Biographie

Leutelt, Gustav

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Lehrer, Schriftsteller
* 21. September 1860 in Josefstal, Bez. Gablonz/Neiße
† 17. Februar 1947 in Seebergen/Gotha

Leben und Wirken des Schriftstellers Gustav Leutelt verliefen in selten harmonischer Übereinstimmung von Herkunftsbewußtsein und Heimatverbundenheit. In all den Jahren, die ihm auf Erden beschieden waren, blieb er seiner Heimat treu, örtlich wie im geistigen Schaffen, entfernte er sich ”vorübergehend” nur gerade einen Steinwurf weit und selten etwas weiter. Doch auch dann glitten seine Gedanken über die Höhen und Täler seines Isergebirges hinweg und umkreisten die Heimatlandschaft. Immerhin bereiste er Österreich, Deutschland, die Schweiz, so daß er aufgrund der gewonnenen Eindrücke seine Vergleiche anstellen konnte. Wohl bescherte ihm jedes Reiseerlebnis den Gewinn einer seelischen Bereicherung; doch auf Dauer fiel stets die Entscheidung zu Gunsten des Bleibenden, des Dauerhaften, der Heimat.

Gustav Leutelt, Sohn eines Oberlehrers, folgte den beruflichen Spuren seines Vaters. Der Großvater mütterlicherseits war ebenfalls Schullehrer, und in dessen Ahnenreihe findet sich der in dem Dorf Schumburg wirkende Wunderarzt Johann Josef Anton Eleazar Kittel, den sogar Kaiser Josef II. in seinem Reisejournal einer Notiz für würdig erachtete.

Nach der Schulausbildung in Gablonz und einem einjährigen Aufenthalt in Klein-Skal zum Erlernen der tschechischen Sprache absolvierte Leutelt die Lehrerbildungsanstalt in Leitmeritz, wo bereits sein Vater den Präparandenkurs besucht hatte. Wie sein Bruder Johann, so wurde auch Gustav zuerst an der Volksschule Josefstal eingesetzt, wo er dem Herrn Oberlehrer Johann Michael Leutelt, seinem Vater, unterstand, der sich bei den Vertretern der Bezirksschulbehörde großer Wertschätzung erfreuen durfte. In jener Zeit der Einarbeitung in die Berufspraxis freundete er sich mit seinem Kollegen Fidelio Finke an, der ihn in die Musikwelt Richard Wagners einführte und von 1884 bis 1894 immer wieder zu den Bayreuther Festspielen mitnahm.

Zur beruflichen Vervollkommnung erwarb Gustav Leutelt die Qualifikation für den Unterricht an gewerblichen Fortbildungsschulen. 1905 wurde er als Oberlehrer an die Volksschule von Unter-Maxdorf versetzt, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1922 blieb. 1907 hatte er seine Kusine Marie Hübner geheiratet, und dieser Verbindung entstammte sein Sohn Arno. Seit seiner Pensionierung lebte Leutelt in Rosenthal bei Reichenberg und (seit 1925) in Gablonz, wo ihn das Schicksal der Vertreibung ereilte, das ihn in die Sowjetische Besatzungszone Deutschlands verschlug. Er konnte noch seinen 86. Geburtstag feiern und starb wenige Monate danach. Er wurde auf dem alten Teil des Ortsfriedhofs von Seebergen beerdigt

Gustav Leutelt begann sein literarisches Schaffen mit Lyrik, und einige seiner Gedichte wurden von seinen Berufskollegen Julius Fiedler und Fidelio Finke vertont. Doch zum unübertroffenen Heimatdichter des Isergebirges wurde er als Erzähler. Seine sensible, jedoch bildhafte Art der Darstellung erinnert bisweilen an Adalbert Stifter, aber in der Begeisterung für die Isergebirgslandschaft und Schilderung der Heimatwälder sowie der Charakterisierung seiner Landsleute erlangte er seinen Eigenwert.

Sein Epik-Debüt erlebte Leutelt 1883 mit der Veröffentlichung seiner Erzählung Der arme Georg im Feuilletonteil der Reichenberger Zeitung. Von 1884 bis 1887 folgten die ErzählungenDer Spiegelfranz,Der Holzteufel und Der Glasschleifer. Der Lehrer und Schriftsteller Eduard Fedor Kastner (1859-1935) aus Neudorf an der Wilden Adler nahm 1894 Leutelts Wetterleuchten in die MonatsschriftBöhmens deutsche Poesie und Kunst auf.

Die Schilderungen aus dem Isergebirge nahmen 1899 Buchform an. 1902 begann Leutelts Zusammenarbeit mit der Redaktion der MonatsschriftDeutsche Arbeit, in der zunächst die Erzählung Sonntagsmorgen veröffentlicht wurde. An weiteren Texten sind zu nennen:Seitab vom Kriege (1906), Brüder (1913), Der Einzieher (1919), Heimat (1920). Erste literarische Ehren brachte in einem Wettbewerb der Prager Zeitung Bohemia die Erzählung Johannisnacht (1902).

Leutelts erster Roman, der von Anfang an in Buchform erschien, trägt den Titel Die Könighäuser (1906) – mit dem bekannten Motiv der Feindseligkeit zwischen zwei Bauern. Der Roman Das zweite Gesicht (1911) basiert auf der Gablonzer Sage von der Totenchristnacht. Der Roman Hüttenheimat (1919) ist dem Auf und Nieder der Glasmachersiedlungen im Isergebirge gewidmet. 1920 gab der Böhmerland-Verlag in Eger vier ErzählungenAus den Iserbergen heraus. 1925 entstand der Roman Der Glaswald. Es folgten als selbständige Publikationen die Erzählung Der Einzieher und 1926 Das Buch vom Walde. Viele weitere Texte finden sich verstreut in verschiedenen Periodika.

Unter den Freunden, die Leutelts Schaffen nachdrücklich gefördert haben, befinden sich der Gablonzer Bürgermeister und Schriftsteller Karl Richard Fischer, der Leiter der Gablonzer Deutschen Bücherei Julius Streit und der Verfasser der BiographieGustav Leutelt, sein Leben und Schaffen, Robert Herzog. Gustav Leutelts literarische Verdienste wurden mehrfach gewürdigt, 1920 durch eine Ehrengabe der ”Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen”, die ihn zum korrespondierenden Mitglied ernannte, und durch die Verleihung des Eichendorff-Preises (1936). Auf Anregung von Karl Richard Fischer wurde 1926 in Gablonz die Gustav-Leutelt-Gesellschaft gegründet und am 4. März 1957 in Schwäbisch Gmünd deren Gründung erneuert. Die Gesellschaft unterhält eine Leutelt-Stube (Schlachthausstraße 2) mit kleinem Museum, mit Bibliothek und Archiv.

Werke: Schilderungen aus dem Isergebirge (1899). – Die Könighäuser (R., 1906). – Das zweite Gesicht (R., 1911). – Hüttenheimat (R., 1919). – Aus den Iserbergen (Erzählungen, 1920). – Der Glaswald (R., 1925). – Der Einzieher (E., 1925). – Das Buch vom Walde (1926). – Bilder aus dem Leben der Glasarbeiter (1929). – Johannisnacht (Erzählungen, 1930). – Siebzig Jahre meines Lebens (Autobiographie, 1930). – Der Brechschmied (E., 1932). – Gesammelte Werke in 3 Bänden (1934/36): Band 1: Die Könighäuser. – Schilderungen aus dem Isergebirge. – Novellen und Erzählungen: Johannisnacht – Schicksal – Wetterleuchten – Nur ein Spaziergang – Seitab vom Kriege – Heimkehr – Heimat – Weihnacht in der Fremde – Friedhofsrosen – Sonntagsmorgen.

Band 2: Das zweite Gesicht. – Der Brechschmied. – Das Buch vom Walde.

Band 3: Hüttenheimat. – Der Glaswald. – Bilder aus dem Leben der Glasarbeiter. – Doktor Kittel (E., 1938, mehrere Aufl.).

Lit.: Robert Herzog: Das Isergebirge, die Landschaft Gustav Leutelts, 1940. – Josef Preußler: Der Isergebirgsdichter Gustav Leutelt. In: Große Sudetendeutsche, hg. von Josef Schneider, 2. Aufl., München 1961. – Wilhelm Formann: Sudetendeutsche Dichtung heute, München 1961. – Arno Lubos: Geschichte der Literatur Schlesiens, II. Band, München 1967.

 

Josef Walter König