Biographie

Mikulicz-Radecki, Johannes von

Herkunft: Galizien u. Bukowina
Beruf: Chirurg
* 16. Mai 1850 in Czernowitz/Bukowina
† 14. Juni 1905 in Freiberg/Schlesien

Johann von Mikulicz-Radecki, der Schüler des berühmten Wiener Chirurgen Theodor Billroth (1829–1894) [über diesen siehe OGT 1994, S. 28-30], gehört zu den bedeutendsten Vertretern seines Faches im letzten Dritteldes 19. Jahrhunderts. Mikulicz nahm im Wintersemester 1869/70das Medizinstudium in Wien auf, das er im März 1875 erfolgreich mit dem Staatsexamen abschloß. Gleichzeitig wurde er zum Doktor der Medizin promoviert. Ebenfalls 1875 wurde er unter Billroth Assistent an der Wiener Chirurgischen Klinik. 1880 konnte er sich dort mit der Arbeit Über das Genu varum und valgum für das Fach Chirurgie habilitieren. 1882 folgte Mikulicz einem Ruf an die Universität Krakau, wo er als Ordinarius die Leitung der Chirurgischen Klinik übernahm. Nachdem seine Bemühungen um den Bau einer neuen chirurgischen Klinik in Krakau gescheitert waren, ging er 1887 nach Königsberg. 1889 wurde er zum Geheimen Medizinalrat ernannt. 1890 übernahm er in Breslau den Lehrstuhl für Chirurgie. Dort wirkte er bis zu seinem Tod 1905.

Hervorzuheben sind Mikulicz’ bahnbrechende Arbeiten über die Wundbehandlung. Er beschäftigte sich mit der Tamponade der Bauchhöhle sowie mit neuen Methoden der Desinfektion, der Narkose und Lokalanästhesie. Als erster entwickelte er brauchbare Verfahren der Ösophago- und Gastroskopie. Des weiteren widmete er sich den Problemen bei der Kropfoperation, der Magen- und Fußresektion, der Pyloroplastik sowie der Darmvorlagerung. Auch der Orthopädie brachte er reges Interesse entgegen. Erwähnt sei ferner Mikulicz’ wissenschaftliche Beschäftigung mit der Hüftgelenkluxation, dem angeborenen Schiefhals und der Skoliose.

Johannes von Mikulicz-Radecki verfaßte zahlreiche wissenschaftliche Werke. Seine bedeutendsten sind: Über die Anwendung der Antisepsis bei Laparotomien mit besonderer Rücksicht auf die Drainage der Peritonealhöhle(1881), Beiträge zur Wundbehandlung. Zur Bedeutung des Quecksilbersublimates für die Wundbehandlung(1884), Über die Ausschaltung todter Räume aus der Peritonealhöhle mit besonderer Rücksicht auf die Exstirpation der aus der Beckenhöhle ausgehenden Geschwülste(1886), Zur operativen Behandlung des stenosierenden Magengeschwüres (1888).

Medizinische Begriffe mit Mikulicz’ Namen (Eponyme) sind noch heute in Gebrauch: In medizinischen Lexika finden sich die Termini „Mikulicz-Klemme“, eine Peritonealklemme bzw. „Spornquetsche zur Durchtrennung der Trennwand einer axialen Fistel“, ferner die „Mikuliczsche Krankheit“ (im Jugendalter auftretende einkammerige, solitäre Zysten in Epiphysennähe in Röhrenknochen bzw. Schwellungen von Mundspeichel- und Tränendrüsen), dann die „Mikuliczschen Aphthen“ (chronisch rezidivierende Schleimhautveränderungen), die „Mikuliczsche Magenresektion“, die „Mikuliczsche Naht“, eine einstülpende dreischichtige Naht bei (Magen-)Darmanastomosierung, sowie der „Mikulicz-Tampon“ zur Tamponade größerer und freierer Wundhöhlen, zur Sekretaufsaugung und zum Offenhalten des Wundbettes für eine Sekundärheilung. Die verhältnismäßig große Zahl der Mikulicz-Eponyme weist auf die breite Wirkung hin, die die wissenschaftliche Arbeit des Chirurgen entfalten konnte.

Johannes von Mikulicz-Radecki regte seinen Schüler Ferdinand Sauerbruch (1875–1951) zu dessen bahnbrechenden Forschungen über die Unterdruckkammer an, die eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entwicklung der modernen Thoraxchirurgie darstellen.

Aufgrund seines erfolgreichen Schaffens war Mikulicz Mitglied bzw. Ehrenmitglied in zahlreichen medizinischen Gesellschaften des In- und Auslandes. Ehrendoktorwürden erhielt er 1898 in Edinburgh, 1901 in Glasgow und 1903 in Philadelphia.

Lit.: Werner E. Gerabek und Gundolf Keil: Mikulicz in Krakau, in: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen 8 (1990), S. 295–306. – Volker Zimmermann: Mikulicz-Radecki, v. 1) Johannes, Chirurg, in: Neue Deutsche Biographie, hrsg. v. d. Hist. Komm. bei d. Bayer. Akad. d. Wiss., XVII, Berlin 1994, S. 498f.

Werner E. Gerabek