Biographie

Mathesius, Johannes

Herkunft: Sudeten (Böhmen u. Mähren, österr. Schlesien)
Beruf: Lehrer, Pfarrer, erster Lutherbiograph
* 24. Juni 1504 in Rochlitz an der Iser
† 7. Oktober 1565 in St. Joachimsthal

Zwei Dinge sind es, die ein Gedenken an Johannes Mathesius vor allem rechtfertigen: Er war der erste „Lutherbiograph“, und er steht als Musterbeispiel für das humanistisch-reformatorische Bildungswesen – das Prinzip, das für Nachhaltigkeit der Reformation sorgte. Wie kaum einem anderen gelang es ihm, an seiner Wirkungsstätte die Reformation durchzusetzen durch die Verbindung von katechetischer Unterweisung und allgemeiner Bildung.

Johannes Mathesius wurde am 24. Juni 1504 als dritter Sohn des angesehenen Ratsherrn Wolfgang Mathesius und dessen Ehefrau Christine, geb. Scheuerfuß, in der sächsischen Kleinstadt Rochlitz geboren. Nach dem Besuch der Schulen in Rochlitz und dem nahe gelegenen Mittweida begab er sich kurz nach dem Tode seines Vaters 1521 nach Nürnberg; zwei Jahre später finden wir ihn als Student an der Ingolstädter Universität. Die Jahre dort fallen genau in die Zeit, in der sich diese Hochschule zu einem Gegenpol zum reformatorischen Wittenberg entwickelte. Einer sehr kurzen Anstellung in München folgte dann eine Hauslehrerstelle bei der Familie von Auer in Odelzhausen bei Augsburg. Als 1529 die wegen der Pest aus Wittenberg nach Jena evakuierte Universität wieder zurückzog, ging auch Mathesius nach Wittenberg. Die Lektüre von Luthers „Sermon von den guten Werken“ hatte u.a. dazu geführt, daß er sich selbst bei Luther (1483-1546), Philipp Melanchthon (1497-1560), Johannes Bugenhagen (1485-1558) und Justus Jonas (1493-1555) ein Bild der Reformation machen wollte. Aus Kostengründen blieb er allerdings nur ein Jahr und folgte dem Angebot, in Altenburg als Baccalaureus Gehilfe des städtischen Schulrektors zu werden. Hier war spätestens seit der 1538 von Georg Spalatin (1484-1545), dem dortigen Pfarrer, durchgeführten Visitation die Reformation eingeführt.

1532 wurde er direkt nach dem 1516 durch die Grafen von Schlick wegen des Bergbaus gegründeten St. Joachimsthal in Böhmen berufen. Fortan sollte dieser Ort eng mit seinem Namen verbunden sein. Mathesius war hier der siebente Lehrer und sollte füracht Jahre prägend als Rektor wirken. Er sorgte für eine Umgestaltung der Lateinschule in eine evangelische Bildungsanstalt, in der sich Humanismus und Reformation gegenseitig befruchteten. Neben dem Katechismusunterricht war es vor allem der Unterricht in Latein sowie den Sprachen der Bibel (Griechisch und Hebräisch), der dies zum Ausdruck brachte.

1540 begab sich Mathesius noch einmal für zwei Jahre nach Wittenberg, nun nicht mehr nur als zahlender Student, sondern als Tischgenosse Luthers. Aus dieser Zeit stammen auch seine Aufzeichnungen, die eine der Vorlagen für die Tischreden Luthers wurden. Ordiniert kehrte er 1542 zurück und wurde Prediger in seiner Stadt. Im gleichen Jahr heiratete er Sibylle, die Tochter des Bergbaubeamten Paul Richter. Vier Jungen und drei Mädchen wurden in der Ehe geboren, die als Prototyp eines „evangelischen Pfarrhauses“ gilt.

Als infolge des Besitzwechels von St. Joachimsthal – der böhmische König Ferdinand I. (1503-1564) zog das Lehen der Familie Schlick ein, und das so einträgliche St. Joachimsthal stand ab sofort unter königlichem Patronat – der Pfarrer aus Furcht vor Verfolgung durch den altgläubigen König floh, wurde Mathesius 1545 Pfarrer der Stadt. Er blieb in St. Joachimsthal und sorgte dafür – bis hin zu einer Vorladung beim König –, daß im Schmalkaldischen Krieg die Joachimsthaler nicht gezwungen wurden, auf Seiten ihres Königs gegen ihre evangelischen Glaubensgenossen in Sachsen zu kämpfen.

Mathesius blieb St. Joachimsthal bis an sein Lebensende treu. Nicht wenige Offerten gab es, die er aber alle ablehnte: Schon 1546 bemühten sich Melanchthon und Camerarius, ihn für die Leipziger Universität zu gewinnen. Auch 1553 und 1555 waren Versuche, ihn dorthin zu holen, vergeblich. Selbst zeitweilig wollte Mathesius seine Gemeinde nicht verlassen. Weder war er bereit, am Trienter Konzil teilzunehmen, noch in Nürnberg bei der Klärung der osiandrischen Streitigkeiten vor Ort zu sein. Trotz allem war er hier nicht abgeschnitten von den Ereignissen, sondern unmittelbar beteiligt. Bedeutende reformatorische Persönlichkeiten suchten ihn in seinem Domizil auf, und er führte eine weite Korrespondenz.

Der Tod seiner Frau im Jahre 1555 war für ihn ein schwerer Schlag. In den durch Krankheit gezeichneten Jahren bis zu seinem friedlichen Tod 1565 kann er die Schriften, die seine bleibende Bedeutung begründen, verfassen bzw. zum Druck bringen. Allen voran sind die 1566 im Druck erschienene St. Joachimsthaler Kirchen-, Schul- und Spitalordnung von 1551, die vor den Bergleuten gehaltenen „Sarepta-Predigten“ (1553-1562) und die siebzehn Predigten über Luthers Leben – die erste Biographie des Wittenberger Reformators (erschienen 1566) – zu nennen. In den Sarepta (Schmelzhütte)-Predigten griff Mathesius nicht nur die deutsche Sprache auf, sondern predigte ganz bewußt für die Bergleute, indem er ihren Sprachgebrauch und ihre Lebenswelt aufgriff.

Die Gegenreformation brachte schließlich auch in St. Joachimsthal die reformatorische Blüte zu Fall. Schon zwei Generationen später war von dem Wirken Mathesius’ kaum noch eine Spur geblieben. Geblieben allerdings sind seine Predigten über Luther, die die Grundlage für die biographische Forschung zu Luther bilden sollten, sowie seine Kirchen- und Schulordnung, die zum Vorbild für zahlreiche andere Orte wurde, wenn das Kirchen- und Schulwesen im Sinne der Reformation neu geordnet werden sollte. Seine Predigten (über 1500 davon gedruckt) wurden zu einem der Fundamente für die bis heute andauernde große, auch persönliche Frömmigkeit im Erzgebirge.

Werke: Historien von Martin Luthers Anfang, Lehr, Leben und Sterben. Nürnberg 1566 (Dr. Martin Luthers Leben: in siebzehn Predigten dargestellt/hrsg. von Georg Buchwald. Leipzig 1887). – Georg Lösche: Johannes Mathesius: ausgewählte Werke. 4 Bde. Prag 1896-1904 (2. Aufl. 1908-1910).

Lit.: Stefan Beyerle: Mathesius, Johannes.Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 5 (1993), Sp. 1000-1011 (Lit.). – Georg Lösche: Johannes Matheisus, 2 Bde, 1895, Nachdruck 1971. – Günther Wartenberg: Johannes Mathesius und die Wittenberger Reformation. Johannes Mathesius a wittenbergská reformace, in: Sächsisch-böhmische Beziehungen im 16. Jahrhundert (= Sasko-české vztahy v 16 století), hrsg. von Friedrich Naumann, Chemnitz 2001, S. 142-149, 286-293.

Bild:Jean Jacques Boissard (1528-1602), Titelbild, bei G. Lösche, Johannes Mathesius.

Markus Hein