Ernst March wurde als jüngster Sohn des Jakob March und seiner Ehefrau Anna, geborene Kadolph geboren. Seit 1700 sind seine Vorfahren in Hinterpommern nachweisbar. Die kleine Pension, die der Vater aus einer mehrjährigen Dienstzeit als Musketier beim Brüningschen Regiment bezog, als auch die Erträge aus der Bewirtschaftung einer kleinen Bauernstelle setzten der Familie enge wirtschaftliche Grenzen. Arbeitskräfte zu beschäftigen war den Eltern finanziell nicht möglich, so daß die Kinder schon frühzeitig mit anpacken mußten. Bereits mit fünf Jahren wurde Sohn Ernst zum Hüten des Kleinviehs bestimmt. Um die dabei auftretende Langeweile zu überbrücken, schnitzte er Spielzeug, baute einen Puppenwagen für seine Schwester und konstruierte mit einfachsten Mitteln eine Sonnenuhr, die ihm die Zeit anwies, zu der er das Kleinvieh nach Hause zu führen hatte.
Da die einklassige Dorfschule nach Meinung des Vaters den aufgeweckten Jungen nicht hinreichend fördern konnte, wechselte dieser zur Stadtschule in Rügenwalde. Nach erfolgreich abgeschlossener Volksschule, bewarb er sich als Hilfsschreiber bei Oberlandesgerichtsrat Gneist in Köslin. Dieser war von dem vielseitig interessierten Jungen so angetan, daß er ihn fragte, ob er mit ihm nach Berlin mitziehen wolle. Der Wechsel vom eher beschaulichen Hinterpommern ins pulsierende, hektische Berlin fiel ihm nicht leicht. Bei einer Familie Fellner, die in Berlin eine gutgehende Ofenfabrik betrieb, fand er eine erste Aufnahme. Von der neuen Umgebung und seinen Vermietern angetan, entschloß sich March zur Verwunderung seines Förderers, nunmehr Kunsttöpfer zu werden. Mit gewohnter Selbstdisziplin und beispielgebendem Elan begann er fünfzehnjährig (1813) die Lehre. Geschicklichkeit und Kunstsinn des Jungen veranlaßten seinen Lehrmeister schon bald, ihm den Besuch der Königlichen Kunstakademie zu ermöglichen, damit er seine Fähigkeiten im Zeichnen und Modellieren verbesserte. Daß Marchs Können an der Akademie hoch geschätzt wurde, unterstreicht nicht nur das glänzende Zeugnis, sondern auch die Verleihung der großen silbernen Preismedaille.
Nach erfolgreich abgeschlossener Lehrzeit (1818) begab sich March auf Wanderschaft, um sein Wissen mittels so gewonnener Erfahrungen zu erweitern. Über die Werkstatt des Eutiner Töpfermeisters Niemann und den Offenbacher Unternehmer Urban Keller gelangte March zur renommierten Steingutfabrik von Villeroy & Boch in Wallerfangen (Kreis Saarlouis). Aber selbst die 1827 erfolgte Einsetzung Marchs zum Leiter der Steingutfabrik von Paul Utzschneider in Saargemünd ließ ihn nicht dauerhaft im Westen Deutschlands seßhaft werden. 1832 gab er seine lukrative Stellung bei Utzschneider auf, um nach Berlin zurückzukehren. Nicht unwichtig für seinen Entschluß war, daß sein einstiger Lehrmeister Fellner ihm sowohl die Leitung seines Betriebes als auch eine nicht unbedeutende Gewinnbeteiligung anbot. Zudem verlieh man ihm die Meisterwürde und ernannte ihn zum Mitglied der Korporation der Berliner Kaufmannschaft.
Bei so viel Ehren verwundert es vielleicht, daß March die Fellnersche Fabrik trotz erfolgreichen Wirkens nach nur drei Jahren wieder verließ, um sich selbständig zu machen. Voraussetzung dafür bot der Erwerb eines ehemaligen Fabrikgeländes in Charlottenburg, Tiergartenfeld Nr. 17. Einst zum Betrieb einer Ölmühle vorgesehen, besaß das erworbene Fabrikgelände mit nur einem Brennofen und wenigen kleinen Werkstätten nicht gerade günstige Voraussetzungen, um erfolgreich am Markt zu bestehen. Aber das Improvisationsgeschick und der Zuspruch seiner zahlreichen Freunde, darunter so berühmter wie der Berliner Maler Eduard Gärtner sowie die Bildhauer Dankberg und Granzow, schafften es, die üblichen Anfangsschwierigkeiten zu überwinden. Die am 1. Januar 1836 eröffnete Werkstatt gilt als Keimzelle eines vielseitigen Unternehmens, das dank der Innovationen ihres Gründers für die Keramik im Dienste von Kunst, Architektur und Technik in Deutschland bahnbrechend wirkte.
Marchs Firmengründung fällt in die Zeit, in der keramische Formen in zunehmendem Maße neueren Baustoffen und eisernen Behältnissen weichen mußten. Als mit großen keramischen Behältnissen kein Geld mehr zu verdienen war, gewannen Marchs künstlerische Neigungen an Gewicht. Stärker als bisher galt den kunstvollen, wetterbeständigen Skulpturen, Statuen, Bauverzierungen, Gartenvasen und ähnlichem sein besonderes unternehmerisches Interesse.
Vor allem der Königliche Geheime Oberbaurat August Stüler sowie die zu seinem Ressort gehörenden Baubeamten förderten das Ansehen des noch jungen Unternehmens mit Aufträgen. Aus der breit gefächerten Palette künstlerisch bedeutender Erzeugnisse sei nur an den farbkräftigen Mosaikfußboden im Neuen Museum zu Berlin und Marchs keramische Verzierungen für die von Stüler errichtete Kuppel des Berliner Schlosses erinnert. Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der mehrfach die Werkstatt Marchs besuchte und zu seinen besonderen Förderern gehörte, ehrte das Lebenswerk Marchs 1844 mit der Verleihung der Goldenen Medaille.
Marchs Kunstsinn und rastlosem Einsatz war es zu verdanken, daß die Fabrikation von weißem Steingutgeschirr und die Fertigung aufwendiger Skulpturen und Statuen bei gleichzeitiger Ausdehnung des Absatzgebietes zunahmen. Es hätte dem Charakter des bescheiden gebliebenen Hinterpommern widersprochen, wenn er darüber die Maßstäbe verloren hätte. Disziplinlosigkeit und Heuchelei waren ihm ähnlich zuwider wie Geschwätzigkeit. Er genoß den Kontakt zu Künstlern, scheute sich andererseits mit sogenannten „Tabakaschen-Fabrikanten“ Kontakte zu pflegen. Vorübergehend betätigte sich March als ehrenamtlicher Stadtverordneter in Charlottenburg. Daß er auf den unbebauten Flächen seines Grundstücks Kartoffeln anbauen ließ, die er an das Charlottenburger Waisenhaus, seine Arbeiter und Freunde kostenlos verteilte, läßt Rückschlüsse auf Herkunft, Erziehung und soziale Einstellung zu. Trotz seines Ansehens und seiner Wohlhabenheit ist March sich stets treu geblieben. Er schonte sich nicht. Er setzte Maßstäbe. Seine Verantwortlichkeit lebte von immer neuen Denkanstößen. Im noch nicht einmal vollendeten 50. Lebensjahr verstarb March am Orte seines Wirkens.
Wenn vom preußischen König 1851 eine Brücke und 1863 eine im Zuge dieser Brücke liegende Straße in Berlin den Namen Marchs erhielten, so wird darin die große Verehrung für ihn sichtbar, die bis in unsere Zeit nachwirkt. Der Keramiker Ernst March wirkte bahnbrechend im Dienste der Kunst und der Architektur.
Lit.: Paul March: Erinnerungen an Ernst March, 1798-1847. Für dieFamilie aufgezeichnet. Als Handschrift gedruckt. Charlottenburg 1900. – Paul March: Ernst March (1798-1847), In: Pommersche Lebensbilder, zweiter Band, hrsg. von der Historischen Kommission für Pommern, Stettin 1936, S. 50-60. – H. Mackowsky: Vier Generationen March in Berlin. Festvortrag bei der Hundertjahrfeier der Marchschen Familie am 26. Januar 1936. Bericht darüber in Nr. 45 und 46 der Deutschen Allgemeinen Zeitung vom 29. Januar 1936.
Gottfried Loeck