Ellechsners, 1921 als Flugschrift in Prag, 1931 in der Reihe Waldheimat erschienen.

Auch durch die bei August Sauer in Prag miterlebte Konzipierung einer Nationalkultur und die Aufwertung von Regiolekt und Volkskunde erklärt sich Leppas langjährige Tätigkeit als Mitarbeiter/Herausgeber von Sammelwerken und Texten zum kulturpolitischen Diskurs: Herzenssachen, in der Reihe Böhmerwäldler Dorfbücher, 1920, Der Waldbrunnen, 1922/25, Der Königsbrief, 1925, Witiko, 1928/31, Lesebuch Ringendes Volkstum, 1931, mit Josef Mühlberger, Der Ackermann aus Böhmen 1933/38, mit Hans Watzlik, Komm, tapferer Deutscher, 1936, 1937 und Das deutsche Erbe, 1937/43, mit Konrad Leppa u.v.a.

Vertreibung und Verlust der Heimat thematisierte Leppa nur, solange sein angestammtes Publikum noch damit rang. Sein einziger Text mit Bezug zur neuen Heimat: Die Rückkehr des Paracelsus beginnt autobiografisch: Daheim in Deutschland, dennoch fremd (1950, 2. Version 1970). Den Aufenthalt des Paracelsus ermittelte er, historisch belegt, in Suffersheim bei Weißenburg. Dann verstummte er, sagte, er sei nicht mehr zeitgemäß (Briefe an Verleger und Verwandte).

Leppas kulturelle Texte gilt es heutzutage als Fundgrube für Südböhmen zu entdecken, auch in tschechischer Übersetzung (http://kohoutikriz, Stadtwiki Weißenburg, www.bwb-ooe.at). Seine relativ schmale, von ungemein breiter, klassischer Bildung getragene Poesie und Prosa gilt als zeitlos gültig. Laut Mühlberger schreibt Leppa „ohne Polemik und Schärfe“. „Als einen trotz seines selbstverständlichen Eingebundenseins in die Zeitströmungen keineswegs dem nationalen Impetus und der Kriegsverherrlichung erlegenen Schriftsteller“ bezeichnet ihn der Oberbürgermeister von Weißenburg. (Reinhard Schwir­zer, Spurensuche, Karl Franz Leppa – ein vergessener Autor aus Böhmen, in: villa nostra. Weißenburger Blätter, Januar 1992).

Lit.: Alois Harasko/ Margarete Sedlmeyer/ Hernan J. Benitez Jump (Auswahl u. Bearb.),  Karl Franz Leppa, Eine Anthologie. Mit Quellenforschung und Studien; Heimatkundlicher Verein für Südböhmen e.V. München – Augsburg. Quellen und Studien zur südböhmischen Regional- und Kulturgeschichte. Band 2, 2020 München-Augsburg. 376 S.

Bild: Aus Wäldlerkalender, 4. Jahrbuch des Vereins für Volkskunde und Volksbildung im Böhmerwald, Oberplan 1926.

Margarete Sedlmeyer