Biographie

Mercy, Claudius Florimund Graf

Herkunft: Banat
Beruf: Feldherr, Kolonisator des Banats
* 1. Januar 1666
† 29. Juni 1734 in Schlacht bei Parma

Florimond-Claude Comte de Mercy oder Claudius Florimund Graf Mercy, wie er vor allem in die Geschichte Österreichs ein-gegangen ist, entspross einem bis ins 15. Jahrhundert zurückreichenden Adelsgeschlecht. Er wurde 1666 im französischsprachigen Teil Lothringens entweder im Schloss von Mercy oder in dem in der Nähe gelegenen Schloss von Martinfontaine als einziger Sohn von Feldmarschalleutnant Freiherr Pierre-Ernest de Mercy (1641-1686) und Marie-Christine d’Alla­mont geboren. (Geburtsjahr und -ort werden von keinem Forscher beanstandet, da präzisere Angaben fehlen.) Sein Vater war kurz vor seinem Tod in den Grafenstand erhoben worden. Als er bei der Belagerung von Ofen schwer verwundet wurde und am 5. Oktober 1686 in Wien starb, wurde für den zwanzigjährigen Sohn ein Vormund eingesetzt: sein Großonkel mütterlicherseits, Charles-Albert d’Argenteau, Lehns­herr von La Grange, Fontoy, Auvilliers usw.

Wie etliche Mitglieder des Hauses Mercy wählte auch Claudius Florimund die Kriegerlaufbahn als Lebensbestimmung und trat nach dem damals üblichen Studium der Adligen 1682 unter Kaiser Leopold als Volontär in die Armee des Hauses Habsburg ein. Den Ruhm seiner Vorfahren konnte er fortsetzen und ihn durch seine Tätigkeit als Staatsmann und Kolonisator vergrößern. Er verteidigte das von den Osmanen belagerte Wien und erwarb sich in der Schlacht am Kahlenberg den Leutnantsgrad im Kürassierregiment Lothringen. Während eines seiner folgenden sechs Feldzüge in Ungarn (1684-1690) gegen die Türken avancierte er in Anerkennung seiner Tapferkeit zum Rittmeister. Im Krieg der Augsburger Liga 1691-1696 wurde er beim Italienfeldzug wiederholt als Parteigänger verwendet. Prinz Eugen von Savoyen erkannte seine Fähigkeiten und berief ihn nach Ungarn. Für seine Unerschrockenheit in der Schlacht bei Zenta 1697 wurde Mercy zum Major und kurz darauf zum Oberstlieutenant befördert. Den Spanischen Erbfolgekrieg machte er vom Beginn 1701 bis zum Rastatter Frieden 1714 mit. Als Führer von „Streifcommanden“ vollbrachte er tollkühne Husarenstücke. So schlug er bei Borgoforte (Provinz Mantua) mit 300 Reitern eine Übermacht von sechs feindlichen Eskadrons zurück, machte Gefangene und erbeutete Pferde. Mehrere Male geriet er in Gefangenschaft, kam aber im Austausch wieder frei. 1702 befehligte er als Kavallerieoberst die kaiserliche Reiterei bei Cremona, hierauf gegen die französische Armee am Rhein ein nach ihm benanntes Kürassierregiment. In der Schlacht bei Friedlingen erwarb er sich großen Ruhm. 1705 drängte er, inzwischen zum Generalmajor befördert, die Franzosen aus ihren Linien bei Pfaffenhofen bis unter die Kanonen von Straßburg zurück. Er versah 1706 Landau mit dem nötigen Nachschub und rieb bei Offenburg 1707 das fliegende Korps des Marquis de Vivans auf. Zum Feldmarschallleutnant erhoben, deckte er die Gegend von Landau. Im Feldzug von 1709 führte er sechs Regimenter nach Mantua, ging nach seiner Rückkehr über den Rhein und verschanzte sich bei Neuenburg. Von übereiltem Tatendurst getrieben, wurde er verwundet. Von Maréchal de Bourg bei Rumersheim geschlagen, musste er sich zwar nach Rheinfelden zurückziehen, bewachte jedoch mit rastlosem Eifer den Schwarzwald und die Waldstädte. Zwei Jahre lang diente er in den Niederlanden, bevor er im Krieg gegen die Türken in der Schlacht von Peterwardein 1716 als General der Kavallerie maßgeblich zum Sieg beitrug, hierauf unterstützte er die Belagerung und Einnahme von Temeswar sowie Belgrad aus der Hand der Türken und führte die Avantgarde des Heeres.

Nach dem bei Passarowitz 1718 geschlossenen Friedensvertrag begann Graf Mercy mit staunenswerter Tatkraft und außerordentlichem Talent für Organisation und Administration mit der Urbarmachung und Kultivierung des nach 164-jähriger türkischer Okkupation schwach besiedelten und völlig verwüsteten Banats. Trotz seiner Zugehörigkeit zu Ungarn betrachtete die Wiener Zentralregierung aus militärischen sowie fiskalischen Gründen das Temescher Banat als kaiserliche Kron- und Kam­merdomäne, die unter Leitung der Wiener Hofkammer nach streng merkantilistischen Gesichtspunkten regiert werden sollte. Am 15. April 1718 wurde Mercy durch kaiserliches Dekret zum kommandierenden General im Banat ernannt, so dass der Führungsanspruch des Militärs in der Kameralverwaltung erhalten blieb. Zugleich fiel ihm das Amt des Präsidenten der Landesadministration des Banats (1717-1734) zu. In dieser Funktion hatte er die Aufgabe, das in seinen Grundzügen von Prinz Eugen entworfene Einrichtungsprojekt des Banats durchzuführen.

Bald jedoch wurde der erprobte Feldherr vom Kaiser wieder abberufen. Während des Krieges gegen die Spanier hatte Mercy ab April 1719 den Oberbefehl auf Sizilien und kämpfte mit wachsendem Erfolg. Er griff den Marquis de Lede am 20. Juni bei Francavilla an, trotz einer Verwundung gelang ihm noch die Besetzung von Messina, darauf wurde er durch Feldmarschalleutnant Zum Jungen abgelöst.

Als Gouverneur von Temeswar leitete Mercy ab 1720 die Besiedlung und systematische Kultivierung des den Türken entrissenen südlichen Ungarn einschließlich des Temescher Banats. In den verödeten Gebieten wurden Ortschaften mit Haupt- und Verbindungsstraßen angelegt, Kasernen gebaut und die intensive Bodenbewirtschaftung wieder eingeführt. Nach Untersuchungen des Bodens legte man Nutzpflanzungen an, so u. a. Maulbeerbäume, Obstbäume und Weinstöcke. Deutsche, französische, italienische und spanische Kolonisten wurden berufen, die Grund und Boden mit bis zu sechsjähriger Steuerfreiheit erhielten. Insgesamt wurden 100.000 Menschen angesiedelt. Bis zum Jahr 1727, als diese erste Siedlungsaktion – später der erste große Schwabenzug genannt – eingestellt werden musste, kamen etwa 15.000 katholische Kolonisten besonders aus den südlichen Regionen des Deutschen Reichs. Mercy regte von 1722 bis 1725 aber auch seine Landsleute in Lothringen zur Auswanderung an, namentlich im Raum Nancy, Metz, Sarrebourg, Sarreguemines. Viele Lothringer und Elsässer lie­ßen sich in der Schwäbischen Türkei, vor allem in Högyész, nieder, andere im nördlichen Banat, wo die wichtigsten Ansiedlungsorte St. Hubert, Charleville, Seultour, Mastort und Heufeld waren.

Auf Graf Mercys Initiative geht auch die Fortifikation Temeswars und die Begradigung der Bega zurück. Am 23. April 1723 wurde der Grundstein der neuen Festungsmauern gelegt. Der Bau der Festung fand trotz ununterbrochener Arbeiten erst 1765 seine Vollendung. Mercy förderte den Bau öffentlicher und privater Häuser sowie den Ausbau Temeswars auch im Bereich industrieller Ansiedlungen. Manufakturen und Handelshäuser im Bereich der Tuch- und Ledererzeugung, Brauereien und Branntwein-Brennereien, Holz- und Papiermühlen, Färbereien, Ölpressen und Seilereien entstanden vor allem in einer Vorstadt nahe Temeswar, der sog. „Fabrikstadt“. Sie wurden beliefert von Obst- und Hanfbauern, Winzern und Seidenraupenzüchtern. Um die Sicherheit des Landes zu kräftigen, befestigte Mercy auch die strategisch wichtigen Orte Orschowa, Mehadia, Palanka, Kubin und Pantschowa.

1727 war der Bau des Bega-Kanals zwischen Temeswar und Groß-Betschkerek unter Mercys Führung abgeschlossen. Mit ihm wurde nicht nur die Flussschifffahrt aufgenommen, sondern auch die Entsumpfung des Landes und die Gewinnung von fruchtbarem Ackerland vorangetrieben. Die Kanalisierung erschien Mercy aus strategischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt sanitären Gründen notwendig. Oberstes Ziel seiner Wirtschaftspolitik war es, Agrarproduktion, Handwerk und Industrie, ferner Bergbau und Handel zu fördern. In der verhältnismäßig kurzen Zeit von 17 Jahren brachte er an leitender Stelle – nicht zuletzt durch Reformen und den Aufbau der Kameralverwaltung mit Staats-, Wirtschafts- und Rechtswesen – das Banat zum Aufblühen und hatte das Fundament für zukünftiges Wachstum gelegt. Abgesehen von der erstrebten, aber an technischen Problemen gescheiterten Ausfuhr von Banater Produkten über Adriahäfen hat Mercy sein selbst gestecktes Ziel – nämlich die wirtschaftliche Autarkie und eine aktive Handelsbilanz des Landes – weitgehend erreicht.

Der 1733 ausgebrochene Polnische Thronfolgekrieg setzte Mercys Verwaltungstätigkeit im Banat ein Ende. Inzwischen zum Generalfeldmarschall erhoben, übernahm er das Kommando eines Observationskorps in Oberitalien. Obwohl er bereits in seinem 68. Lebensjahr stand, an Gicht litt und nach einem Schlaganfall fast blind und taub war, lieferte er seinen Truppen ein anspornendes Vorbild. In der Schlacht von Parma am 29. Juni 1734 griff er allerorten persönlich ein. Doch in falscher Einschätzung der militärischen Lage fiel der Oberfeldherr gegen Mittag, von zwei Kugeln getroffen, tot vom Pferd. Graf Mercy wurde in der Domkirche von Reggio d’Emilia beigesetzt, sein Herz jedoch nach altem Brauch ins heimatliche Lothringen gebracht und in Joppécourt aufbewahrt. Da er unvermählt geblieben war und keine Kinder hinterließ, erbte sein Großneffe, der von ihm bereits 1722 adoptierte Antoine d’Argenteau, seine ungarischen Besitzungen, seinen Namen und Grafentitel.

Lit.: Gerhard Seewann, Mercy, Claudius Florimund Graf, in: Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas, Band 3, München 1979, S. 159-161. – Stephan Vajda, Felix Austria. Eine Geschichte Österreichs, Ueberreuter, Wien 1980, S. 338 f. – Norman Laybourn, Claudius Florimund Graf Mercy, in: Weißkirchner Nachrichten, Juni 1987, S. 6.

Bild: Claudius Florimund de Mercy (anonymer zeitgenössischer Meister), Heeresgeschichtliches Museum Wien.

Stefan P. Teppert