Als Fritz Lubrich, dritter Sohn des Königlichen Musikdirektors Dr. h. c. Fritz Lubrich, zur Welt kam, lebte die Familie in Neustädtel. 1890 verzog sie nach Peilau im Eulengebirge, wo der Vater bis zur Jahrhundertwende als evangelischer Kantor tätig war. Schon in jungen Jahren war der Sohn so musikbegeistert, daß er manchen Gottesdienst an der Orgel begleitete, während der Vater den Taktstock führte.
Nach den Gymnasialjahren in Neisse und Kyritz/Brandenburg besuchte Fritz Lubrich seit 1904 das evangelische Lehrerseminar in Sagan, an dem er ordnungsgemäß die 1. Lehrerprüfung bestand. Nur kurze Zeit im Lehrerberuf tätig, ging er 1908 auf den Rat von Prof. Georg Schumann, Leiter der berühmten Berliner Singakademie, an das Königliche Konservatorium für Musik in Leipzig. Hier kam er in die Meisterklasse für Komposition zu Max Reger und wurde Orgelschüler des Thomaskantors Karl Sträube. Lubrich schloß die Leipziger Studienzeit 1911 mit dem Lehrerdiplom für Orgel, Klavier und Komposition ab.
Nach einem längeren Auslandsaufenthalt wurde Lubrich an die evangelische Lehrerbildungsanstalt nach Bielitz, Ostschlesien, berufen, an der er acht Jahre lang als Musiklehrer wirkte. Darüber hinaus übernahm er als Dirigent den angesehenen Männergesangverein in Bielitz-Biala.
Am 1. November 1919 wurde Lubrich aus einer großen Anzahl von Bewerbern zum Leiter des bekannten Meister‘schen Gesangvereins in Kattowitz, Oberschlesien, gewählt. Damit begann für Lubrich der wichtigste und erfolgreichste Lebensabschnitt. Im November 1920 unternahm Lubrich mit dem Grenzlandchor eine Konzertreise durch viele deutsche Großstädte, u.a. nach Berlin, Hamburg, Frankfurt, Stuttgart, München und Leipzig, um von der deutschen Musikkultur im umstrittenen Oberschlesien Zeugnis abzulegen. Wo immer der 120 Frauen- und 80 Männerstimmen umfassende Grenzlandchor auftrat, konnte er des einhelligen Lobes der Kritiker gewiß sein.
Nach der Abtrennung Oberschlesiens vom Deutschen Reich kam dem Meister‘schen Gesangverein eine kulturpolitische Bedeutung ersten Ranges zu. Die Musik sollte das gegenseitige Verstehen zwischen der deutschen Minderheit und der herrschenden polnischen Mehrheit fördern.
In den Jahren 1927, 1928 und 1934 konzertierte Lubrich mit dem Meister‘schen Gesangverein in der Warschauer Philharmonie. Zur Aufführung gelangten Bachs „Hohe Messe in h-moll“, seine „Matthäuspassion“, Beethovens „Missa solemnis“ und Honeggers „König David“. Diese Konzerte, bei denen das Orchester der Warschauer Philharmonie sowie polnische und deutsche Solisten von Rang mitwirkten, waren künstlerische Erfolge und zugleich völkerverbindende Taten.
Zum Repertoire des Meister‘schen Gesangvereins gehörten nicht nur Chor- bzw. Orchesterwerke deutscher Komponisten, sondern auch solche von nichtdeutschen Meistern, von Kodály, Honegger, Wolf-Ferrari, Palestrina, Slavenski, Lotti, Verdi und Berlioz. 1930 hatte der Meister‘sche Gesangverein das „Stabat Mater“ des polnischen Komponisten Karol Szymanowski aufgeführt, eine Leistung, der gegenüber sich die Polen nicht verschlossen. Zu seinen zeitraubenden Pflichten als Dirigent, die er zeitweilig über Kattowitz hinaus auch für Königshütte und Gleiwitz übernahm, trat noch von 1922 bis 1939 die Tätigkeit als Organist an der evangelischen Auferstehungskirche, von 1924 bis 1934 als Musikerzieher am deutschen Minderheiten-Lyzeum und von 1939 bis 1945 als Direktor der Landesmusikschule in Kattowitz hinzu. Nach der Vertreibung fand Lubrich eine neue Wirkungsstätte inHamburg. Hier war er von 1948 bis 1952 Leiter der Hamburger Singakademie, Gründer des Hamburger Kammerchores und bis 1967 des Sing- und Instrumentalkreises der Hamburger Volkshochschule.
Es ist erstaunlich, daß Lubrich neben dieser Arbeitslast auch noch die Zeit zum Komponieren fand. Über 200 Opuszahlen (Orgel-Klavier-, Orchester-, Chorwerke und Sololieder) umfaßt sein musikalisches Œuvre, von dem ein Teil in den Kriegswirren verlorenen gegangen ist.
Es nimmt kaum wunder, daß ein so verdienstvoller Künstler wie Fritz Lubrich zahlreiche Ehrungen erfahren hat. U. a. wurde er für eine Violin-Klaviersonate und eine Kantate 1911 mit dem Arthur-Nikisch-Staatspreis ausgezeichnet. 1917 verlieh ihm das k.u.k. Ministerium für Kultus und Unterricht in Wien den Titel „Professor“. 1953 erhielt er das Bundesverdienstkreuz, und 1969ihm der Hauptpreis des Oberschlesischen Kulturpreises zuerkannt.