Biographie

Levin, Julius

Herkunft: Westpreußen
Beruf: Schriftsteller, Geigenbauer
* 21. Januar 1862 in Elbing/Westpr.
† 29. Januar 1935 in Brüssel

Als 1935 in Berlin bekannt wurde, daß Julius Levin gestorben sei, erschien in der von Fritz Klein und Paul Fechter herausgegebenen Zeitschrift „Deutsche Zukunft“ ein Nekrolog, in dem der Verstorbene als einer der letzten vielseitigen Menschen der älteren Generation gewürdigt wurde, als „Arzt, Geigenbauer, Dichter, Musiker“, der lange Journalist war und Zeitungsmann, ein „Freund Hermann Stehrs und Urbild seiner Geigenmachergestalten, dem Hauptmann-Kreise eng verbunden und ein Mensch von feiner, stiller und nobler Art“. Daß dieser Nachruf erschien, war damals viel und mutig. In diesem Nachruf stand nicht, daß Julius Levin Jude war, der die Zukunft unsentimental und ohne Hoffnung gesehen und daher bereits im Juli 1933 seine Bilder, Noten verschenkt, manches andere verkauft hatte und nach Brüssel in die Emigration gegangen war.

In seiner Geburtsstadt Elbing/Westpreußen war die Familie seit langem zu Hause. Julius Levin hatte dort das Gymnasium besucht und anschließend an den Universitäten Berlin, Rostock und Königsberg/Pr. Medizin studiert. Nach dem Staatsexamen und der Promotion war er kurze Zeit als Arzt tätig, dann wurde er Journalist und Schriftsteller. Als Korrespondent des Berliner Börsen Couriers lebte er einige Zeit in Paris und berichtete von dort 1899 über den zweiten Dreyfuß-Prozeß mit seinem antisemitischen Hintergrund. Diese Berichterstattung war noch 1933 in Berlin unvergessen und dürfte Levins Entschluß beeinflußt haben, Deutschland rechtzeitig zu verlassen.

Julius Levin hat mehrere Romane, Erzählungen, Gedichte und anderes geschrieben. Der Roman „Das Lächeln des Herrn Golubice-Golubiecki“ erschien erstmalig 1915, erlebte 1925 die 31. bis 35. Auflage und wurde zuletzt 1970 aufgelegt. Der Gottsucherroman „Zweie und der liebe Gott“ stammt aus dem Jahr 1919, ein Roman aus der östlichen jüdischen Welt. Julius Levin war in Berlin sehr bekannt, auch mit Gerhart Hauptmann und vielen anderen aus der Berliner Schriftstellerwelt. Mit seinen westpreußischen Landsleuten Oskar Loerke vom S. Fischer Verlag, in dem Levins Romane erschienen waren, und mit Paul Fechter war er befreundet. Oskar Loerke sollte nach Levins letztem Willen seine Gedichte bei Fischer erscheinen lassen. Es gelang ihm nicht, und so erschienen sie als Privatdruck in einem kleinen Band. Auch die bereits 1931 mit Paul Fechter mit Blick auf einen Druck begonnene Prüfung aller unveröffentlichten Manuskripte und der geplante Band seiner Erinnerungen aus der Elbinger Jugend- und Heimatzeit wurden nicht mehr beendet. Sein letztes zu Lebzeiten erschienenes Buch war eine sehr tiefgehende, kleine Biographie über Johann Sebastian Bach.

Vor allem aber war Julius Levin Geigenbauer. Seine Wohnung in einem Gartenhaus in der Heilbronner Straße 26 in Berlin-Wilmersdorf war seine Werkstatt. Um 1910 spielte das Böhmische Streichquartett, eine der bekanntesten Musikvereinigungen Berlins, im Beethoven-Saal auf den von ihm gebauten Instrumenten: zwei Geigen, eine Bratsche und ein Violoncello. Der Geigenbauer Levin war in Berlin bekannt und anerkannt. Von Hause ein Naturtalent, war er bemüht, seine Fertigkeiten zu verbessern. Daher ging er noch 1926 nach Mittenwald, um dort unter fachkundiger Leitung des Direktors eine Geige zu fertigen. Es gibt viele Berichte über von Julius Levin reparierte Geigen, von klangverbessernden Arbeiten, die ihm, dem Mann mit dem absoluten Gehör, mit wenigen Handgriffen gelangen, und von seinen Levin-Geigen. Auf diese Weise überzeugte er Walter Schrenk, den Berliner Musikkritiker der Deutschen Allgemeinen Zeitung mit der phänomenalen Gehörbegabung, der daraufhin sofort eine neue Geige in Auftrag gab. Schrenk schrieb damals für die New Yorker Staatszeitung einen größeren Aufsatz über den Geigenbauer Levin. Viele Anfragen und vor allem Aufträge gingen daraufhin bei dem Geigenbaukünstler ein. Von Max Tau wissen wir, daß eine von Levin reparierte Geige für eine Stradivari gehalten wurde. Durch eine andere Reparatur verwandelte er die Geige Albert Einsteins, der als guter Violinist bekannt war und von dem Levin sofort einen Auftrag erhielt. Im Exil empfing die belgische Königin Julius Levin und sprach mit ihm 75 Minuten lang über die Errichtung einer Geigenbauschule unter seiner Leitung. Dazu kam es nicht mehr, denn im Frühjahr 1934 verunglückte König Albert von Belgien tödlich, und die nunmehrige Königinmutter verfügte nicht mehr über die notwendigen Mittel für die Verwirklichung dieser Pläne. In dieser Zeit war Julius Levin bereits ein schwerkranker Mann. Als er nach der fünften Operation in drei Jahren starb, wurde Julius Levin im Gastland unter Ehrensalut begraben.

Lit.: Alfred Podlech: „Elbinger Autoren und Literatur aus fünf Jahrhunderten“, 1976. Sabine Fechter: Julius Levin – der Geigenbauer aus Elbing“, Westpreußen-Jahrbuch 14/1964. Max Tau: „Das Land, das ich verlassen mußte“, 1962. Paul Fechter: „Dichtung der Deutschen“, 1932; ders.: „Geschichte der deutschen Literatur“, 1954. ders.: „Menschen und Zeiten“, 1948. Fritz Gause in: „Altpreußische Biographie“, Band HI/1975.