Biographie

Meissner, Constantin

Herkunft: Siebenbürgen
Beruf: Lehrer, Schulreformer, Politiker
* 26. Mai 1854 in Iasi/Rumänien
† 19. September 1942 in Bukarest

Die 1848er Revolution führte in Österreich auch zu Migrationen in die oder aus den Randgebiete(n) der späteren Doppelmonarchie. Die Verunsicherung der Akademiker, ob sie nun an den Ereignissen beteiligt waren oder nicht, wuchs und hatte Abwanderungen in die umliegenden Länder zur Folge. Aus Galizien und aus der Bukowina gab es eine Aussiedlung deutscher Akademiker in Richtung Moldau. In der Hauptstadt des rumänischen Fürstentums wurde die dort vorhandene deutsche Minderheitengruppe nach 1848 durch Neuzugänge erheblich gestärkt. Zu den Neusiedlern gehörte auch das Ehepaar Josef und Anna Magdalena Meissner, die beide – nach Studien in Lemberg und Czernowitz – eine Privatschule in Czernowitz betrieben hatten und es 1851 vorzogen, in Jassy (Iaşi) ihre Tätigkeit fortzusetzen. Das „Meissner-Institut“, in dem in französischer und deutscher Sprache unterrichtet wurde, bestand bis 1891 und wurde von den Sprößlingen angesehener rumänischer Familien besucht. Weil Josef Meissner auch an staatlichen Schulen Deutschunterricht erteilte und sich gesellschaftlich engagierte, fanden seine Söhne günstige Entwicklungsmöglichkeiten vor.

Sein jüngster Sohn Constantin besuchte ausschließlich privateSchuleinrichtungen in Jassy, bestand dort 1870 das Abitur und studierte in Iaşi (1870-1871), Wien (1871-1874, wo er sein Jurastudium mit dem rechtshistorischen Staatsexamen abschloß) und Berlin bis 1876, als er – nach dem plötzlichen Tod des Vaters – die Jura- und Wirtschaftsstudien abbrechen und sich in Jassy um seine Familie kümmern mußte. Er übernahm die Unterrichtsverpflichtungen des Vaters am Nationallyzeum und an der Schule für Söhne von Militärangehörigen und unterrichtete Deutsch, obwohl er als Schüler von Moritz Lazarus, Theodor Mommsen, Lorenz von Stein eigentlich einen anderen Beruf bevorzugt hätte. Wie der Vater und andere Zeitgenossen mußte er an drei bis vier Schulen gleichzeitig unterrichten, weil das jeweilige Einkommen bescheiden war. Zum Dreh- und Angelpunkt seiner Lehrtätigkeit wurde ab 1879 die Lehrerbildungsanstalt, deren Direktor er seit 1886 war. Im gleichen Jahr beauftragte ihn das rumänische Unterrichtsministerium damit, Vorschläge für eine Reform des Volksschulwesens vorzulegen. Meissner suchte seine Modelle in Thüringen und besuchte in Jena, Weimar und Weißenfels verschiedene Schuleinrichtungen, trat mit bekannten Persönlichkeiten (Schleichert, Öhlwein, Ernst Häckel) in Verbindung und konnte 1889, als er zum Vorsitzenden der Kommission für die Aufstellung von Lehrplänen für die Volksschulen Rumäniens ernannt wurde, seine Erkenntnisse in Rumänien anwenden. Von 1895 war Meissner bis 1900 Generaldirektor des Unterrichtsministeriums für Fragen des Volksschulwesens; er überlebte drei Minister und konnte seine Erfahrungen – trotz der häufigen Regierungswechsel – kontinuierlich verwerten. Nach 1900 widmete er sich vorwiegend den Sonderschulen und den Anliegen von Schülern, die als Problemfälle galten. Nach 1905 tat Meissner dies gemeinsam mit seiner Frau Elena, geb. Buznea, die von 1901-1911 Direktorin der renommierten deutschen Humpel-Schule in Iaşi und eine Vorkämpferin der rumänischen Frauenbewegung war. Mit einer Fragebogenaktion wurden die gesamten rumänischen Schulen nach schwer erziehbaren Schülern befragt, die Ergebnisse der Auswertung dieser Umfrage sind in der Schrift „Schwer erziehbare Kinder und Umschulungsmöglichkeiten“ (1909) festgehalten. 1910 gründeten die Meissners den Verein für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, der durch Spenden namhafter Persönlichkeiten gefördert wurde.

Als Constantin Meissner 1913 in Rente ging und ihm eine Festschrift gewidmet wurde, hatte er längst auf dem politischen Parkett Erfolge erzielt. 1910 scheiterte er zwar bei seinem ersten Versuch, als Vertreter der Konservativen in den Senat einzuziehen (man warf ihm seine deutsche Herkunft als Indiz für einen vorgeblich fehlenden Patriotismus vor), aber von 1912 bis 1913 war Meissner Parlamentsabgeordneter, und nach dem Ersten Weltkrieg erhielt er in den kurzlebigen konservativen Regierungen 1918 und 1926-1927 Ministerposten (1918 als Minister für Industrie und Handel, 1926-1927 Minister für öffentliche Arbeiten). 1918 war er Präsident des rumänischen Abgeordnetenhauses. Aus dieser Zeit stammen die Beteiligungen an Industrieunternehmen (1920 am Baumaterialienunternehmen „Titan“, 1921 an der Gesellschaft „Grand Hotel Sinaia“, 1922-1923 an der Gesellschaft für Saatgut). Meissner erwarb 1918 die Buchdruckerei „Iaşul“, ebenso Landbesitz in Vaslui und bei Iaşi, und diese Wirtschaftsaktivitäten erlaubten es ihm, 1934 eine „Stiftung Meissner“ für schwer erziehbare Jugendliche ins Leben zu rufen.

Was dem Schulreformer nicht vorenthalten worden war, wurde dem Politiker noch reichlicher gespendet: öffentliche Anerkennung. Schon 1893 hatte Meissner die Auszeichnung „Stern Rumäniens“ (Steaua României) erhalten, 1899 eine Medaille für Verdienste um das Schulwesen, 1912 verlieh man ihm das Komturkreuz des österreichischen Franz-Joseph-Ordens, 1927 sogar das Großkreuz des Ordens „Krone Rumäniens“ (Coroana României). 1934 erhielt die Lehrerbildungsanstalt in Iaşi den Namen Constantin Meissner, und bis 1945 stand eine Meissner-Porträtbüste von Ion Mateescu vor dieser Schuleinrichtung. Seit 1878 war Meissner Mitglied der angesehenen Literaturvereinigung „Junimea“, in der alle, die in Rumänien Rang und Namen besaßen – auch die drei „Klassiker“ der rumänischen Literatur, Mihai Eminescu, Ion Creangă, Ion Luca Caragiale – anzutreffen waren (die meisten von ihnen hatten in Österreich oder Deutschland studiert). 1937 veranstaltete der 83jährige Meissner die 70-Jahrfeier der „Junimea“, für die er selbst bloß einige Gedichte aus dem Rumänischen ins Deutsche übertragen hatte. Meissner, der 1939 nach dem Tod seiner Gattin nach Bukarest übersiedelte und dort am 19. September 1942 starb, war der letzte Vertreter der für Rumänien so wichtigen Literaturvereinigung.

Meissners Tätigkeit weist zwei Schwerpunkte auf: seine Tätigkeit als Lehrer und Schulreformer und seine politische Karriere. Sein aktives Berufsleben war fast ausschließlich schulischen Aktivitäten gewidmet. Als in den 1890er Jahren Unterrichtsminister wie Petru Poni oder Spiru Haret die Modernisierung des rumänischen Schulwesens betrieben, war Meissner einer der Mitgestalter dieser Veränderungen. Bei der Anwendung der aus Deutschland stammenden Modelle auf rumänische Verhältnisse erzielte Meissner Erfolge. Vor allem die Ausbildung der Pädagogen in den Grundschulen wurde verbessert. Die Rolle der Lehrerpersönlichkeit beschäftigte Meissner auch in seinen theoretischen Schriften. Über seine eigene Unterrichtstätigkeit informieren die 1913 in der Festschrift Meissner publizierten Berichte seiner Schüler, die später in Zivil- und Militärverwaltung des Landes hohe Ämter bekleideten. Daß er auch in den von ihm erarbeiteten Schulwerken die Kreativität betonte und dabei auf deutsche Vorbilder zurückgriff, läßt sein zweibändiges Deutschlehrbuch (1899-1900) erkennen, das bis 1918 Verwendung fand. Meissner übernimmt dabei nicht die lokalen Ansätze von Lehrbuchautoren wie Zaharia Kolumb (1855) oder J. R. Aywas (1860), sondern stützt seine Ausführungen auf Erkenntnisse von Wilke und Ahn und war damit ein früher Verfechter der audio-visuellen Methode. Die Gründung von Sonderschulen und die Beachtung der Anliegen von schwer erziehbaren Kinder ist ein Verdienst von Meissner, der dafür auch die Mittel zur Verfügung stellte, die er selbst in einem langen Arbeitsleben zusammen getragen hatte.

Der Politiker Meissner stand im Schatten seiner Parteifreunde Alexandru Marghiloman und Ion Averescu und anderer, doch führte seine Unermüdlichkeit dazu, daß er, wie seine Zeitgenossen festhielten, als ,Mädchen für alles‘ eingesetzt wurde. Dies hatte auch zur Folge, daß keine großen Entwürfe von Meissner selbst stammten, daß er aber bei der Bewahrung kultureller und gesellschaftlicher Traditionen einiges leistete.

Nach 1945 wurde Constantin Meissner – trotz der 1971 von Nicolae Enescu herausgegebenen Monographie – fast vergessen. Seine Porträtbüste verschwand, die Lehrerbildungsanstalt trug nicht mehr seinen Namen und eine Ausgabe seiner in vielen Zeitschriften zerstreuten Aufsätze ist bis heute nicht erschienen. Auch der Nachlaß, der Fonds Elena und Constantin Meissner im Bukarester Generallandesarchiv, ist bislang ungenügend erschlossen, obwohl er viele unbekannte Erkenntnisse über die Entwicklung des Schulwesens in Rumänien bereitstellt.

Lit.: Nicolae Iorga: Un profesor (Ein Lehrer), in: Neamul românesc 1924, Nr. 30. – D. I. Cucu: Constantin Meissner, slujitor al culturii româneşti (C. M. als Diener der rumänischen Kultur), in: Basarabia literară, Jg. 1, 21.9.1942, S. 1, 4. – Alexandru Vasiliu-Tătăraşi: Amintiri despre pedagogul şi junimistul C. Meissner (Erinnerungen an den Pädagogen und Junimisten C.M.), in: Apostolul, IX (1943), Nr. 10-12, S. 7-20. – Nicolae Constantin Enescu: Constantin Meißner. Pedagog al şcolii poporului (C. M. Pädagoge der Schule des Volkes), Bukarest 1971. – Sorin Chiţanu: Ein vergessener Germanist, in: Volk und Kultur 29 (1978), Nr. 7. – Horst Fassel: Ein deutscher Vertreter der Junimea. Briefe an Constantin Meissner, in: Neue Literatur 34 (1983), Nr. 10. – Constantin Meissner (1854-1942) – ein rumänischer Pädagoge und Politiker, in: Südostdeutsches Archiv 1985-1986, Bd. XXVIII/XXIX, S. 87-103.

Werke: (mit Victor Dogaru): Prima carte pentru clasa I-a primară (Erstes Lesebuch für die erste Volksschulklasse), Ploieşti 1899, I-II. – (mit Ioan Paul): Prima carte pentru studiul limbii germane (Erstes Lehrbuch für Deutsch), Bukarest 1899-1900, I-II. – (als Mitherausgeber): Cartea ţeranului român (Das Buch des rumänischen Bauern), Bukarest 1901. – Copii cu rele porniri şi şcoalele de îndreptare (Kinder mit schlechten Gewohnheiten und die Besserungsanstalten),Iaşi 1909. – Psihologia (Psychologie),Iaşi 1905. – Rotary şi tineretul (Rotary und die Jugend), Bukarest 1935. – Comemorarea Junimii la Iaşi (Die Junimea-Gedenkfeier in Jassy), Iaşi 1937. – zahlreiche Aufsätze in pädagogischen Fachzeitschriften, ebenso politische Aufsätze in rumänischen Periodica.

Bild: Archiv des Instituts für donauschwäbische Geschichte und Landeskunde, Tübingen

Horst Fassel