Biographie

Ludvigh, Samuel Gottlieb

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Herkunft: Ungarn
Beruf: Schriftsteller, Journalist, Dichter
* 13. Februar 1801 in Köszeg, Güns/Ungarn
† 14. Februar 1869 in Cincinnati/USA

Samuel Gottlieb Ludvigh wurde am 13. Februar 1801 in Köszeg/Güns als Sohndes Buchhändlers Samuel Gottlieb Ludvigh und dessen Ehefrau Theresia, geb. Schöpf, einer reichen Kürschnerstochter, geboren. Die Familie gelangte durch das Buchbindergewerbe zu beachtlichem Wohlstand, der jedoch infolge der Verschwendungssucht des Vaters und der Notjahre während der napoleonischen Kriege wieder aufs Spiel gesetzt wurde. Samuel Gottlieb Ludvigh erhielt dennoch eine gute Schulausbildung. Nach dem Besuch der Normalschule erfolgte die weitere Ausbildung an einem Kolleg der Calviner. Die ungarische Sprache erlernte er durch den Besuch verschiedenerSeminare in Ödenburg/Sopron. Vom Vater wurde er zum Buchhändler ausgebildet. Anschließend eröffnete er in Raab eine Buchhandlung. Der erlernte Beruf erfüllte ihn jedoch nicht, weshalb er sich der Jurisprudenz zuwandte und sich nach beendetem Studium in Pest (heutiges Budapest) als Anwalt niederließ.

Von der Wanderlust ergriffen, bereiste er als Sekretär des Fürsten Friedrich von Schwarzenberg die Türkei, Griechenland, die Walachei und Siebenbürgen. 1832 unternahm er eine Reise durch das von der Cholera geplagte Ungarn und veröffentlichte 1833 ein kritisches Buch über seine Reiseeindrücke in Ungarn. Darin prangerte er scharf die Armut der Landbevölkerung Ungarns an und verlangte Reformen, z.B. die Aufhebung der Leibeigenschaft. Er wandte sich strikt gegen die Vorherrschaft der Magyaren im Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, wie es vor allem der als großer Ungar gefeierte Adlige Graf Stefan Szechenyi forderte. Seine Schrift wurde von der metternichschen Zensur konfisziert. Hohe Verschuldung und Unzufriedenheit mit dem politischen System veranlaßten Ludvigh, sich zur Auswanderung nach Amerika zu entschließen. Am 6. Juni 1837 verließ er Bremerhafen mit dem Schiff.

Nach der Ankunft im Land der unbegrenzten Möglichkeiten hatte Ludvigh unverhofftes Glück, denn infolge einer Stellenvakanz konnte er kurze Zeit später die deutschsprachige Volkszeitung für Politik, Handel und Gewerbe, „Alte und neue Welt“, in Philadelphia als Herausgeber übernehmen. In New York gründete er 1843 einen Rationalistenverein, hielt viele Reden vor einem interessierten Publikum deutscher Einwanderer, die er in einer neuen Zeitung („Die Fackel“) veröffentlichte. Sie erschien unter seiner Herausgeberschaft bis zu seinem Tod am 14. Februar 1869.

Regelmäßig bereiste Ludvigh die Staaten, um die Wandlungen dieses Landes genau zu analysieren und darüber reflektieren zu können. Amerika war für ihn das Land der Zukunft.

Mit akribischer Genauigkeit berichtete er über Neuerungen im Kohlebergbau Pennsylvaniens, der Baumwollindustrie in Louisiana, der Schweinezucht in Indiana oder diskutierte Fragen der Einwanderungspolitik.

Ludvigh bereiste häufig von deutschen Einwanderern besiedelte Städte und hielt Vorträge, etwa in New York, wo 1850 rund 56.000 Deutsche lebten, in Philadelphia (23.000), in Baltimore (19.300) und in Cincinnati (49.500). Er sprach den Neuankömmlingen Mut zu beim Neuanfang. Vor allem war er bestrebt, seine Reformgedanken in den Kernbereichen Politik und Ökonomie, Natur sowie Kultur und Religion den Zuhörern nahe zu bringen. Er war davon überzeugt, daß die amerikanischerepublikanische Verfassung Garant für Freiheit und Gleichheit sei. Allerdings erkannte er auch die Gefahr, daß ein unbeschränktes Ausleben der gesetzlich garantierten Freiheit auf Dauer mehr Arme als Reiche schaffen werde, sah daher auch die Gefahr des Entstehens einer Geld- und Geistesaristokratie, zu der er Beamte, Soldaten, Anwälte, Ärzte und Priester zählte und diese als „herrschende Elemente der Republik“ bezeichnete. Nicht Fleiß oder Leistung erbringen Gewinn und soziale Besserstellung, sondern höhere Bildung und die Fähigkeit, andere zu übervorteilen. Ludvigh propagierte eine soziale Demokratie, die durch staatliche Regulierungsmaßnahmen den Egoismus des Einzelnen eindämmen sollte zugunsten der Erziehung und sozialen Sicherung aller Bevölkerungsschichten.

Den Deutschen in Amerika komme eine besondere Rolle zu. Neben dem den Deutschen zugedachten Geist sei es vor allem deren Fleiß, den Ludvigh immer wieder hervorhebt, denn durch diesen sei der amerikanische Westen erst zur Blüte gebracht worden. Beide Elemente prädestinierten die Deutschen als herausragende ethnische Gruppierung in den USA. Nach Ludvigh vereinigt der Deutsche die guten Eigenschaften, die beim Anglo-Amerikaner eher schwach ausgeprägt sind.

Weshalb die Deutschen in Amerika nicht zu einer führenden Macht wurden und immer mehr in den Sog des „melting pot“ gerieten, zeigt sich in seinem Bild, das auch die Schriftsteller des Vormärz immer wieder gerne benützten: Den trägen, politisch unmündigen und autoritätsgläubigen Michel. Zu den negativen Faktoren, die eine starke Ausprägung des Deutsch-Amerikanertums hemmten, zählte Ludvigh die immer wieder aufkeimende Zwietracht. Es müsse deshalb alles getan werden, die positiven Kräfte zu bündeln, sie positiv auszuprägen und sie zum Nutzen Amerikas zu entfalten.

Wie in seinem Heimatland Ungarn ist die deutsche Minderheit im großen Völkergemisch der Vereinigten Staaten weitgehend aufgegangen. Kulturelle Identität und Eigenständigkeit beschränkten sich vornehmlich auf die Gründung von Vereinen, in denen die Kultur der alten Heimat gepflegt wurde. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, blieb ihnen der Aufbau eines eigenen Schulwesens verwehrt, und so war die Verschmelzung mit der englischsprachigen Gesellschaft weitgehend vorprogrammiert.

Werke:Während Ludvigh 36 Jahre in seinem Heimatland Ungarn verbrachte, erschienen dort mehr als zehn Monographien, fast alle in deutscher Sprache. Die Auflagenzahl war sehr gering. Manche seiner Werke wurden von der Zensur verboten oder aus dem Verkehr gezogen. So etwa das Werk „Malerische Reise von Pesth nach Orsowa“. Teil I und II, 1835. In Amerika erschienen ungezählte Zeitungsartikel, viele Vorträge und mehr als 30 Werke, außerdem sieben vorzügliche Reisebeschreibungen. Die wichtigste von Ludvigh publizierte Zeitschrift, „Die Fackel“, erschien in New York, Baltimore, St. Paul und bis zu seinem Tod (1869) in Cincinnati. Den letzten Jahrgang (Heft 3 und 4) führte Ludvighs Frau Sarah zu Ende. Zu den Publikationen Ludvighs gehört auch eine englische Sprachlehre für Anfänger. Vorzüglich zum Gebrauch der Deutschen in Amerika (1843).

Lit.: Peter Berninger: Das Amerikabild in den Reiseberichten Samuel Gottlieb Ludvighs, Saulheim 1983 (Zulassungsarbeit). – Franz Brümmer: Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten, Reprint Nendeln/Liechtenstein 1975. – Bertalan Judith Csernake: Samuel Ludvigh, ein vergessener Reiseschriftsteller, (Dissertation) o.O. 1987. – Handwörterbuch des Grenz- und Auslandsdeutschtums, Bd. 2. Hg. von Carl Petersen, Otto Scheel, Paul Hermann Ruth und Hans Schwalm, Breslau 1936, S. 58ff.

Bild: Lithographie von Ehrgott und Krebs in Cincinnati; vermutlich nach einer Vorlage von Carl Fenderich um 1844.

Rudolf Fath