Biographie

Loebinger, Lotte

Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Theater- und Filmschauspielerin
* 10. Oktober 1905 in Kattowitz/Oberschlesien
† 9. Februar 1999 in Berlin

Lotte Loebinger arbeitete anfänglich als Kindergärtnerin, dann als Verkäuferin in Kiel. Durch ihre Schwester kam sie in Verbindung zur KPD, wo sie aktiv in der Jugendarbeit tätig war und Agitationsgruppen betreute. In Breslau begann sie dann 1925 ihre Laufbahn als Schauspielerin. Später erhielt sie eine dreijährige Ausbildung als Elevin an der Berliner Volksbühne. Von 1927 bis 1931 war sie an der Piscator-Bühne am Nollendorfplatz engagiert. Als Angehörige des Schauspielkollektivs „Truppe 1931“ unter Gustav von Wangenheim nahm sie 1931 an einer Tournee durch die Sowjetunion teil.

1934 ging sie mit einer kleinen Theatergruppe, der u. a. auch Erwin Geschonnek angehörte, auf Tournee nach Polen, wurde dort aber ausgewiesen und gelangte über Prag in die Sowjetunion. Hier bekam sie eine Rolle in Gustav von Wangenheims Film „Borzy“ (Kämpfer). Wangenheim hat diesen Film, eine erste filmische Reaktion auf den Reichstagsbrand und den Prozeß gegen den von den Nazis angeklagten kommunistischen Funktionär Dimitroff, zwischen 1936 und 1938 mit Lotte Loebinger, Heinrich Greif, Bruno Schmidtsdorf, Alexander Granach, Curt Trepte und Konrad Wolf gedreht. Danach arbeitete sie als Sprecherin beim sowjetischen Allunions-Radiokomitee.

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland spielte sie an verschiedenen Berliner Bühnen, am Kleinen Theater unter den Linden, am Deutschen Theater und am Berliner Ensemble. Von 1952 bis 1983 stand sie in fast 100 Rollen auf den Brettern des Maxim-Gorki-Theaters, dessen Ehrenmitglied sie wurde.

Seit 1931 hatte Lotte Loebinger auch mehrfach in Filmen mitgewirkt, so in dem berühmten Film „M“ (Regie: Fritz Lang, 1931); es folgte Rollen in „Das erste Recht des Kindes“ (1932) und „Eine Stadt steht kopf“ (1933). Erst nach 1945 erhielt sie dann bei der DEFA bedeutende Charakterrollen in Filmen von Slatan Dudow, Kurt Maetzig, Gustav von Wangenheim u. a. Sie gestaltete in ihren Theateraufführungen und Filmen vor allem Frauen und Mütter aus dem einfachen Volk. Eine herausragende Rolle spielte sie 1978 in dem Fernsehfilm „Ich will nicht leise sterben“ unter der Regie von Thomas Langhoff. Zu ihren letzten Filmen gehörten „Der Prinz hinter den sieben Meeren“ (1982), „Mein lieber Onkel Hans“ (1985), „Adamski“ (1994) und „Ein letzter Wille“ (1994). 1979 widmete ihr das Fernsehen der DDR das Filmporträt „… noch einmal so leben“ von U. Kasten. 1951 erhielt sie den Nationalpreis der DDR, 1981 den Goethepreis.

Lotte Loebinger war von 1927 bis 1942 mit dem Politiker Herbert Wehner verheiratet. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Städtischen Friedhof Baumschulenweg in Berlin-Treptow.Sie gilt als eine der letzten Darstellerinnen des „klassischen Politischen Theaters“.

Lit.: Joachim Reichow/Michael Hanisch, Filmschauspieler A-Z, 5. erw. u. bearb. Aufl., Berlin 1982.

Filme:Wosstanije rybakow (Der Aufstand der Fischer, nach Anna Seghers), 1934. – Irgendwo in Berlin (Regie: Gerhard Lamprecht), 1946. – Straßenbekanntschaft (Regie: Peter Pewas), 1948. – Grube Morgenrot (Regie: Erich Freund, Wolfgang Schleif), 1948. – Und wieder 48 (Regie: Gustav von Wangenheim), 1948. – Semmelweis – Retter der Mütter (Regie: Georg C. Klaren), 1950). – Saure Wochen – Frohe Feste (Regie: Wolfgang Schleif), 1950. – Das kalte Herz (Regie: Paul Verhoeven), 1950. – Frauenschicksale (Regie: Slatan Dudow), 1952. – Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse (Regie: Kurt Maetzig), 1954. – Einmal ist keinmal (Regie: Konrad Wolf), 1955. – Der Teufel vom Mühlenberg (Regie: Herbert Ballmann), 1955. – 52 Wochen sind ein Jahr (Regie: Richard Groschopp), 1955. – Schlösser und Katen (Regie: Kurt Maetzig), 1957. – Jahrgang 21 (Regie: Vaclav Gajer), 1958. – Sie kannten sich alle (Regie: Richard Groschopp), 1958. – Musterknaben (Regie: Johannes Kittel), 1959. – Der Moorhund (Regie: Konrad Petzold), 1960. – Menschen und Tiere (Regie: Sergej Gerassimow, Lutz Köhlert), 1962. – Tempel des Satans (Fernsehverfilmung), 1962. – Als Martin vierzehn war, 1964. – Engel im Fegefeuer, 1965. – Kleiner Mann – was nun? (Fernsehverfilmung), 1967. – Verspielte Heimat, 1971. – Liebeserklärung an G. T., 1971. – Lützower, 1972. – Der Wüstenkönig von Brandenburg, 1973. – Für die Liebe noch zu mager?, 1974. – Abschied vom Frieden (Fernsehverfilmung), 1979. – Als Unku Edes Freundin war, 1981.

Harro Kieser