Biographie

Megerle, Therese

Herkunft: Ungarn
Beruf: Schriftstellerin
* 12. Mai 1813 in Pressburg
† 1. Juli 1865 in Wien

Über ihre Kindheit und Jungmädchenjahre ist nur wenig bekannt. War sie die Tochter eines ungarischen Gutsbesitzers Pop von Popenburg oder wirklich „nur“ die Tochter eines reichen Müllermeisters aus kleinbürgerlichem Milieu? Fakt ist, dass die wenige Monate vor der napoleonischen Völkerschlacht bei Leip­zig geborene Pressburgerin bereits als Sechzehnjährige, allenfalls Siebzehnjährige von dem elf Jahre älteren Georg Wil­helm Megerle (1802-1854) geheiratet wurde − was wohl der Zustimmung des Vaters oder eines anderen Vormundes bedurfte, außer sie wäre mit dem Stadtbarbier Megerle durchgebrannt. Dieser hatte eine Schwäche für das Theater, die er mit Therese teilte und die sie auch an ihre beiden Kinder Alfred Johann (* 1833) und Julius (1837-1890) weitergaben. Ob jedoch diese Verbindung zu Thereses − zunächst − sozialem Auf­stieg beitrug, wie die jüngere Forschung annimmt, darf zumindest bezweifelt werden, zumal von Therese selbst die Aussage stammt, dass ihre Großmutter Kammerfrau bei Kaiserin Maria Theresia gewesen sei. Angesichts ihrer späteren Ver­mögensverhältnisse − von einem in die Ehe eingebrachten Ver­mögen in Höhe von 60.000 Gulden ist die Rede − darf wohl doch eher von einer, vielleicht auch illegitimen, „Erbtochter“ ausgegangen werden.

Therese hatte nicht nur eine gute Erziehung genossen, sondern war für ein Mädchen ihrer Zeit sehr gebildet und zudem klug. Ihre Bildung kann, muss aber keineswegs von einer der Pressburger höheren Mädchenschulen herrühren, da sie nicht nur über die üblichen Französisch- und Geschichtskenntnisse der „höheren Töchter“ verfügte, sondern auch mit aktuellen ungarischen und englischen bzw. amerikanischen Texten umgehen konnte und sich auch als junge Ehefrau und Mutter nicht nur ihrem Heim und den Kindern widmete. An Geld kann es im Haushalt Megerle denn zunächst auch nicht gemangelt haben, sonst hätte Therese in einer Zeit ohne Schreibmaschine oder gar Computer, also nur mit der sprichwörtlichen Feder in der Hand, bis zum Jahr 1844 − zu diesem Zeitpunkt Mutter eines Elf- und eines Siebenjährigen − nicht drei Novellenbände ihrer in früheren Jahren entstanden Werke veröffentlichen können. Diese waren zuvor in den einschlägigen Unterhaltungsblättern erschienen, oft unter dem Pseudonym Leo Mai oder ganz ohne Angabe eines Autorennamen wie 1843 Die Hexe von Inverness als Unterhaltungsbeilage der Regensburger Zeitung. Andere Zeitungen wie Pannonia oder Der Wanderer druckten dieselben Texte zeitgleich unter ihrem Namen „Therese von Megerle“ ab − ob das „von“ im Namen lediglich der Bekanntheitsförderung dienen sollte oder ihr tatsächlich zustand, muss offen bleiben.

Diese Arbeiten brachten ihr den Ruf als „Preßburger Pichler“ ein, vielleicht auch unter dem Eindruck des Todes der österreichischen Schriftstellerin Caroline Pichler im Juli 1843, die hauptsächlich durch ihre historischen Romane bekannt geworden war. Therese Megerles drei Bände wurden u.a. in der Berliner Literarischen Zeitung angekündigt und 1844 in Pressburg bei Schaiba, zeitgleich und im Folgejahr noch einmal in Leip­zig bei Engelmann veröffentlicht. Die dreizehn Werke auf rund 500 Druckseiten hatten zwar Titel, die einem Groschenroman des 20. Jahrhunderts zur Ehre gereicht hätten, deren Qualität aber teilweise durchaus das Niveau der zeitgenössischen gehobenen Unterhaltungsliteratur erreicht. Die Kritik bewertete sie als „sehr unterhaltend, voll Leben und Handlung“.

Im selben Jahr 1844 hatte ihr Mann das Pressburger Theater übernommen, und die Theaterkundigen hegten Zweifel, ob der Stadtbarbier der Richtige für diesen Posten sei. Spöttische Stimmen gab es schon im Vorfeld der Uraufführung von Die Hexe von Inverness, der ersten Vorstellung unter der Leitung von Megerle am Ostermontag 1844. Für dieses Stück hatte „Frau Megerle, die Gattin des neuen Theaterdirectors in Preßburg“ nicht nur ihre Novelle dramatisiert, sondern wollte auch selbst die Titelrolle übernehmen. Die Kritik waren schließlich entsprechend: „Die Hexe von Inverneß von Therese von Megerle, laborierte an allen Uebeln der nach Erzählungen bearbeiteten Stücke, und entwickelte Schwächen, welche selbst eine prachtvolle Ausstattung nicht verhüllen konnte“. Auch das Stück Die Tochter des Spions aus dem Novellenband 3 von 1844, am 20. Dezember 1844 in Pressburg zum ersten Mal als Schauspiel aufgeführt, fand „trotz gelungener Einzelheiten“ keine Gnade vor den Augen der Kritiker.

Megerle, der im wahrsten Sinne des Wortes nicht kleckerte sondern klotzte, indem er die besten Schauspieler aus Ofen nach Pressburg holte, einen Teil des Orchesters aus Prag, und auch an der Dekoration seiner üppigen Bühnenbilder nicht sparte, gelang es jedoch mittelfristig, die Gunst des Publikums zu erlangen. Unter seiner ambitionierten Leitung wurden diverse anspruchsvolle und minder anspruchsvolle Autoren von Schiller bis Hesler und Nestroy gespielt, außerdem dramatisierte Fassungen populärer zeitgenössischer Romane aus der Feder von Therese, darunter das allegorische Festspiel Die Gabe der Ahnen (Pressburg 1849). Megerle übernahm auch die Bühnen in Győr/Raab und Sopron/Ödenburg und kaufte um 1850 in Wien den Erben seines Vorgängers Pokorny das Josephstädter Theater ab, das er zuvor gemeinsam mit der Arena im Wiener Vorort Hernals gepachtet hatte. Kurz vor dem Umzug der Familie nach Wien 1849 „adelte“ er seinen Namen in Megerle von Mühlfeld, vielleicht um eine Verwandtschaft zu Johann Karl Megerle von Mühlfeld vorzutäuschen, der 1835-1840 das private Mühlfeldtheater betrieben hatte. Eigenes Unvermögen und andere Widrigkeiten ließen seine Träume jedoch platzen, obwohl Therese bereits von Anfang an zu den meistgespielten Autoren des Josephstädter Theaters gehörte − zwar von der Presse weiterhin kritisiert, von den Zuschauern, Schauspielern und Theaterdirektoren jedoch begeistert aufgenommen –, dramatisierte sie weiterhin häufig die Prosawerke zeitgenössischer französischer, ungarischer und englisch schreibender Autoren. Bereits 1853 entstand ihre auf ihr Publikum zugeschnittene Fassung von Frau Stowe’s Roman: Onkel Toms Hütte aus dem Jahr 1852, die am 19. Februar 1854 in Wien uraufgeführt wurde. Megerle selbst nützte das nicht mehr viel. Noch im Jahr 1852 zahlungsunfähig − er hatte sich in einem Kaufvertrag über 135.000 Gulden sogar zur Schuldenübernahme verpflichtet − starb er 1854 vollkommen verarmt im Gefängnis.

Das Josephstädter Publikum liebte die „leichteren“ Stücke von Therese, deren Helden gewöhnlich lange und schwierige Prüfungen bestehen mussten, bis ihnen der Zufall das Glück bescherte, und zog ihre Dramen den anspruchsvolleren Werken unter Megerles Nachfolger vor. Dieser verpflichtete sie daraufhin weiter als Autorin. Ihr Drama Die beiden Grasel nach dem Roman von Eduard Breier von 1855, „einige achtzig Male aufgeführt“, wurde zu ihrem erfolgreichsten Stück. Insgesamt sollen ihre etwa 100 Theaterstücke − darunter auch Die Armen und Elenden nach Victor Hugos Roman Les Misérables aus dem Jahr 1862, am 21. Mai 1863 in Wien uraufgeführt − rund 20.000 Gulden eingespielt haben.

Ihr älterer Sohn Alfred, der zunächst noch Theatersekretär seines Vaters gewesen, später Episodist und Tänzer war, ging 1855 nach Kaschau, im Jahr darauf nach Salzburg, es folgten Stationen u.a. in Hamburg, Danzig, Lemberg und Pest. Der jüngere Julius blieb vermutlich in der Nähe seiner Mutter und wurde ebenfalls ein erfolgreicher Theaterschriftsteller und Regisseur. Sein 1864 im Theater an der Wien uraufgeführtes Stück Die Belagerung von Wien im Jahre 1683 durfte Therese noch miterleben.

An ihrem Begräbnis wohl am 10. Juli 1865, einem Montagnachmittag, nahmen nur enge Verwandte, vermutlich auch Alfred und seine Frau − die Sängerin Magdalena Anna Klenert − sowie einige Schauspieler des Josephstädter Theaters teil, da die Nachricht von ihrem Ableben erst nach der Beisetzung bekannt wurde.

Therese Megerle ist eine der schriftstellerisch tätigen Frauen des 19. Jahrhunderts, die von ihren Werken leben und ihre Familie ernähren konnten. Wenn wohl auch keine große Künstlerin, so bestimmte sie doch als eine von wenigen Autorinnen um die Mitte des 19. Jahrhunderts das Theaterleben sowohl in Pressburg als auch im Umkreis vom Wiener Josephstadttheater mit − ihr Broterwerb und die Wünsche ihrer Kundschaft hatten Vorrang vor künstlerischen Ambitionen, wobei davon ausgegangen werden kann, dass Therese Megerle ohne diesen Druck sicherlich einen eigenständigen Stil hätte entwickeln können.

Ihre Stücke wurden noch Jahrzehnte nach ihrem Ableben gespielt, ihre Werke teilweise sogar ins Tschechische übersetzt und in Buchform herausgegeben. Sie finden sich in vielen namhaften Bibliotheken Europas. Manche ihrer Novellen sind bis heute erhältlich.

Lit.: Nürnberger Blätter für Theater Kunst Mode geselliges Leben. Neue Folge der „Bühnenwelt“, Sonnabend, 27. Januar 1844, Nr. 12, S. 4. – Das Vaterland. Belletristisch-commercielle Zeitschrift von Richard Noisser, Nr. 25 (27.2.1844), S. 99. – Der Wanderer 1844, 2, Juli bis Dezember, S. 866. – Wiener Zeitung Nr. 155 (9.7.1865), S. 3. – Blätter für Musik, Theater und Kunst, XI. Jg, Nr. 55 (11.7.1865), S. 3. – Constantin von Wurzbach, Art. „Megerle von Mühlfeld, Therese“ in: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 17, Reprint der Ausgabe Wien 1867, Bad Fellnbach 2001. – Wilhelm Kosch, Deutsches Theater-Lexikon. Biographisches und Bibliographisches Handbuch, Bd. 2, Klagenfurt-Wien 1960, S. 1411. – B. Stachel, Art. „Megerle Julius“ bzw. „Megerle Therese geb. Popp“, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815-1950, Bd. 6 (1975), S. 190. – Anton Bauer/Gustav Korpatschek, 200 Jahre Theater in der Josefstadt 1788-1988, Wien-München 1988. – Viera Glosíková, Art. „Megerle,Therese (Ps. Leo Mai)“, in: dies., Handbuch der deutschsprachigen Schriftsteller aus dem Gebiet der Slowakei (17.-20. Jahrhundert), Wien 1995 (Österreichische Akademie der Wissenschaften, Veröffentlichungen der Kommission für Literaturwissenschaft, 15), S. 108f. – Milena Cesnaková-Michalcová, Geschichte des deutschsprachigen Theaters in der Slowakei, Köln-Weimar-Wien 1997. – Gertraud Marinelli-König, Oberungarn (Slowakei) in den Wiener Zeitschriften und Almanachen des Vormärz (1805-1848). Blicke auf eine Kulturlandschaft der Vormoderne. Versuch einer kritischen Bestandsaufnahme der Beiträge über die historische Region und ihre kulturellen Verbindungen zu Wien, Wien 2004. – Elisabeth Großegger, Mythos Prinz Eugen, Inszenierung und Gedächtnis, Wien [u.a.] 2014. – Ingrid Puchalová/Michaela Kováčová: „… aber ich bin ein Weib, was ist es mehr, und ‚seid froh, daß ihr es nicht zu sein braucht‘“. Über die deutschschreibenden Autorinnen aus dem Gebiet der heutigen Slowakei, Košice 2014 (Acta Facultatis Philosophicae Universitatis Šafarikianae 65). – Ingrid Puchalová, Frauenporträts. Lebensbilder und Texte deutschschreibender Autorinnen aus dem Gebiet der heutigen Slowakei, Košice 2014 (Acta Facultatis Philosophicae Universitatis Šafarikianae 66), S. 50-84. – Viera Glosíková, Drei deutschsprachige Autorinnen aus der Slowakei: M.T. v. Artner, T. Megerle, A. Schwarz-Gardos, in: Marta Součková/Ingrid Puchalová (Hrsg.), Na dlhej ceste k autorskej emancipácii žien − Auf dem langen Weg zur schriftstellerischen Mündigkeit von Frauen, Košice 2014 (Acta Facultatis Philosophicae Universitatis Šafarikianae 67), S. 88-99. – Heike Drechsler-Meel, Therese Megerle (von Mühlfeld). Eine Pressburgerin zwischen Kunst und Kommerz, in: Karpatenjahrbuch 2018, Jg. 69 (2017), S. 159-166.

Bild: Österreichische Nationalbibliothek.

Heike Drechsler-Meel, 2017