Biographie

Lichnowsky, Fürst Felix von

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Politiker
* 5. April 1814 in Schloss Grätz bei Troppau/ Schlesien
† 18. August 1848 in Frankfurt/ Main

„Felix Lichnowsky erschien mir schön wie ein junger Gott. Das Allerschönste waren seine Augen, die bald sanft und einschmeichelnd, bald eisern und herrisch gebietend blicken konnten. Von ihnen ging die wahrhaft dämonische Wirkung aus, die er auf die Menschen und besonders die Frauen ausübte. Dazu die weltmännische Sicherheit des damals erst Achtundzwanzigjährigen, seine bezaubernde Liebenswürdigkeit, sein geistvolles Wesen“, so schreibt Maxe von Arnim in ihrem Tagebuch.

Felix Maria Vincenz Andreas Fürst von Lichnowsky wurde als Sohn Eduards Fürst Lichnowsky geboren. Sein Vater war nicht nur Politiker und Staatsmann, sondern auch Historiker und unter anderem Verfasser des achtbändigen Werkes Geschichte des Hauses Habsburgs. 1834 trat der junge Fürst in die preußische Armee ein, diente jedoch ab 1838 dem spanischen Prätendenten Don Carlos, später wurde er dort Brigadegeneral und Generaladjutant und kämpfte im Ersten Carlistenkrieg (1837-1840) auf der Seite der Carlisten. Nach seiner Rückkehr aus Spanien 1840 hielt Lichnowsky seine Erlebnisse in der Schrift Erinnerungen aus den Jahren 1837-1839 fest. Eine Textstelle in der genannten Schrift hatte zur Folge, dass Lichnowsky vom spanischen General Montenegro zum Duell provoziert wurde. Lichnowsky wurde dabei verwundet, unternahm nach seiner Genesung jedoch eine halbjährige Reise nach Lissabon, worauf die Schrift Portugal. Erinnerungen aus dem Jahre 1842 basiert. Als Mitglied der Herrenkurie nahm Lichnowsky am Ersten Preußischen Vereinigten Landtag 1847 teil, war ebenso Mitglied des Schlesischen Landtags und wurde in den Wirren der Märzrevolution 1848 für den Wahlbezirk Ratibor in die Deutsche Nationalversammlung der Paulskirche gewählt, wo er der liberal-konservativen Casino-Fraktion, einer rechten Fraktion, angehörte.

In der Paulskirche zeigte er sehr deutlich in seinen Reden und Bemerkungen seine Geringschätzung gegenüber der äußersten Linken, der radikalen Partei. Lichnowsky galt als einer der hervorragendsten Redner in der Deutschen Nationalversammlung, wohl jedoch weniger, weil er überzeugen wollte, als dass er durch „Effekte glänzen wollte“ (Sommaruga). Das eine Wort, das er zu viel in einer seiner Reden in der Versammlung gesagt hatte, sollte ihm und Hans von Auerswald im September 1848 zum tödlichen Verhängnis werden. Als aufgehetzte Volksmassen die beiden bei den Unruhen nach der Abstimmung zum Waffenstillstand von Malmö in Frankfurt verfolgten und brutal niedermetzelten, erlag Lichnowsky seinen Verletzungen einen Tag später in der Villa des Barons Bethmann in Frankfurt am Main. Jener Waffenstillstand von Malmö sollte den Krieg um Schleswig-Holstein, ja die Schleswig-Holstein­sche Frage, beenden. Während Holstein schon seit dem Mittelalter zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und damit später auch zum Deutschen Bund gehörte, war Schleswig nur dänisches Lehen. Die Uneinigkeiten und die Frage per se konnte jedoch erst 1867 bzw. 1920 nach einer Volksabstimmung endgültig geklärt werden.

Jenes Selbstbewusstsein und die „weltmännische Sicherheit“ von Lichnowsky, wie ihn auch Maxe von Arnim im obigen Zitat beschreibt, scheinen nicht von ungefähr gekommen zu sein. Lichnowsky war sich seiner Größe und seines Rednertalents sehr bewusst und trat allem und jedem furchtlos gegenüber. Und dies wusste er nicht nur in der Politik gezielt einzusetzen!

Der Neffe des Fürsten Felix, Fürst Karl Max Lichnowsky (1860-1928) schwärmt von dessen „blendender Schönheit, Lie­benswürdigkeit und Dreistigkeit“, die ihm [Felix] Neid, aber auch Widerspruch eingebracht hätten. Lichnowsky besaß durch seine Weltoffenheit und seine Unternehmenslustigkeit zahlreiche Kontakte mit herausragenden Persönlichkeiten, vor allem in der Kultur. Die Beziehungen knüpfte Lichnowsky besonders bei seinen Aufenthalten in Paris und Brüssel. Der wohl beste Freund – sowie Gönner und Förderer des fast immer verschuldeten Lichnowskys – war der Komponist mit ungarischen Wurzeln, Franz Liszt. Die beiden scheinen sich im Charakter so ähnlich gewesen zu sein, dass Lichnowsky schon kurz nach ihrer ersten Begegnung Liszt auf seinen Konzertreisen begleitete und zu dessen engstem Vertrauten wurde. Gemeinsam wurden Lichnowsky und Liszt auch in die Freimaurerloge „Einigkeit“ aufgenommen; wenige Jahre zuvor war Lichnowsky schon in der Geheimloge „L’Age d’or“ Mitglied geworden. Das zweite Schloss der Lichnowskys neben Schloss Grätz, Schloss Krzizanowitz, wurde zum Ort des Austauschs und der Betriebsamkeit. An diesem Ort entstanden nicht wenige Kompositionen Liszts. Obendrein kam die Verbindung der Lich­nowskys zur Musikkultur nicht von ungefähr: Schon Fürst Carl, der Großvater von Felix – war Mäzen und Freund Beet­hovens, der oft auf Schloss Grätz weilte und arbeitete und auch einige seiner Kompositionen Familienmitgliedern der Lich­nowskys widmete. Die Kontakte mit der Fürstenfamilie Lich­nowsky reichten jedoch auch und natürlich in die europäische Politik, schließlich war die Mutter von Felix Lichnowsky die ungarische Gräfin Eleonore Zichy, eine Schwägerin des Fürsten Metternich, der schon beim Wiener Kongress 1815 die Führung des Deutschen Bundes übernommen hatte.

Fürst Lichnowsky wurde unter dem Namen Schnapphahnski Titelheld einer Satire von Georg Weerth. „Das Dasein Schnapphahnskis gleicht einer bunten Arabeske. Manchmal wird es euch an die Aventüren des Chevalier Faublas erinnern; bald an eine Episode aus der Geschichte des Ritters von der Mancha, bald an die Glanzmomente eines Boscoschen Taschenspielerlebens. Zärtlicher verliebter Schäfer, rasender Raufbold, Spieler, Diplomat, Soldat, Autor – alles ist dieser Schnapphahnski – ein liebenswürdig frecher Gesell.“

Lichnowsky hatte nicht nur Freunde und Anhänger. Einer seiner großen Missgönner war der Satiriker, Journalist und Kaufmann Georg Weerth, der 1822 in Detmold geboren wurde und 1856 in Havanna/Kuba starb. Als Redakteur der Neuen Rheinischen Zeitung veröffentlichte Weerth von 1848 bis 1849 seine Satire auf den Adel Leben und Taten des berühmten Ritters Schnapphahnski; zur Vorlage für die Titelfigur Schnapphahnski – einen Auszug aus dem Werk ist oben zitiert – diente Lichnowsky. Als Lichnowsky im September 1848 getötet wurde, verurteilte man Georg Weerth wegen „Verunglimpfung des Verstorbenen“. Drei Jahre Haft und fünf Jahre Verlust der Bürgerrechte waren die Konsequenz für Weerth.

In seinem Privatleben war Lichnowsky zunächst mit der eingangs zitierten Maxe von Arnim verlobt. Diese Verbindung wurde allerdings von Seiten Lichnowskys kurz vor der Hochzeit wieder gelöst. Neben den vielen weiblichen Verehrerinnen, die Lichnowsky geradezu zu Füßen lagen, konnte sich nur eine seiner Liebe gewiss sein: Herzogin Dorothea von Sagan. Die um 21 Jahre ältere Dame war unglücklich mit dem Neffen des französischen Außenministers Charles-Maurice Talleyrand verheiratet. Erst in ihr, nicht zuletzt auch seiner Gönnerin und Förderin, scheint Lichnowsky die Frau für sein Leben gefunden zu haben.

Das Beziehungsgeflecht von Lichnowsky zeigt die Weltgewandtheit und Offenheit zu Kunst und Kultur im Europa der beginnenden Neuzeit. Nicht zuletzt haben sich die genannten Vorzüge auch auf dem politischen Parkett von Lichnowsky niedergeschlagen. Sein Rednertalent, sein enormes Selbstbewusstsein – dadurch bedingt jedoch auch seine Nachlässigkeit – sollten ihm letzten Endes in den Wirren der Bürgerlichen Revolutionen zum (tödlichen) Verhängnis werden. Dennoch bleibt festzustellen, dass ein großartiger Redner und „Advokat“ der Weber im Rahmen des schlesischen „Weberaufstandes“ aus Schlesien stammte und sich in seinem Leben voller Überzeugung bis zum Schluss für die Politik einsetzte.

Werke: Erinnerungen aus den Jahren 1837, 1838 und 1839, Frankfurt/Main 1841. – Erinnerungen aus Portugal, Mainz 1843.

Bild: Wikipedia.

Julia Nagel