Biographie

Ludendorff, Erich

Herkunft: Pommern
Beruf: General
* 9. April 1865 in Kruszewnia/Posen
† 20. Dezember 1937 in München (Tutzing)

Erich Friedrich Wilhelm Ludendorff, zuletzt Erster General-Quartiermeister des Feldheeres des Deutschen Reiches im Range eines Preußischen Generals der Infanterie, wurde am 9. April 1865 auf dem väterlichen Gut Kruzszewnia bei Posen geboren, und er verstarb in Tutzing am 20. Dezember 1937. – Sein Vater war bürgerlicher Rittergutsbesitzer und Rittmeister d. Res. des 2. Leib-Husaren-Regiments Nr. 2 zu Posen (Totenkopfhusaren) und entstammte einer seit 1600 in Demmin in Pommern und später auch in Stettin ansässigen Familie, deren Mitglieder sich als Kaufleute und Ratsherren betätigen.

Ludendorff durchlief die preußische Kadettenerziehung und besuchte die Kadettenanstalt in Plön und die Hauptkadettenanstalt inLichterfelde. Sein Offizierspatent datiert vom 15. April 1882. Er wurde Leutnant bei der Marineinfanterie, einer Waffengattung mit ausgeprägtem Elitebewußtsein. – Als Hauptmann kam er in den Generalstab, der sein Schicksal werden sollte; von 1908 bis 1912 wurde er Chef der wichtigen Aufmarschabteilung im Großen Generalstab in Berlin. Nachdrücklich setzte er sich für eine Vermehrung der Anzahl der Armeekorps ein. Am 27. l. 1913 wurde L. zum Kommandeur des Niederrheinischen Füsilier-Reglements 39 in Düsseldorf ernannt.

Bei Kriegsausbruch 1914 wurde Ludendorff, seit dem 22.4.1914 Gneralmajor und Brigadekommandeur in Straßburg, am 2.8. Oberquartiermeister der II. Armee (Generaloberst v. Bülow), und er schnelle Fall der starken belgischen Festung Lüttich (6. August 1914), ist in erster Linie sein Verdienst. Kaiser und König Wilhelm II. zeichnete ihn dafür mit dem Pour le mérite aus. Bim 22. August 1914 wurde Generalmajor Ludendorff Chef des Generalstabes der VIII. Armee, zu deren Obeibefehlshaber der reaktivierte General d. Inf. (später Generaloberst, dann Generalfeldmarschall) Paul v. Beneckendorff und v. Hindenburg berufen wurde; die beiden Feldherren sollten in den nächsten Jahren den Verlauf der deutschen und europäischen Geschichte entscheidend mitbestimmen. Die VIII. Armee war damals die einzige deutsche Armee im Osten, die dort einer überwältigenden Übermacht der russischen „Dampfwalze“ entgegenstand, die Ostpreußen überrollte.

In der Schlacht bei Tannenberg errangen Hindenburg und Ludendorff mit den ihnen anvertrauten unterlegenen deutschen Kräften einen überwältigenden Sieg über die russische Narew-Armee (23.-31. August 1914). Dies war der einzige deutsche Sieg in einer Umfassungsschlacht im Sinne der Pläne des Grafen v. Schlieffen, ein typisches „Cannae“, dem dann vom 5. bis 15. September 1914 der Sieg über die russische Njemen-Armee an den Masurischen Seen und der der dortigen Winterschlacht vom 12. Februar 1915 folgten.

Aufgrund dieser Erfolge galt das Gespann Hindenburg-Ludendorff als unbesiegbar. Dieser Ruf führte dazu, daß v. Hindenburg am 29. August 1916 Chef des Generalstabes des Feldheeres wurde, und Ludendorff erhielt das eigens für ihn geschaffene Amt des Ersten General-Quartiermeisters. Als solcher stand er gleichberechtigt neben dem „Chef“, und beide wurden zu den Verantwortlichen der deutschen Kriegsführung, die de facto eine Militärdiktatur ausübten. Ludendorff wurde Leiter der gesamten Kriegsführung des Deutschen Reiches zu Lande und verfocht politisch Gedanken von einem Siegfrieden seines Landes mit enormen Eroberungen in West und Ost. Neben M. v. Levetzow führte er die Erklärung des uneingeschränkten U-Bootkrieges seitens des Deutschen Reiches herbei, die zum Eintritt der USA in den Weltkrieg führte und damit auch zu der Niederlage der Mittelmächte. Dabei ist freilich zu bedenken, daß der Kriegseintritt der USA sicherlich auch ohne diese Maßnahme erfolgt wäre, als Ziel der Politik Englands, besonders Churchills. In derselben Zeit entwickelte Ludendorff die Idee und die Weltanschauung vom „totalen Krieg“ (vgl. sein Buch: Der totale Krieg, 1935) – geniale und einseitige, aber ebenso kritikwürdige Gedanken (vgl. F. v. Lossberg: Meine Tätigkeit im Weltkrieg 1914-1918, 1939).

Nach dem Kriegseintritt der USA auf Seiten der Gegner des Deutschen Reiches und seiner Verbündeten war ein Sieg der Mittelmächte nicht mehr möglich. Trotzdem hielt die Oberste Heeresleitung unter dem maßgeblichen Einfluß Ludendorffs diese Illusion lange Zeit aufrecht. Ludendorff erreichte den Sturz des verständnisbereiten Reichskanzlers v. Bethmann-Hollweg und stemmte sich mit Erfolg gegen eine Parlamentarisierung des Deutschen Reiches und die Friedensbewegungen im Reichstag. Gleichzeitig lehnte es der Stratege ab, etwa in der Gefolgschaft von Ideen W. Rathenaus, als eine Art „deutscher Cromwell“ den Monarchen zu stürzen und de jure eine Militärdiktatur im Reich zu errichten. Aber auch Ludendorff mußte im Sommer 1918 nach dem gescheiterten „Sturm 1918“ und der erfolgreichen Offensive des französischen Marschalls Foch einsehen, daß der Krieg nicht zu gewinnen war. Ultimativ forderten er und die Oberste Heeresleitung plötzlich im September 1918 einen Waffenstillstand und eine Demokratisierung des Reiches, Forderungen, die nur zu berechtigt waren, aber zu spät kamen. Im Konflikt mit Reichskanzler Prinz Max v. Baden trat Ludendorff am 16. Oktober 1918 in den Ruhestand. Während der Revolution und danach ging er 1919 vorübergehend ins Exil nach Schweden.

In der Zeit der Weimarer Republik entwickelte sich Ludendorff, ohne Zweifel einer der bedeutendsten Strategen des Ersten Weltkriegs, zum Einzelgänger und politischen Sektierer. Das ist hauptsächlich auf den Einfluß seiner zweiten Frau zurückzuführen, Dr. med. Mathilde Ludendorff (1877-1966, geb. Spieß, geschiedene v. Kemnitz). Auf Seiten des späteren Tyrannen nahm er 1923 am Hitler-Putsch in München teil, war von 1924 bis 1928 Reichstagsabgeordneter für die Deutschvölkische Freiheitspartei und war 1925 Kandidat von Nationalsozialisten und Völkischen für das Amt des Reichspräsidenten – gegen seinen früheren Chef v. Hindenburg –, konnte aber nur etwa 200000 Stimmen auf sich vereinigen. – Unter dem Einfluß seiner Frau gründete er 1926 den „Tannenbergbund“ für „artgemäße deutsche Gotterkenntnis“ gegen die überstaatlichen Mächte von Freimaurern, Juden, Jesuiten und Marxisten. – Dieser Bund wurde 1933 von den Nationalsozialisten aufgelöst, und schroff lehnte Ludendorff 1935 an seinem 70. Geburtstag die Ernennung zum Generalfeldmarschall durch Hitler ab. – Er war und blieb nach 1918 bis zu seinem Tode ein Außenseiter.

Ludendorff war ein hochbegabter Militär, ein genialer, vielleicht auch unheimlicher Stratege, einseitig, umstritten und kritikwürdig, im wahren Sinne des Wortes unheilsvoll, wenn auch unbeabsichtigt.

Werke: Meine Kriegserinnerungen, 1919,6. Auflage 1941; Kriegsführung und Politik, 1522; Kriegshetze und Völkermorden, 1928; Mein militärischer Werdegang, 1933; Der totale Krieg, 1935; Meine Lebenserinnerungen von 1926-1933, o. J.; Meine Lebenserinnerungen1933-1937, 1955.

Lit.: G. Ritter: Staatskunst und Kriegshandwerk, 4. Bd., 1968.

Bild: A. Kühlewindt/Königsberg in Pr., aus Privatbesitz A. und H. v. Tengg-Kobligk in Berlin-Zehlendorf