Biographie

Mollenhauer, Ernst

Herkunft: Ostpreußen
Beruf: Maler
* 27. August 1892 in Tapiau/Ostpr.
† 3. April 1963 in Düsseldorf

Der Geburtsort von Ernst Mollenhauer, das östlich von Königsberg am Pregel gelegene Tapiau, heute Gwardejsk, war die gleiche Kleinstadt, die bereits 1858 Lovis Corinth hervorgebracht hatte. Dieser hatte im Oktober 1891 die Heimat verlassen und war nach München gezogen. Dennoch kehrte Corinth immer wieder nach Ostpreußen auf Besuch zurück und behielt Tapiau und seine Kindheit dort lebenslang in Erinnerung. So mag die nur mündliche Überlieferung zu­treffend sein, dass es Lovis Corinth war, der beim jungen Mollenhauer dessen zeichnerische Begabung erkannte und dem Vater entsprechenden Rat gab. Vielleicht war dies 1910, als Corinth sein im Berliner Atelier gemaltes großes Altar­trip­tychon in der Kirche von Tapiau aufstellen ließ. 1913 schrieb sich Ernst Mollenhauer an der Kunstakademie in Königsberg ein.

Die modernen Kunstströmungen aus Paris, München, Dresden und Berlin hatten die damals recht provinzielle Königsberger Akademie noch nicht geprägt. Erst die Berufung von Ludwig Dettmann 1901 zum Direktor und von Olof Jernberg zum Leiter der Landschaftsklasse brachte frischen Wind. Seine ersten Ferien von der Akademie verbrachte Ernst Mollenhauer an der Samlandküste. Mollenhauer gehörte offiziell zur Malklasse von Richard Pfeiffer und hatte mit diesem und den Mitstudenten wohl schon im gleichen Jahr 1913 die Kurische Nehrung mit Nidden aufgesucht. Jedoch forderte der Beginn des Ersten Weltkriegs persönliche Opfer, und Mollenhauer war von 1914 bis 1918 im Militärdienst an verschiedenen Kriegsschauplätzen.

Nach Rückkehr 1919 an die Königsberger Ausbildungsstätte versuchten die Studierenden, einen neuen Geist durchzusetzen. In der Künstlervereinigung „Der Ring“ agitierte auch, zusammen mit seinem Malerfreund Alexander Kolde, Ernst Mollenhauer als der Vorsitzende des Studentenausschusses. Künstlerisch wandte man sich einem gemäßigten Expressionismus zu. Mollenhauer wurde Meisterschüler von Arthur Degner. Die Studenten zogen nach Nidden auf die Nehrung, man lernte Max Pechstein kennen, der sich in den Sommermonaten 1919 und 1920 dort aufhielt, und versammelte sich im Gasthof von Hermann Blode.

Schon 1920 kam es zur Heirat von Ernst Mollenhauer mit der Tochter Hedwig dieses Gastwirts und Kunstfreundes. 1921 besuchten beide in Berlin bei Paul Cassirer die große Edvard Munch-Ausstellung, ein weiteres lebenslang wirkendes Erlebnis für den Maler und Grafiker Mollenhauer.

1922 endete die Studienzeit an der Königsberger Akademie, als das junge Ehepaar Mollenhauer nach New York reiste. Die für eine dortige Ausstellung vorausgeschickten Gemälde waren jedoch nicht auffindbar, in New York neu gemalte Bilder gingen durch ein Feuer teilweise verloren, aber es reichte noch für eine Ausstellung in der Dudensing Gallery.

Den Lebensunterhalt verdient Mollenhauer als Mitarbeiter in einem Studio zur Herstellung projizierbarer Bühnenbilder auf Glasplatten. Dies brachte dem Künstler bei der Rückkehr nach Deutschland eine Berufung von Max Reinhardt in Berlin, aber das Ehepaar Mollenhauer reiste weiter nach Nidden im nunmehr litauisch verwalteten Memelland, und Ernst Mollenhauer übernahm den Gasthof des Schwiegervaters.

Es entstanden zahlreiche, von den Naturstimmungen an der See geprägte Gemälde, auch einige Bildnisse und Stillleben. Daneben, und nicht minder wichtig, setzte sich der Gastwirt und Maler für den Erhalt der Ursprünglichkeit der Nehrungslandschaft ein, in bestem Einvernehmen mit Künstlerfreunden wie u.a. Thomas Mann. 1939 kam das Memelland und damit der nördliche Teil der Nehrung zurück an das Deutsche Reich. Nazi-Deutschland ordnete jedoch das Schaffen Mollenhauers als „entartet“ ein und belegte ihn mit Ausstellungs- und Malverbot. 1945 kam Ernst Mollenhauer mit seiner Division über Pillau nach Kopenhagen, dann nach Büsum und in die Nähe Göttingens. Der gesamte Atelierbestand war verloren, doch es fanden sich wohlbehalten Frau und Tochter Maja. In Kaarst bei Neuss wurde 1946 ein Neubeginn gewagt, 1950 übersiedelte man nach Düsseldorf und hielt sich seitdem in den Sommermonaten regelmäßig auf Sylt auf, zunächst in Kampen, später in Keitum.

Am 3. April 1963 starb Ernst Mollenhauer in Düsseldorf und wurde in Keitum beigesetzt. Das Schaffen von Ernst Mollenhauer in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg ist nicht mehr gültig beurteilbar. Zwar konnte die Tochter Maja Ehlermann-Mollenhauer beim Verlassen der Heimat eine Reihe von Gemälden retten, auch tauchen gelegentlich die in der Vorkriegszeit in den Westen verkauften Arbeiten wieder auf, doch die Mehrzahl der zwischen 1922 und 1939 entstandenen Gemälde und Zeichnungen ist nicht mehr nachweisbar. Beim Erhaltenen sind Anklänge an das Schaffen von Arthur Degner festzustellen, vor allem im Bildnis- und Stillebenbereich, sowie an das Schaffen von Christian Rohlfs. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat der Maler zerstörte oder nicht verfügbare Werke nicht nachgeschaffen. Die im Raum Düsseldorf und auf Sylt nach 1948 entstandenen Werke sind, auch bei Themengleichheit, keine Wiederholungen von Arbeiten aus den zwanziger und dreißiger Jahren, wobei Details zitatweise benutzt wurden. Erst jetzt verraten die Gemälde den starken Eindruck, den Gemälde von Pechstein und vor allem Schmidt-Rottluff in Nidden auf Mollenhauer gemacht haben.

Die Sehnsucht des Künstlers suchte die ostpreußische Nehrungslandschaft; auf Sylt fand er vergleichbare Landschaft. Mollenhauer reiste seit 1959 an das Mittelmeer nach Collioure und Port Vendres, in die Bretagne nach Treboul, doch erzeugten diese Aufenthalte nicht Werke gleicher Kraft wie das vertraute Sylt. Rastlos arbeitend und sich selbst bis zur Kompromisslosigkeit ehrlich, war es dem Maler bald möglich, sich einen angesehenen Platz in der Kunstszene der Nachkriegsjahrzehnte zu sichern. Mit seinen Gemälden erreichte er eine letzte Steigerung eines natur- und landschaftsbezogenen Expressionismus. Er nahm den Themen und Details das Beiläufige und brachte das Schöpfungswerk Gottes kraftvoll zum Ausdruck.

Ostpreuße von Geburt und Wesensart, war Ernst Mollenhauer als ein tiefernster Mensch durchaus gesellig und voller Humor. So war er als Mensch ebenso wie der die Seele des Darzustellenden suchende Künstler manchmal auch Lyriker. Wie schon in seiner Niddener Zeit als Chef im Gasthof Blode und Mitte der Künstlerkolonie, setzte sich Mollenhauer auch nach dem Zweiten Weltkrieg für Künstlerkollegen ein, leitete die Landesgruppe Nordrhein­Westfalen und war zehn Jahre lang auch Leiter der Fachgruppe Bildende Kunst der KünstlerGilde, was zusätzlich ein erhebliches Arbeitspensum mit sich brachte. Die Korrespondenz dieser Jahre ist im Archiv der KünstlerGilde in Esslingen vorhanden. Der umfangreiche künstlerische Nachlass wurde von der Tochter Maja Ehlermann-Mollenhauer dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg übertragen. Wegen Zerwürfnissen mit früheren Direktoren des Kunstforums Ostdeutsche Galerie in Regensburg wird man dort bei der Neueinrichtung der Schausammlung beim Aufbau eines Saales für die Niddener Künstlerkolonie auf Leihgaben aus dem Ostpreußischen Landesmuseum angewiesen sein. Erst dann wird die Öffentlichkeit die Bedeutung von Ernst Mollenhauer ermessen können.

Lit. (in Auswahl): Ernst Schremmer, Ernst Mollenhauer, München 1968 (= Monographien der Künstlergilde, 9). – Wolfgang Schulz, Ernst Mollenhauer. Gemälde, Zeichnungen. Ausstellungskatalog Berlin, Deutsch­landhaus 1983 (mit Lit.). – Maja Ehlermann-Mollenhauer (Hrsg.), Ernst Mollenhauer, Heidelberg 1992 (mit Lit.), Kat. Köln, Galerie Boisseree 2007.

Bild: Selbstporträt 1956, Ostpreußisches Landesmuseum

Wolfgang Schulz