Biographie

Mach, Ernst

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Physiker, Philosoph, Psychologe
* 18. Februar 1838 in Chirlitz bei Brünn/Mähren
† 19. Februar 1916 in Vaterstetten bei München

Ernst Mach empfing die ersten Prägungen seines Denkens durch den zeitweiligen intensiven Einzelunterricht, den ihm sein Vater, ein Gymnasiallehrer, erteilte: Hier lernte er bereits eine auf Sinneswahrnehmung und Experiment orientierte Grundhaltung. Zugleich wurde er im sozial-liberalen Geist der Revolution von 1848 politisch geprägt und erzogen. In der Konsequenz der frühen Lektüre von Kants Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik stand für Mach schon in jungen Jahren fest, dass nicht nur das „Ding an sich“ hinter den Erscheinungen eine nur müßige Rolle spiele und deshalb zu verwerfen sei. Auch die dualistische Unterscheidung von „Ding an sich“ und „Erscheinung“ gab Mach bereits früh preis. In der Rückschau beschrieb er seine frühe Einsicht: „An einem heiteren Sommertage im Freien erschien mir mit einmal die Welt samt meinem Ich als eine zusammenhängende Masse von Empfindungen, nur im Ich stärker zusammenhängend. Obgleich die eigentliche Reflexion sich erst später hinzugesellte, so ist doch dieser Moment für meine ganze Anschauung bestimmend geworden“.

Auch später sollte Mach immer wieder auf konkrete Erfahrungen, auch diesseits des professionellen Experimentes, Bezug nehmen, wenn er seine erkenntniskritischen Erwägungen formulierte.

Mach war von Hause aus Naturwissenschaftler. Er nahm 1855 an der Wiener Universität zunächst ein Studium der Mathematik und Physik auf, 1860 schloss er es mit der Promotion ab. Er zeichnete sich zunächst als Experimentalphysiker aus. So gelang es ihm als jungem Wiener Dozenten, den Doppler-Effekt (also die zeitliche Stauchung bzw. Dehnung eines Signals bei Veränderungen des Abstands zwischen Sender und Empfänger während der Dauer des Signals) im Labor zu erzeugen. Mach warf aber zugleich erkenntnistheoretische Fragen nach der philosophischen Grundlegung der Einzelwissenschaften auf. Dies wird in seinem Hauptwerk Die Mechanik in ihrer Entwicklung historisch-kritisch dargestellt (1883) besonders deutlich. Den klassischen Topos von Ockhams Razor, das Prinzip der Denkökonomie, bekräftigt Mach darin nachdrücklich: „Alle Wissenschaft hat nach unserer Auffassung die Funktion, Erfahrung zu ersetzen“. Dies bedeutet auch, dass alle wissenschaftliche Theoriebildung auf sinnlicher Erfahrung beruht. 1867 wird Mach Professor für Physik in Prag, erst 1896 erhält er in Wien das neugeschaffene und auf seine Forschung und Lehre passgenau zugeschnittene Ordinariat für Geschichte und Theorie der induktiven Wissenschaften.

Von hier her konnte er neue Richtung des „Empiriokritizismus“ entwickeln. Sie wirkte auf die späteren Ausprägungen des Positivismus, insbesondere des Wiener Kreises, maßgeblich ein. Machs monistischer Grundgedanke besagt, dass sich alle komplexen Entitäten auf Elemente von Empfindungen und ihre funktionale Differenzierung zurückführen lassen. Nur auf dieser Grundlage sei eine kontrollierbare Wissenschaft möglich.

Die platonischen Gegensätze von Idee und Erscheinung sind nach Mach nur Täuschung. Alles, was existiert: Dinge, Körper, Materie, aber auch Ideen seien nur unterschiedliche Verknüpfungen der sinnlich wahrnehmbaren Elemente. Daher kann Mach auch die Newtonsche Unterscheidung des absoluten vom relativen Raum als metaphysisch zurückweisen – eine Argumentation, mit der er insbesondere auf Albert Einstein einwirkt.

Ein besonderes Problem stellt die Frage nach dem Subjekt dar. In seinem populären Buch Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen (1886) formulierte Mach den Satz: „Das Ich ist unrettbar!“. Legendär und vielzitiert wurde sein Beispiel, wie er sich selbst im Spiegel eines Abteilwagens wahrnimmt und zu dem Gedanken kommt: „Was ist das für ein herabgekommener alter Schulmeister!“ In der späteren Subjektivitätstheorie, etwa bei Manfred Frank und in der analytisch-philosophischen Tradition, wird dieser Satz eher gegen Machs Intention gewendet. Er besage, dass man sich aufgrund eines spezifischen Zugangs zum Wissen von sich selbst über die Identifikation, nicht aber über das spezifische Faktum des Ich täuschen könne.

Eine von ihm nicht intendierte Rezeption erfuhr Mach in der Literatur der Jahrhundertwende. Für Hugo von Hofmannsthal und Robert Musil, der über Mach seine Dissertation schrieb, verwies Machs Konzeption auf den Ichzerfall, die Fragilität und den nur vorübergehenden, nicht aber substantiellen Charakter der Dinge und den illusorischen Charakter der Subjekt-Objekt-Ordnung des Cartesianismus.

Da Machs Empiriokritizismus im Austromarxismus der österreichischen Linken weit verbreitet und da diese erfahrungswissenschaftliche Grundierung im internationalen Marxismus unerwünscht war, formulierte Lenin seine Mach-Widerlegung in dem Werk Materialismus und Empiriokritizismus (1909). Auch Max Planck war von der weitgehenden Reduktion von Erkenntnisvorgängen in biologische Abläufe keineswegs überzeugt. Er beharrte gegenüber Mach auf der Existenz einer eigenständigen idealen Wirklichkeit, die auch existiert, wenn sie kein Subjekt erkennt. Diese Konzeption sollte insbesondere bei Heisenberg eine zentrale Rolle spielen.

Machs Philosophie bereitete auch den Falsifikationismus von Karl Poppers „Kritischem Rationalismus“ mit vor. So formulierte Mach in seinem späten Hauptwerk über Erkenntnis und Irrtum (1905): „Erkenntnis und Irrtum fließen aus den selben Quellen; nur der Erfolg vermag beide zu scheiden. Der klar erkannte Irrtum ist als Korrektiv ebenso erkenntnisfördernd wie die positive Erkenntnis“.

Lit.: J. Blackmore (ed.), Ernst Mach – A deeper look, Dordrecht 1992. – J. Bradley, Machs Philosophie der Naturwissenschaften, Stuttgart 1974. – R. Haller/F. Stalder, Ernst Mach. Werk und Wirkung, Wien 1988. – F. Stadler, Vom Positivismus zur ‚Wissenschaftlichen Weltauffassung‘. Am Beispiel der Wirkungsgeschichte von Ernst Mach in Österreich von 1895 bis 1934, Wien/München 1982.

Bild: Charles Scolik – Österreichische Nationalbibliothek.

 

Harald Seubert