Biographie

Mehring, Franz Erdmann

Herkunft: Pommern
Beruf: Historiker, Publizist
* 27. Februar 1846 in Schlawe/Pommern
† 28. Januar 1919 in Berlin-Grunewald

Franz Mehring war der Sohn eines höheren Steuerbeamten und ehemaligen preußischen Offiziers. Seine Mutter war eine geborene von Zitzewitz und entstammte preußischem Uradel. Der junge Mehring wuchs in einem streng protestantischen Elternhaus auf und besuchte in Greifenberg/ Pommern das Gymnasium. 1866 bis 1868 studierte er in Leipzig, 1868 bis 1870 in Berlin Klassische Philologie.

1869 begann er damit, für die Berliner demokratische Tageszeitung „Die Zukunft“ zu schreiben. Mit den Herausgebern der Zeitung, den bekannten Demokraten Johann Jacoby und Guido Weiss, schloss er Freundschaft. Weiss betrachtete er als seinen Lehrmeister.

1871 bis 1873 war Mehring Mitarbeiter des Oldenburgschen Korrespondenzbüros „Reichs- und Landtagsberichte“, 1874/75 schrieb er für die liberale „Frankfurter Zeitung“ und für die demokratische Zeitschrift „Die Wage“.

1875 veröffentlichte er die Streitschrift Herr von Treitschke der Sozialistentöter und die Zukunft des Liberalismus. Er galt nun irrtümlich als Anhänger der Sozialdemokratie. 1876 griff Mehring den demokratischen Politiker und Besitzer der „Frankfurter Zeitung“ Leopold Sonnemann, der in unsaubere kapitalistische Geschäfte verwickelt war, heftig an. Dieser stand der Sozialdemokratie nahe, und deren führende Vertreter schätzten ihn sehr. Sie nahmen deshalb Sonnemann gegen die Kritik Mehrings in Schutz. Der ging nun generell gegenüber der Sozialdemokratie auf Distanz. In den Jahren 1877 bis 1880 veröffentlichte er mehrere antisozialistische Schriften, die er dann in dem Buch Die deutsche Sozialdemokratie, ihre Geschichte und ihre Lehre zusammenfasste. Für dieses Buch verlieh ihm die Philosophische Fakultät der Leipziger Universität 1882 den Titel eines Dr. phil.

1878 bis 1884 arbeitete Mehring für die liberale Bremer „Weser-Zeitung“. Seit 1880 befasste er sich intensiv mit den Schriften von Karl Marx. Er kritisierte die rigide Handhabung des Sozialistengesetzes und sympathisierte mehr und mehr mit den verfolgten Sozialdemokraten.

1884 bis 1890 war Mehring Mitarbeiter, seit 1889 Chefredakteur der demokratischen Berliner „Volks-Zeitung“. Er nahm freundschaftliche Beziehungen zu den führenden Sozialdemokraten August Bebel und Wilhelm Liebknecht auf.

1891 trat er in die Sozialdemokratische Partei ein. Im gleichen Jahr begann seine Mitarbeit am theoretischen Organ der Partei „Die Neue Zeit“. 1892 veröffentlichte er in der „Neuen Zeit“ die Lessing-Legende. Er wendete in dieser Schrift die Marxsche Methode der Ideologiekritik an und widerlegte den Mythos von der nationalen, kulturellen und sozialen Mission der Hohenzollern.

1892 wählten die Mitglieder der sozialdemokratischen Theaterorganisation „Freie Volksbühne“ Mehring zum Vorsitzenden. Er nahm diese Funktion bis 1895 wahr. 1898 erschien Mehrings wissenschaftliches Hauptwerk Geschichte der deutschen Sozialdemokratie. 1902 gab Mehring die Edition Aus dem literarischen Nachlaß von Karl Marx, Friedrich Engels und Ferdinand Lassalle heraus. 1902 bis 1907 war Mehring auch Chefredakteur der „Leipziger Volkszeitung“. Er schrieb auch für die sozialdemokratischen Blätter „Vorwärts“ und „Wahrer Jacob“.

Der Historiker Gustav Mayer, der Mehring gut gekannt hatte, schrieb in seinen Erinnerungen: Mehring war „… nicht nur der Historiker der [Sozialdemokratischen] Partei, sondern auch unbestritten ihr begabtester und von seinen zahlreichen Feinden am meisten gefürchteter Polemiker. Kaum jemand in Deutschland verfügte über eine schärfere Feder“.

1906 bis 1911 war Mehring an der zentralen Parteischule als Lehrer für Geschichte tätig. 1910 veröffentlichte er als ein Ergebnis seiner Arbeit an der Parteischule die Schrift Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters.

Am Vorabend des Ersten Weltkriegs sah es so aus, als bewege Mehring sich stetig nach links. Tatsächlich jedoch bewegte sich die SPD unter dem Einfluss ihres revisionistischen und ihres zentristischen Flügels mehr und mehr nach rechts. Mehring hielt in dieser Zeit an seiner Distanz zum preußisch-deutschen Staat fest und bekannte sich weiterhin zum revolutionären Charakter der Partei. Folgerichtig wurde er 1913 aus seiner Position als ständiger Mitarbeiter der „Neuen Zeit“ herausgedrängt.

Während des Ersten Weltkriegs gehörte Mehring zu den Linken um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, welche die Burgfriedenspolitik der sozialdemokratischen Parteiführung ablehnten. Er war an der Gründung der Spartakusgruppe beteiligt und trat 1917 in die USPD ein. 1916 nahmen ihn Militärbehörden für vier Monate in „militärische Schutzhaft“. Nachdem Karl Liebknecht 1916 verhaftet und wegen „Kriegsverrats“ und „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ verurteilt worden war, schrieb man 1917 für den Wahlkreis Potsdam-Spandau-Westhavelland Ersatzwahlen für den Reichstag und das Preußische Abgeordnetenhaus aus. Mehring bewarb sich für beide Mandate und wurde mit großer Mehrheit in das Preußische Abgeordnetenhaus gewählt.

1918 beteiligte sich Mehring an der Vorbereitung des Gründungsparteitags der KPD, konnte aber wegen Krankheit nicht an dem Parteitag teilnehmen. Kurz vor seinem Tode veröffentlichte er die erste Biographie von Karl Marx.

Lit.: Franz Mehring, Gesammelte Schriften. Hrsg. von Thomas Höhle, Hans Koch und Josef Schleifenstein, 15 Bände, Dietz Verlag, Berlin 1960-1967. – Thomas Höhle, Franz Mehring. Sein Weg zum Marxismus. 1869-1891, Rütten & Loening, Berlin 1956. – Helga Grebing und Monika Gramme, Franz Mehring, in: Hans-Ulrich Wehler (Hrsg.), Deutsche Historiker, Bd. V, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1972, S. 73-94. – Christoph Stamm, Mehring, Franz, in: Neue Deutsche Biographie, Duncker & Humblot, Bd. 16, Berlin 1990, S. 623-625. – Gustav Mayer, Erinnerungen. Vom Journalisten zum Historiker der deutschen Arbeiterbewegung, Georg Olms Verlag, Hildesheim/ Zürich/  New York 1993, S. 182-186. – Manfred Asendorf, Mehring, Franz, in: Manfred Asendorf und Rolf von Bockel (Hrsg.), Demokratische Wege. Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart Weimar 1997, S. 421 f.

Bild: Wikipedia gemeinfrei.

Gerd Fesser