Biographie

Marczy, Oskar

Herkunft: Karpatengebiet
Beruf: Bundesvorsitzender der Karpatendeutschen Landsmannschaft
* 6. März 1924 in Forberg, Oberzips/Slowakei
† 26. April 2006 in Berlin

Der Bundesvorsitzende der Karpatendeutschen Landsmannschaft, Herr Oskar Marczy, steht auch im 80. Lebensjahr noch mitten in seinen Pflichten und Aufgaben, die er mit dem ihm eigenen Elan erfüllt, kann aber fürwahr auf ein rastloses und erfolgreiches Leben zurückblicken, das stets von dem Ziel geprägt war, für andere Menschen zu wirken.

Oskar Marczy wurde am 6. März 1924 in Forberg/Oberzips als ältester Sohn des Lehrers Erwin Marczy und seiner Frau Wilhelmine geboren. Er hatte noch zwei jüngere Brüder, Artur, der im Kriege fiel, und Otto, der heute in seiner Nähe im Stuttgarter Raum wohnt. Er wuchs in der ländlichen Idylle eines Zipser Dorfes auf und ging bei seinem Vater in die deutsche Volksschule. Anschließend besuchte er das Deutsche Evangelische Gymnasium in Kesmark, anfangs von Forberg aus und als seine Vater nach Michelsdorf bei Poprad versetzt wurde, von dort täglich mit der Bahn. Dabei nahm er die Mühen als Fahrschüler auf sich, doch die Freuden über die Gemeinschaft der Jugend überwogen in dieser Zeit. Im Frühjahr 1944 legte er mit dem letzten Jahrgang des deutschen Gymnasiums seine Maturaprüfung ab.

Wie so viele wurde er zum Militär eingezogen und mußte das Ende des Krieges in Fichtenwalde bei Berlin erleben. In einer abenteuerlichen Flucht schlug er sich mit einem Fahrrad von Berlin bis an die Donau durch, weil er in der Nähe von Melk seine Eltern vermutete. Doch diese fand er erst später in Bernried am Starnberger See. Nach Arbeiten in der Landwirtschaft und in einer Speditionsfirma wollte er sein Studium aufnehmen. Er entschied sich, was seinem Wesen entsprach, für den Lehrerberuf und bestand im Sommer 1946 die Aufnahmeprüfung an der Pädagogischen Hochschule in München.

Schon im Herbst 1947 konnte er in Roth bei Nürnberg die erste Schulklasse unterrichten und 1950 übernahm er die Schulleitung der zweiklassigen Volksschule in Vestenberg bei Ansbach. Hier war er nicht nur Lehrer, sondern auch Jugendleiter, der Erbauer einer Freilichtbühne für die Schuljugend und der Förderer des Sports, so daß er seine pädagogischen und organisatorischen Fähigkeiten ausleben konnte. In Vestenberg gründete er auch eine Familie mit seinen beiden Söhnen Roland und Rainald.

Weil aber Oskar Marczy in der Nähe seiner Eltern sein wollte, zog er 1960 in den Kreis Böblingen bei Stuttgart; zuerst war er drei Jahre Konrektor in Weil im Schönbuch und 1963 wurde er zum Rektor der Johann-Bruecker-Schule in Schönaich berufen. Hier konnte er moderne pädagogische Ideen verwirklichen, indem er eine neue Grundschule einrichtete, die Hauptschule baulich erweiterte und einen Realschulzweig anschloß. Seine Schule galt über Jahre als anerkannte Reformschule, die von vielen Lehrern und Gemeinderäten als mustergültiges Beispiel besichtigt wurde.

Daneben engagierte sich Oskar Marczy auch politisch, zuerst in der Kommunalpolitik, seit 1965 war er im Gemeinderat und seit 1970 auch im Kreistag. Durch seinen Bekanntheitsgrad wurde er 1968 als F.D.P.-Abgeordneter in den Landtag von Baden-Württemberg gewählt und wirkte hier besonders als schul- und sportpolitischer Sprecher seiner Fraktion. In diesen Bereichen ist er bis heute noch Berater seiner Partei in Baden-Württemberg.

Seit seiner Jugend trieb Oskar Marczy Sport, vor allem spielte er Handball. So traf es sich, daß er in seinen politischen Ämtern auch viel für die Sportförderung tun konnte. Unter anderem war er von 1969 bis 1989 Sportkreisvorsitzender im Kreise Böblingen. Im Jahre 1981 wurde er zum Präsidenten des Handballverbandes Württemberg gewählt; dieses Amt konnte er in zwölf Jahren mit großer Tatkraft und vielen neuen Ideen ausfüllen. Ein Projekt ist das Handball-Teilinternat Ostfildem, das bis heute bundesweit Handballtalente fördert.

So wird es verständlich, daß ein so stark engagierter Mann erst in den älteren Tagen aktiv in die Arbeit der Karpatendeutschen Landsmannschaft einbezogen werden konnte. Als im Jahre 1987 der damalige 2. Bundesvorsitzende Ladislaus Guzsak plötzlich verstorben war, wurde Herr Marczy gefragt, ob er im Vorstand mitarbeiten könnte. Er ließ sich zum 2. Bundesvorsitzenden wählen und arbeitete sechs Jahre mit dem 1. Bundesvorsitzenden, Herrn Isidor Lasslob gut zusammen, so daß es sich nach dem Rücktritt von Herrn Lasslob im Jahre 1993 ganz logisch ergab, daß Herr Marczy den Bundesvorsitz übernahm. Die Zeit seiner Amtsführung war von der Wende und der „sanften Revolution“; in der Slowakei geprägt, so daß sich für die Landsmannschaft ganz neue Aufgabenstellungen ergaben. Vor allem bemühte sich Herr Marczy um die verbliebenen Deutschen in der Slowakei, die sich im „Karpatendeutschen Verein“ zusammengeschlossen hatten. Durch Unterstützung der Bundesministerien konnte er an der Schaffung von den Begegnungshäusern für die Deutschen in den einzelnen Regionen der Slowakei mitwirken. Ein besonderes Anliegen war ihm die Förderung des Deutschunterrichts in den Schulen der Slowakei, die deutschstämmige Kinder besuchen – er bemühte sich um den Einsatz von deutschen Lehrern und um die Förderung der deutschen Sprache. Dieses Anliegen bewegt ihn bis heute und in die Zukunft hinein.

Für seine großen Verdienste wurde er im Jahre 1997 von seiner Heimatstadt Kesmark in der Oberzips/Slowakei zum Ehrenbürger ernannt. Seine vielfältige und erfolgreiche Arbeit wurde mehrfach gewürdigt, indem er die Landesverdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg erhielt und auch Inhaber des Bundesverdienstkreuzes am Bande und seit 1994 der ersten Klasse ist.

Die Arbeit der Karpatendeutschen Landsmannschaft und der anderen karpatendeutschen Organisationen ist in den letzten Jahren gekennzeichnet vom Alterungsprozeß der Frauen und Männer, die der Erlebnisgeneration angehören und sich über Jahre für die Gemeinschaft der Karpatendeutschen eingesetzt haben. Unter diesem Aspekt hat der Bundesvorsitzenden Oskar Marczy ein schweres Amt, weil die Schar der Getreuen immer geringer wird. Obwohl er selbst von gesundheitlichen Problemen nicht verschont ist, führt er sein Amt mit einem imponierenden Engagement und mit einer bemerkenswerten Begeisterung, setzt immer neue Impulse und läßt sich von guten Ideen überzeugen. Sein Ziel ist, die landsmannschaftlichen Aufgaben in guter Zusammenarbeit mit allen Organisationen und beteiligten Personen auf eine Basis zu stellen, die für die Zukunft Bestand hat, denn es geht uns um die Erhaltung unseres kulturellen Erbes.

Bild: Archiv des Autors

Hans Kobialka