Biographie

Meridies, Wilhelm

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Herkunft: Schlesien (Ober- u. Niederschlesien)
Beruf: Schriftsteller, Literaturhistoriker
* 28. September 1898 in Oppeln/Oberschlesien
† 10. Oktober 1982 in Wangen/Allgäu

Zweifellos war es ein Verdienst gewesen, zum 75. Geburtstage Wilhelm Meridies’ eine Sammlung von seinen Texten zu veranstalten, und sie in der verdienstvollen Schriftenreihe „Silesia“, die von Alfons Hayduck begründet worden war, herauszubringen (Delp’sche Verlagsbuchhandlung KG, München 1974). Inneres Alphabet lautete der Titel dieser Publikation, die literarische Porträts aus vier Jahrhunderten vorstellte (versehen mit einem Vorwort von Eberhard G. Schulz) und damit wesentliche Arbeiten des schlesischen Literaturkritikers erneut zugänglich machte. Es sind Arbeiten zu Rilke, Charles de Coster und Ernst Barlach sowie Arno Holz und Hermann Bahr. Wilhelm von Scholz und O. Julius Bierbaum beschließen diese Ausgabe. Es sind Texte, die Spuren einer längst versunkenen Welt freilegen. Doch vielleicht findet die heutige Generation keinen Zugang mehr zu jener gänzlich entrückten Zeit. Aber Meridies ermuntert uns mit einer der in dem genannten Buch abgedruckten Arbeiten, nämlich Zwiesprache über den Zeiten. Walter Rathenau und Hermann Stehr (entstanden 1950), zu einem Dialog mit dem Gestern. Dieser erweist sich um so lohnender, als Eberhard G. Schulz mit Recht vom „philosophischen und literarischen Niveau der Essays“ Meridies’ spricht, darin ihren „bleibenden Wert als Beiträge zu einer Diskussion ihrer Gegenstände jenseits aller Modeströmungen“ liegen sieht.

 Wilhelm Meridies war Sohn eines Arztes. Er besuchte dasGymnasium in Oppeln und die Katholische Ritterakademie zu Bedburg (Erft). Im Ersten Weltkrieg wurde er schwer verwundet. Ein Studium der Germanistik, Geschichte und Philosophie an der Universität Breslau folgte. Er schloß es mit der DissertationDie Eulenspiegelgestalt in der deutschen und flämischen Dichtung bis auf die Gegenwart 1923 ab. Nachdem er während des Studiums Beiträge zu kulturellen und literaturkritischen Themen für die Presse geschrieben hatte, begann er 1924 eine längere Tätigkeit als Lektor und Redakteur in Buch- und Zeitschriftenverlagen in Hildesheim und Frankfurt a.M. sowie beim Rundfunk und als Theaterkritiker. 1930 folgte ein volksbibliothekarisches Studium in Leipzig, das 1932 abgeschlossen wurde. Für zehn Jahre (1933-1943) wurde in Leipzig und später in Frankfurt am Main der Rundfunk sein Betätigungsfeld für die Bereiche Literatur, Hörspiel und Musik. Er begründete die HörfolgeDas deutsche Schatzkästlein. Im März 1943 wurde seine Wohnung in Frankfurt a.M. mit seiner wertvollen Bibliothek, wichtigen Arbeitsmaterialien und wertvollen Autographen vollständig vernichtet.

Im Februar 1945 flüchtete Meridies, inzwischen nach Schlesien zurückgekehrt, zusammen mit seiner Frau Ursula (einer Tochter Hermann Stehrs, die er 1924 geheiratet hatte), von dort nach Süddeutschland, wobei wesentliche Teile des dichterischen Nachlasses von Hermann Stehr mitgeführt werden konnten. In Wangen im Allgäu, wo er und seine Frau sich niederließen, baute er das Hermann-Stehr-Archiv auf, auch als eine Gedenk-und Forschungsstätte. Die Hermann-Stehr-Gesellschaft war schon 1948 gegründet worden. Von 1950 bis 1963 leitete der engagierte Literaturkritiker die WochenzeitungSchlesische Rundschau und stritt darüber hinaus in einer Fülle von Beiträgen für die Bewahrung des schlesischen Kulturerbes, wobei viele Beiträge Hermann Stehr galten. Meridies’ weitgehend vergessenes Werk stellt sich als eine Fundgrube von seltenem Reichtum, Wissen und Ethos dar und gehört in solchen Bekundungen zum reichen Erbe der schlesischen Literatur- und Kulturgeschichte.

Lit.: Bibliographische Hinweise zum Werk von Wilhelm Meridies in dem Band „Inneres Alphabet“ (1974).

 

    Günter Gerstmann