Viele unter den Hörern aus dem Verbund des alten Nordwestdeutschen Rundfunks kannten seine Stimme, vielleicht auch seinen Namen, zumindest aber wußten sie, wer dieser „Herr Sanders“ war, der da seit dem 14. März 1949 regelmäßig seinen Schallplattenschrank öffnete, um mehr als zwei Jahrzehnte hindurch eine der beliebtesten und bekanntesten Musiksendungen des deutschen Rundfunks zu präsentieren: Franz Marszalek, der sich bescheiden Kapellmeister nannte, der aber eigentlich das war, was man einen Vollblutmusiker mit vielseitigen Interessen und ungewöhnlichen Fähigkeiten nennen müßte, ein Mann, der sein Können und seinen Einfallsreichtum gleichermaßen dem Theater wie dem Film wie eben auch dem Rundfunk widmete.
Franz Marszalek, am 2. August 1900 in Breslau geboren, Absolvent des Realgymnasiums am Zwinger zu Breslau, Student der Mathematik, der Naturwissenschaften und der Nationalökonomie und schließlich der Musikwissenschaft an der Schlesischen Friedrich-Wilhelm-Universität unter dem Senior der deutschen Musikwissenschaft Professor Max Schneider und am Akademischen Institut für Kirchenmusik unter Domkapellmeister Siegfried Cichy, hat von 1921 bis 1933 auf verschiedenen Gebieten in seiner Heimatstadt als Kapellmeister gewirkt.Seine Berufslaufbahn begann er 1921 am Breslauer Schauspielhaus und war von 1927 an Dirigent des Schlesischen Landesorchesters und Kapellmeister im Breslauer Filmtheater Gloria-Palast, wo es seine Aufgabe war, die Stummfilme jener Zeit musikalisch zu illustrieren. Dort entdeckte ihn sehr bald der damalige musikalische Leiter der Schlesischen Funkstunde, Dr. Edmund Nick. Er holte ihn im August 1928 in das Breslauer Funkhaus, wo er sich als Orchesterleiter bald einen weithin bekannten und geschätzten Namen machte.
Theater in Berlin, Köln und München waren dann von 192 bis 1939 die weiteren Stationen seines Wirkens, und von 1942 bis 1945 kehrte er wieder zum Rundfunk zurück, diesmal in Berlin und in Königsberg. Nach dem Kriege war Franz Marszalek nach kurzem Theater-Zwischenspiel zunächst bei RIAS Berlin tätig und folgte dann 1949 einem Ruf des damaigen WDR-Intendanten Hanns Hartmann in das Funkhaus in Köln, wo sich ihm in den folgenden 20 Jahren – nicht nur im Bereich der musikalischen Unterhaltung – ein weites Feld für seine vielseitige künstlerische Begabung öffnete. Hier erwies er sich als ein Meister der qualitätsvollen leichten Muse. Hörfunk und Fernsehen profitierten in diesen Jahren von seinem Können, ebenso aber auch der Film wie die Musikpflege der Nachkriegsjahre überhaupt. So hatte er die musikalische Leitung bei über 60 Tonfilmen, dirigierte rund 70 Operetten-Aufnahmen und zahlreiche Operetten-Konzerte, wobei allein mit dem Kölner Rundfunk-Sinfonie-Orchester an die 1200 Bandaufnahmen entstanden, hatte schon 1937 u.a. die Johann-Strauß-Operette „Karneval in Rom“ bearbeitet, die dann sofort ihre Uraufführung in Dortmund hatte, gab die Werke seines Komponisten-Kollegen Eduard Künneke heraus, erhielt im November 1964 die „Goldene Maske“ für über dreieinhalb Millionen verkaufte Operetten-Langspielplatten und wurde schließlich am 19. März 1966 mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Als er am 14. März 1949 seiner außerordentlich erfolgreichen Hörfunksendung „Herr Sanders öffnet seinen Schallplattenschrank“ zum erstenmal seine Stimme lieh, sagte er: „In unserem Schallplattenschrank gibt es seltene, vergessene, vielleicht heute einmalige Kostbarkeiten. Da jeder Sammler das verpflichtende Gefühl hat, das, was ihn so erfreut, mit anderen zu teilen, so erfülle ich mir einen Wunsch – und hoffe, damit auch die Wünsche vieler Musikfreunde zu erfüllen, weil ich in meinen Schallplattenschrank greife. Ich will nicht nur Erinnerungen erwecken, ich will die schönsten Stimmen unserer Opernhäuser aufleben lassen, will den Zauber musikalischer Erlebnisse beschwören, ich will Sie zu Höhepunkten großer Opernabende führen“.
Als Franz Marszalek am 28. Oktober 1975, zwölf Wochen, nachdem er sein 75. Lebensjahr vollendet hatte, in Köln starb, würdigte der WDR sein Lebenswerk mit den Worten: „Es ist dem Verstorbenen zu danken, wenn sich die Türen zu vielen Raritäten und klingenden Kostbarkeiten der Musik einem dankbaren Millionenkreis von Hörern geöffnet haben. Damit hat sich Franz Marszalek selber ein Denkmal gesetzt“.